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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 384/04 
 
Urteil vom 4. Mai 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Schüpfer 
 
Parteien 
C.________, 1942, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Hohlstrasse 552, 8022 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 8. September 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________, geboren 1942, arbeitete während 18 bis 30 Stunden pro Woche in der Telefonzentrale/Information im Center T.________. Am 16. August 1999 stolperte sie über eine Bodenunebenheit und stürzte über sechs Treppenstufen auf einen gepflasterten Hausvorplatz. Die Elvia Versicherungen (heute Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, nachfolgend: Allianz) erbrachten im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung für die dabei erlittenen Gesichtsverletzungen (Fraktur der rechen Orbita, Läsion des Nervus infraorbitalis, des Musculus obliquus inferior und des Rectus inferior mit Doppelbildern) Heilkostenleistungen und Taggelder. Nachdem die Orbitafraktur vom erstbehandelnden Hausarzt, Dr. med. K.________, Allgemeine Medizin FMH, vorerst übersehen worden war, wurde sie mittels Computer-Tomographie am 12. November 1999 von Dr. med. H.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, diagnostiziert und von Dr. med. R.________ am 10. Dezember 1999 operativ saniert. Nachdem die Allianz C.________ an der Klinik N.________ hat begutachten lassen (Expertise des Prof. Dr. med. W.________ vom 19. Juni 2002 mit Teilgutachten der Prof. Dr. phil. E.________ vom 16. April 2002), stellte die Versicherung mit Verfügung vom 5. August 2002 fest, es liege kein Schaden mehr vor, der auf den Unfall zurückzuführen sei, weshalb die Leistungen auf den 30. Juni 2002 eingestellt würden. Auf Einsprache hin wurde daran festgehalten (Entscheid vom 7. April 2003). 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 8. September 2004 ab. 
C. 
C.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellt den Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihr auch nach dem 30. Juni 2002 die gesetzlichen Leistungen für den Unfall vom 16. August 1999 auszurichten, eventuell sei ein medizinisches Gutachten anzuordnen. 
Die Allianz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 123 V 47 Erw. 2a, 119 V 337 Erw.1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang im Allgemeinen (BGE 127 V 102 Erw. 5b/aa, 125 V 461 Erw. 5a, je mit Hinweisen) und bei psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa), zum sozialversicherungsrechtlich massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 153 Erw. 2.1, 126 V 360 Erw. 5b) sowie zum Beweiswert von Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3, 122 V 160 Erw. 1c) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Leistungseinstellung, wenn derjenige Zustand erreicht ist, der sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (status quo sine; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b), und der dafür beim Unfallversicherer liegenden Beweislast (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329). Darauf kann verwiesen werden. Ebenso hat die Vorinstanz richtig ausgeführt, dass es den Sachverhalt zu beurteilen gilt, wie er sich bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 7. April 2003 verwirklicht hat (BGE 129 V 169 Erw. 1). 
 
Zu ergänzen ist, dass wenn der Einspracheentscheid zwar nach In-Kraft-Treten des ATSG ergangen ist, jedoch auch vor dem 1. Januar 2003 eingetretene Sachverhalte zu beurteilen sind, der Beurteilung der im Streite liegenden Rechtsverhältnisse bis 31. Dezember 2002 das alte Recht, ab 1. Januar 2003 das ATSG in Verbindung mit den revidierten Einzelgesetzen zu Grunde zu legen ist (BGE 130 V 329 ff.). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin aufgrund des Unfalls vom 16. August 1999 Anspruch auf weitere Leistungen (Heilbehandlungen, Taggeld, Rente und Integritätsentschädigung) der obligatorischen Unfallversicherung über den Zeitpunkt der verfügten Leistungseinstellung per 30. Juni 2002 hinaus hat. 
3. 
Die Allianz hat vor Erlass der Verfügung vom 5. August 2002 die obligatorischen Versicherungsleistungen in Form von Taggeldern und Heilbehandlung erbracht. Wenn sie nun behauptet, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den bestehenden Beschwerden weggefallen sei, so ist dies ebenfalls mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Weil es sich dabei um eine leistungsaufhebende Tatsache handelt, liegt die Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht bei der versicherten Person, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, 1994 Nr. U 206 S. 328). Dabei muss nachgewiesen werden, dass entweder der Zustand, wie er vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder aber derjenige Zustand erreicht ist, wie er sich auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, 1994 Nr. U 206 S. 328). Der Unfallversicherer hat jedoch nicht den Beweis für unfallfremde Ursachen zu erbringen, sondern nur, dass die unfallbedingten Ursachen des Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben (Urteile F. vom 10. September 2003, U 343/02 und E. vom 12. Dezember 2002, U 247/02). Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer den negativen Beweis zu verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliegt oder die versicherte Person bei voller Gesundheit ist (Urteil O. vom 31. August 2001, U 285/00 Erw. 5a). Entscheidend ist allein, dass das versicherte Unfallereignis nicht in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum fortbestehenden Gesundheitsschaden steht (Urteil C. vom 14. Juni 2004, U 76/04). 
4. 
4.1 Das kantonale Gericht ist in einlässlicher, in allen Teilen zutreffender Würdigung der medizinischen Unterlagen zum Schluss gelangt, dass die über den 30. Juni 2002 hinaus bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfall vom 16. August 1999 stehen. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. med. W.________ vom 19. Juni 2002 - inklusive Neuropsychologisches Teilgutachten der Frau Prof. Dr. phil. E.________ vom 16. April 2002 - ab, dem im Lichte der diesbezüglich massgebenden Kriterien (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) voller Beweiswert zuzuerkennen ist. 
 
