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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_740/2008 
 
Urteil vom 10. November 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Lanz. 
 
Parteien 
N.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Laur, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Berufskrankheit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. August 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1965 geborene N.________ arbeitete ab 1988 als Bodenleger in der Firma F.________ AG und war dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Er war ab 5. November 2002 wegen Schmerzen am rechten Ellbogen zunächst ganz und später teilweise arbeitsunfähig. Dr. med. K.________, Oberarzt Ergonomie, Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin des Spitals X.________, diagnostizierte mit Berichten vom 21. Januar und vom 11. April 2003 eine chronische Epicondylitis humero-ulnaris beidseits rechtsbetont, welche er als arbeitsassoziiert betrachtete. Der Krankentaggeldversicherer der Arbeitgeberin, dem zuerst Meldung erstattet worden war, verneinte hierauf seine Zuständigkeit, da es sich um eine Berufskrankheit handle. Im Mai 2003 liess N.________ sein Leiden der SUVA als Berufskrankheit melden. Diese lehnte mit Verfügung vom 16. Juli 2003 die Ausrichtung von Leistungen ab, da keine Berufskrankheit vorliege. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 15. Oktober 2003 fest. N.________ führte hiegegen Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 10. Juni 2005 hiess das Sozialversicherungsgericht die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass der Einspracheentscheid aufgehoben und die Sache an die SUVA zurückgewiesen wurde, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit der Epikondylitis sowie über die vom Versicherten beantragte Übernahme der Kosten für das Privatgutachten (gemeint ist eine von Dr. med. L.________, FMH Arbeitsmedizin, FMH Soz. und Präv.med., und Dr. med. K.________ gemeinsam verfasste Stellungnahme vom 17. Februar 2005) neu verfüge. Die besagte Abklärung sollte darin bestehen, ein vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern im Nachgang zum Urteil (des Eidgenössischen Versicherungsgerichts) U 114/99 vom 3. August 2000 (BGE 126 V 183) veranlasstes Gutachten beizuziehen und anhand dieser wissenschaftlichen Grundlagen unter Einbezug der vom Versicherten veranlassten Studien die Anerkennung der Epikondylitis als Berufskrankheit zu überprüfen. Die SUVA holte hierauf das besagte, am 5. April 2005 durch Dr. med. L.________ und Dr. med. K.________ erstellte Gerichtsgutachten (mit Anhängen) ein. Hiezu äusserte sich Dr. med. I.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, Abteilung Versicherungsmedizin der SUVA, der zuvor bereits mehrfach Stellung genommen hatte, mit Ärztlicher Beurteilung vom 29. Juni 2006. Mit Verfügung vom 15. August 2006 verneinte die SUVA erneut eine Berufskrankheit und damit ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit der Epikondylitis. Die vom Krankenpflegeversicherer des N.________ gegen diese Verfügung vorsorglich erhobene Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die Einsprache des Versicherten wies die SUVA ab, soweit sie darauf eintrat (Entscheid vom 23. April 2007). 
 
B. 
Die von N.________ gegen den Einspracheentscheid vom 23. April 2007 erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, einschliesslich des Antrags auf Vergütung der Kosten der Stellungnahme/Privatexpertise der Dres. med. L.________ und K.________ vom 17. Februar 2005 durch die SUVA, mit Entscheid vom 11. August 2008 ab. 
 
C. 
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es seien die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen, insbesondere sei die Erkrankung als Berufskrankheit zu anerkennen und seien die gesetzlichen Taggelder und hernach eine Rente sowie eine angemessene Integritätsentschädigung und die Übernahme der Heilbehandlung zuzusprechen; zudem sei die SUVA zu verpflichten, die Kosten des Gutachtens vom 17. Februar 2005 im Betrag von Fr. 5'800.- zu erstatten. 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (Urteil 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 194, aber in: SVR 2009 UV Nr. 35 S. 120). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die gemeldeten Beschwerden aus der diagnostizierten Epicondylitis humero-ulnaris (auch: Epicondylitis [humeri] ulnaris oder [humeri] medialis resp. ulnare oder mediale Epikondylitis; im Gegensatz zu: Epicondylitis [humeri] radialis oder [humeri] lateralis resp. radiale oder laterale Epikondylitis) unter dem Titel einer Berufskrankheit einen Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung begründen. 
Das Gesetz unterscheidet in Art. 9 UVG zwischen zwei Arten von Berufskrankheiten: Gemäss Abs. 1 der Bestimmung gelten als Berufskrankheiten Krankheiten (Art. 3 ATSG), die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind. Der Bundesrat erstellt die Liste dieser Stoffe und Arbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen. Nach Abs. 2 gelten als Berufskrankheiten auch andere Krankheiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. 
 
3. 
Im vorliegenden Fall kommt unstreitig nur eine Berufskrankheit im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVG in Betracht. Die Voraussetzung des ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhanges gemäss dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn die Krankheit mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (BGE 126 V 183 E. 2b S. 186 mit Hinweisen). Dabei ist grundsätzlich in jedem Einzelfall Beweis darüber zu führen, ob die geforderte stark überwiegende (mehr als 75%ige) bis ausschliessliche berufliche Verursachung vorliegt (BGE 126 V 183 E. 4b S. 189). Wenn indessen auf Grund medizinischer Forschungsergebnisse ein Erfahrungswert dafür besteht, dass eine berufsbedingte Entstehung eines bestimmten Leidens von seiner Natur her nicht nachgewiesen werden kann, dann schliesst dies den (positiven) Beweis auf qualifizierte Ursächlichkeit im Einzelfall aus (BGE 126 V 183 E. 4c S. 189; vgl. auch SVR 2005 UV Nr. 6 S. 17, U 341/03). 
 
