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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_233/2012 
 
Urteil vom 11. Mai 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Ott, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 31. Januar 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1958 geborene B.________ meldete sich im April 2005 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich erteilte Kostengutsprache für eine drei Jahre dauernde Umschulung zur Katechetin für die "Unterstufe" und richtete dafür Taggelder aus (Verfügungen vom 26. April 2007 sowie 17. Januar und 1. Februar 2008). Im Rahmen der Sachverhaltsabklärung holte die IV-Stelle u.a. bei Dr. med. M.________, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie, das Gutachten vom 3. November 2009 ein. Nachdem sich die Versicherte einer weiteren (polydisziplinären) medizinischen Begutachtung widersetzt hatte, entschied die IV-Stelle nach Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens ohne weitere Sachverhaltsermittlung aufgrund der Akten und verneinte mit Verfügung vom 28. März 2011 einen Anspruch sowohl auf berufliche Massnahmen (Weiterführung der Ausbildung zur Katechetin für die "Mittelstufe") als auch auf eine Invalidenrente. 
 
B. 
Mit Entscheid vom 31. Januar 2012 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut, hob die Verfügung vom 28. März 2011 insoweit auf, als damit der Anspruch auf die Fortsetzung der Umschulung abgewiesen wurde, und wies die Sache diesbezüglich zur Abklärung im Sinne der Erwägungen und hernach zum Entscheid an die IV-Stelle zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C. 
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des Entscheids vom 31. Januar 2012, soweit er den Rentenanspruch betrifft, u.a. folgende Rechtsbegehren stellen: 
"2. Es sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin berechtigterweise eine erneute medizinische Begutachtung verweigert habe. 
 
3. Eventualiter sei festzustellen, dass die allenfalls objektiv verletzte Mitwirkungspflicht entschuldbar war. 
 
4. Der Beschwerdeführerin seien mit Wirkung ab 9. Juli 2008 ganze IV-Invalidenrenten auszurichten, basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 %. 
 
5. Eventualiter sei der Fall an die Beschwerdegegnerin 1 zurückzuweisen mit der Anordnung, gestützt auf ein Invalidenpensum von 32 % als Katechetin den Einkommensvergleich vorzunehmen und über den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin neu zu verfügen." 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Für die Feststellungsanträge fehlt ein schutzwürdiges Interesse (vgl. 89 Abs. 1 lit. c BGG), wenn wie hier ein Antrag auf Leistung gestellt werden kann; zudem handelt es sich um neue und daher ohnehin unzulässige Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG). Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
2. 
2.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln (Art. 61 lit. c ATSG; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG). 
 
3. 
3.1 Bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). 
 
3.2 Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen für die Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte Person diesen zu unterziehen (Art. 43 Abs. 2 ATSG). Die Notwendigkeit der Anordnung eines weiteren Gutachtens ergibt sich aus der Beantwortung der Frage, ob die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht. Dies ist der Fall, wenn ein bereits bei den Akten liegendes Gutachten die inhaltlichen und beweismässigen Anforderungen an eine ärztliche Expertise (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) erfüllt (SVR 2007 UV Nr. 33 S. 111, U 571/06 E. 4.2). Kommt die versicherte Person den Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger auf Grund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Er muss diese Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen (Art. 43 Abs. 3 ATSG; vgl. auch Art. 7b Abs. 1 IVG und UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 58 zu Art. 43 ATSG
 
4. 
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Versicherte ihre bisherige Arbeit als Pflegeassistentin nicht mehr ausüben kann und dass die Tätigkeit als Katechetin leidensangepasst ist. Streitig und zu prüfen ist lediglich der Umfang der Arbeitsfähigkeit in einer solchen Beschäftigung. 
 