Im Gegensatz zu den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde liegen gemäss diesem fachärztlichen Gutachten keinerlei Anhaltspunkte für eine neurologische hirnorganische Schädigung vor. Solche werden denn auch von dem die Beschwerdeführerin betreuenden Dr. med. H.________ nicht dargelegt. In seinem Bericht vom 25. August 2003 gegenüber den Winterthur-Versicherungen attestiert dieser Arzt zwar eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 21. Januar 2003 bis 12. Mai 2003. Begründet wird diese mit einer nicht näher umschriebenen "Dekompensation". Wie sich einem weiteren Zeugnis vom 19. Januar 2004 entnehmen lässt, handelt es sich bei dieser Versicherung um eine kollektive Krankenversicherung und das Attest wird wegen "Krankheit" ausgestellt. Erst in den folgenden Zeugnissen vom 2. März 2004 bis 6. September 2004 wird "Unfall" als Grund für die Arbeitsunfähigkeit vermerkt. Da die richterliche Überprüfungsbefugnis rechtsprechungsgemäss den Zeitraum bis zum Erlass des Einspracheentscheides am 7. April 2003 umfasst, und seitherige Veränderungen nicht zu prüfen sind (Erwägung 1), ist es irrelevant, ob ein Rückfall oder Spätfolgen aufgetreten sind oder ob die Arbeitsunfähigkeit auf Krankheit beruht. 
4.2 Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, aufgrund der seit dem Unfall bestehenden Nackenbeschwerden sei auch auf eine zusätzliche Beteiligung der HWS im Sinne eines HWS-Schleudertraumas zu schliessen. Das dafür typische Beschwerdebild halte seit dem Unfall unverändert an. 
 
Dem ist entgegenzuhalten, dass in den initialen medizinischen Akten Klagen über Nackenbeschwerden nicht vermerkt sind. Aufgrund des Unfallherganges ist eine Distorsionsverletzung der HWS sehr unwahrscheinlich. Dr. med. H.________ hat die Verunfallte am 11. November 1999 auch auf Hirnverletzungen hin untersucht, konnte aber einen normalen intracerebralen Befund, ohne Hinweise auf Parenchymläsionen oder Kontusionen, festhalten. Unbestritten ist ferner, dass die Beschwerdeführerin das Bewusstsein nach dem Unfall nicht verloren und auch nicht an einer retro- oder anterograden Amnesie oder an Übelkeit gelitten hatte (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, S. 310). Damit steht fest, dass sie im Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. med. W.________ an keinen organischen Unfallfolgen mehr gelitten hat. 
5. 
Zu prüfen bleibt, ob psychische Unfallfolgen vorliegen. 
5.1 Die Vorinstanz hat das Ersuchen um Durchführung eines psychiatrischen Gutachtens mit der Begründung, der adäquate Kausalzusammenhang zwischen möglichen psychischen Beeinträchtigungen und dem Unfall sei zu verneinen, abgelehnt, sodass nicht untersucht werden müsse, ob ein natürlicher Kausalzusammenhang gegeben sei. Dem ist beizupflichten (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67). 
5.2 Für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhanges kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Was die Beschwerdeführerin gegen die Anwendung der massgeblichen Kriterien gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa auf den vorliegenden Fall und deren Gesamtwürdigung durch das kantonale Gericht vorbringt, vermag nicht durchzudringen. Der Unfall ist höchstens dem mittleren Bereich zuzuordnen, ohne dass ein Grenzfall zu den schweren Unfällen anzunehmen wäre. Keines der unfallbezogenen Kriterien ist in besonders ausgeprägter Weise erfüllt. Auch sind die nach der Rechtsprechung entscheidenden Kriterien weder in gehäufter noch in auffallender Weise gegeben. Dem Unfallereignis vom 16. August 1999 kommt somit für die weiterhin geklagten Beschwerden spätestens seit dem 30. Juni 2002 keine rechtlich massgebende Bedeutung mehr zu, womit die Unfallversicherung eine weitere Leistungspflicht zu Recht abgelehnt hat. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen. 
6. 
Da Versicherungsleistungen im Streite liegen, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Die obsiegende Unfallversicherung hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 149 Erw. 4a mit Hinweisen). Als unterliegende Partei hat auch die Beschwerdeführerin - unabhängig davon, ob sie für die Abfassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf fachkundige Hilfe angewiesen war - keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 4. Mai 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: 
i.V.