4. 
4.1 Das kantonale Gericht hat die Leistungspflicht der SUVA mit der Begründung verneint, im konkreten Fall sei der Nachweis der stark überwiegenden oder ausschliesslichen Verursachung der diagnostizierten ulnaren Epikondylitis durch die Berufstätigkeit des Versicherten nicht erbracht. 
Diese Beurteilung wird in der Beschwerde nicht begründet in Frage gestellt. Es besteht nach Lage der Akten kein Anlass, vom vorinstanzlichen Entscheid abzuweichen. Hervorzuheben ist namentlich, dass sich auch der Stellungnahme/Privatexpertise der Dres. med. L.________ und K.________ vom 17. Februar 2005 und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. K.________ vom 14. Februar 2007 keine Aussagen entnehmen lassen, welche verlässlich den Schluss auf eine mindestens 75%ige Verursachung des Leidens durch die Berufstätigkeit gestatten würden. 
Ob die Annahme einer (stark überwiegend bis ausschliesslich) berufsbedingten Verursachung der ulnaren Epikondylitis überhaupt mit dem allgemeinen medizinischen Kenntnisstand vereinbar wäre, wird von den Parteien und in den von ihnen je für massgeblich erachteten ärztlichen Stellungnahmen kontrovers beantwortet. Welche dieser Auffassung zutrifft, muss hier nicht abschliessend beantwortet werden, da es nach dem Gesagten im Einzelfall am konkreten Beweis der qualifizierten Ursächlichkeit fehlt. 
 
4.2 In der Beschwerde wird vorgebracht, aufgrund der Berufstätigkeit des Versicherten sei die Epikondylitis (richtunggebend) verschlimmert worden. Insofern liege eine Berufskrankheit vor, für welche die SUVA Leistungen zu erbringen habe. Die Beschwerdegegnerin verneint dies. 
4.2.1 Nach der Rechtsprechung wird die Verschlimmerung einer vorbestandenen Krankheit durch Listenstoffe/Listenarbeiten (Art. 9 Abs. 1 UVG) oder durch die berufliche Tätigkeit (Art. 9 Abs. 2 UVG) der dadurch bewirkten Verursachung gleichgestellt (BGE 117 V 354; 108 V 158). Demnach besteht eine Leistungspflicht des Unfallversicherers im Rahmen einer (vorübergehenden oder richtunggebenden, d.h. dauernden) Verschlimmerung, sofern diese - im Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 UVG - zu (mindestens) 75 % durch die Berufstätigkeit verursacht worden ist. Dabei ist die berufsbedingte Verschlimmerung einer nachträglich hinzugekommenen, selber keine Berufskrankheit darstellenden Krankheit der berufsbedingten Verschlimmerung einer vorbestandenen, d.h. vor der berufsbedingten Einwirkung entstandenen Krankheit gleichzustellen (vgl. SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1 E. 6.2, 8C_677/2007). 
4.2.2 Im vorliegenden Fall beruft sich der Versicherte namentlich auf die Aussage in der Stellungnahme des Dr. med. K.________ vom 14. Februar 2007, wonach "die [berufliche] Exposition in der Lage war, eine richtunggebende Veränderung zu begründen". Damit wird indessen nur gesagt, dass die berufliche Tätigkeit nach Auffassung des Arztes eine solche Veränderung bewirken kann resp. konnte. Dass die Berufstätigkeit im konkreten Fall zu mindestens 75 % eine Verschlimmerung der Epikondylitis verursacht hat, findet hingegen weder in dieser Aussage noch in den weiteren medizinischen Akten eine Stütze. In früheren Berichten (u.a. vom 25. Juni 2004) ging Dr. med. K.________ denn auch davon aus, die Epikondylitis weise eine multifaktorielle Genese auf, und es sei ausserordentlich schwierig, festzulegen, ob eine Arbeit sich zu mindestens 75% auf eine Gesundheitsstörung auswirke. Entsprechend überliessen es die Dres. med. L.________ und K.________ in der Stellungnahme/Privatexpertise vom 17. Februar 2005 dem Gericht, über die Frage eines genügenden Zusammenhangs zwischen der Berufstätigkeit und der Epikondylitis zu befinden. 
Dass hier eine zu mindestens 75 % berufsbedingte Verschlimmerung der Epikondylitis vorliegt, ist somit nicht nachgewiesen. Das kantonale Gericht hat daher die Leistungspflicht der SUVA zu Recht verneint. Daran ändert nichts, wenn - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - das Verwaltungsgericht des Kantons Bern in einem anderen Fall gegebenenfalls eine leistungsbegründende Berufskrankheit bejaht hat. 
 
5. 
Zu prüfen bleibt, wer die Kosten der im Verfahren bei der SUVA aufgelegten Stellungnahme/Privatexpertise der Dres. med. L.________ und K.________ vom 17. Februar 2005 zu übernehmen hat. Der Versicherer kann zur Bezahlung solcher Gutachterkosten nur verpflichtet werden, wenn sich der medizinische Sachverhalt erst auf Grund der neu beigebrachten Untersuchungsergebnisse schlüssig feststellen lässt (RKUV 1994 Nr. U 182 S. 47; Urteil U 480/05 vom 7. Juni 2006 E. 3.1; vgl. auch RKUV 2005 Nr. U 547 S. 221 E. 2.1, U 85/04, und 2004 Nr. U 503 S. 186, U 282/00). Das trifft hier nicht zu, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat. Die Beschwerde ist somit auch diesbezüglich unbegründet. 
 
6. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 10. November 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Lanz