4.2 Die Vorinstanz hat dem Gutachten des Dr. med. M.________ vom 3. November 2009, in welchem eine Arbeitsfähigkeit im Umfang der ausgeübten Teilzeittätigkeit von 32,5 % attestiert wird, die Beweiskraft abgesprochen. Sie hat zwar eine polydisziplinäre Begutachtung grundsätzlich für angezeigt, den Verzicht darauf aber angesichts der Weigerung der Versicherten, sich einer solchen zu unterziehen, für zulässig gehalten. In der Auffassung, dass in den übrigen medizinischen Unterlagen keine rentenbegründende Erwerbseinbusse auszumachen sei, hat sie die Abweisung des Rentenbegehrens bestätigt. 
 
4.3 Dr. med. M.________ ist der Auffassung, dass zwar aufgrund der Kniesituation rechts ein volles Arbeitspensum in einer leichten, vorwiegend sitzenden Tätigkeit möglich sei. Indessen würden das lumbo-radikuläre Syndrom sowie die Kniesituation rechts und links die Versicherte "zwischendurch zwingen aufzustehen und herumzugehen", weshalb sie heute lediglich ein Arbeitspensum von "knapp einem Drittel erreiche". Das kantonale Gericht hält diese Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht für überzeugend: Einerseits habe sich der Experte offensichtlich am Umfang der Beschäftigung orientiert. Anderseits sei nicht einzusehen, warum die Beschwerdeführerin bei der Erteilung oder Vorbereitung des Unterrichts nicht auch aufstehen und sich bewegen könne. Weiter sei auch mit Bezug auf die erhobenen Befunde nicht einleuchtend begründet, weshalb bei der als optimal angepasst bezeichneten Tätigkeit als Katechetin die Arbeitsfähigkeit bloss 32,5 % betragen solle. Diese Feststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 2). Damit hat die Vorinstanz - selbst wenn von einer zufälligen Übereinstimmung des Arbeitspensums mit der Arbeitsfähigkeitsschätzung des Experten auszugehen wäre - triftige Gründe gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens (E. 3.1; vgl. auch BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353) dargelegt. Die diesbezügliche vorinstanzliche Beweiswürdigung ist daher weder offensichtlich unrichtig, geschweige denn willkürlich (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.; SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164, 9C_204/2009 E. 4.1, nicht publ. in: BGE 135 V 254), noch verletzt sie Bundesrecht. 
 
4.4 Dass bei diesem Ergebnis (E. 3.2) eine erneute, polydisziplinäre Begutachtung unzumutbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin in Bezug auf die entsprechende Anordnung eine Verletzung der Begründungspflicht durch die IV-Stelle rügt, kann sie nichts für sich ableiten, bildet doch nicht deren Verhalten, sondern einzig der vorinstanzliche Entscheid Streitgegenstand des letztinstanzlichen Verfahrens (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Im Übrigen war auch ohne explizite Begründung eine abweichende Auffassung von der Beweiskraft der bei den Akten legenden Unterlagen erkennbar (Aktenzustellung vom 29. Juni 2010). Dieser Umstand allein entbindet die versicherte Person indessen nicht von vornherein von ihrer Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, erhöht sich allenfalls das Risiko der Beweislosigkeit (E. 4.5), deren Folgen sie grundsätzlich zu tragen hat. 
 
4.5 Nachdem das Mahn- und Bedenkzeitverfahren (E. 3.2) korrekt durchgeführt wurde, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG; vgl. auch Art. 43 Abs. 1 ATSG) geltend. In dieser Situation ist nicht ausschlaggebend, dass die Verwaltung für die Arbeitsfähigkeitsschätzung auf das von der Unfallversicherung eingeholte Gutachten des Dr. med. N.________ vom 16. Mai 2007 abstellte. Massgeblich ist vielmehr, dass die bei den Akten liegenden medizinischen Unterlagen die Annahme einer quantitativen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360 mit Hinweisen; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 und 3.3 S. 324 f.) zulassen. 
 
4.6 Dass bei uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit als Katechetin ein rentenbegründender Invaliditätsgrad (vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG) resultieren sollte, ist nicht ersichtlich und wird resp. wurde nicht vorgebracht. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
5. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 11. Mai 2012 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann