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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_306/2018  
 
 
Urteil vom 19. September 2018  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Betreibungsamt Olten-Gösgen. 
 
Gegenstand 
Existenzminimum, Umzugskosten, 
 
Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn vom 28. März 2018 (SCBES.2018.29). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Gegen A.________ sind beim Betreibungsamt Olten-Gösgen seit einiger Zeit Lohnpfändungen hängig. Am 31. Januar 2018 nahm er mit dem Betreibungsamt Kontakt auf und ersuchte um die Übernahme der anstehenden Kosten für den Bezug einer anderen Wohnung. Das Betreibungsamt verlangte von ihm verschiedene Unterlagen. Er reichte in der Folge das Kündigungsschreiben für die bisherige Wohnung, den neuen Mietvertrag, Offerten über die Umzugskosten und ein Arztzeugnis für seine Ehefrau ein. Sein Arztzeugnis sandte er trotz entsprechender Aufforderung des Betreibungsamtes nicht nach.  
 
A.b. Am 17. März 2018 wandte sich A.________ an die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn. Er ersuchte um die Übernahme der Kosten für den Wohnungswechsel (Umzugskosten und Reinigungskosten) von total Fr. 3'229.--. Das Betreibungsamt erklärte in seiner Vernehmlassung, die Umzugskosten würden gegen Vorlage der Quittung anteilsmässig zum Einkommen der Ehegatten zurückerstattet. Die Aufsichtsbehörde behandelte die Eingabe von A.________ als Rechtsverweigerungsbeschwerde und hiess sie am 28. März 2018 teilweise gut. Sie setzte die erstattungsfähigen Kosten für den Wohnungswechsel auf Fr. 2'394.50 fest.  
 
B.   
Mit Eingabe vom 6. April 2018 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die volle und vorgängige Übernahme seiner Kosten für den Wohnungswechsel von ca. Fr. 3'229.-- durch das Betreibungsamt. 
Die Vorinstanz und das Betreibungsamt verzichten auf eine Vernehmlassung und beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten bzw. die Abweisung der Beschwerde. Die Eingaben sind dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Hinblick auf die Festlegung des Existenzminimums. Die Beschwerde in Zivilsachen ist unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren teilweise unterlegene Beschwerdeführer ist als Schuldner von der Festlegung des Existenzminimums besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer die Kosten des Wohnungswechsels (Umzug und Reinigung) zu erstatten sind. Sie legte den Betrag aufgrund seines Anteils am Gesamteinkommen beider Ehegatten fest.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer hält vor Bundesgericht daran fest, dass ihm das Betreibungsamt die gesamten Kosten des Wohnungswechsels von Fr. 3'229.-- im voraus zur Verfügung stellen müsse. Aufgrund der laufenden Lohnpfändung fehle es ihm an den notwendigen Mitteln, um hierfür selbst aufzukommen.  
 
3.   
Anlass zur Beschwerde gibt die Berücksichtigung von ausserordentlichen Kosten bei der Berechnung des Existenzminimums des Schuldners im Rahmen der Einkommenspfändung. 
 
3.1. Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens hat das Betreibungsamt dem Schuldner und seiner Familie das Existenzminimum zu belassen (Art. 93 Abs. 1 SchKG).  
 
3.1.1. Das Existenzminimum bemisst sich in der Praxis anhand der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz (vom 1. Juli 2009, in: BlSchK 2009 S. 192), die von den meisten Kantonen (mit Anpassungen) übernommen werden (vgl. im Kanton Solothurn die entsprechenden Richtlinien der Aufsichtsbehörde vom 13. Oktober 2014). Zwar kommt diesen Richtlinien kein rechtsverbindlicher Charakter zu, sie dienen aber der einheitlichen Rechtsanwendung bei der Bemessung des Existenzminimums (vgl. BGE 129 III 242 E. 4.1; KREN KOSTKIEWICZ, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 25 zu Art. 93). Das Ermessen des Betreibungsbeamten wird dadurch nicht eingeschränkt (vgl. BGE 86 III 10 S. 11; 132 III 483 E. 4.3; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 86 zu Art. 93; VONDER MÜHLL, in: Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 21 zu Art. 93). Keine Anwendung finden hingegen die SKOS-Richtlinien, da anlässlich der Revision des SchKG im Jahre 1994 der Antrag auf Einführung des Begriffs des "sozialen Existenzminimums" abgelehnt worden war (Urteil 5A_246/2008 vom 19. Mai 2008 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
3.1.2. Die Richtlinien sehen einen monatlichen Grundbetrag sowie eine Reihe von Zuschlägen vor. Unter diesen findet sich auch eine Position "verschiedene Auslagen". Damit soll grösseren Aufwendungen des Schuldners, die unmittelbar bevorstehen, durch eine zeitweise Erhöhung des Existenzminimums in billiger Weise Rechnung getragen werden. Gemeint sind etwa die Kosten einer medizinischen Behandlung und der Betreuung der Familie sowie eines Wohnungswechsels (vgl. VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 32 zu Art. 93; ausführlich zum Wohnungswechsel GUIDICELLI/PICCIRILLI, Il pignoramento di redditi ex art. 93 LEF nella pratica ticinese, 2002, Rz. 208 ff.). Die Berücksichtigung der Auslagen für einen Wohnungswechsel im Existenzminimum des Schuldners entspricht zudem der bisherigen Praxis des Bundesgerichts (BGE 87 III 110 E. 2; 57 III 204 E. 1).  
 
3.2. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz ist für die Ehefrau des Beschwerdeführers aus psychiatrischer Sicht ein Wohnungswechsel dringend angezeigt. Dadurch fallen Kosten von rund Fr. 3'229.-- an. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Umzugskosten gemäss der Offerte eines Zügelunternehmens in der Höhe von Fr. 2'130.-- und den auf Fr. 1'099.-- veranschlagten Reinigungskosten. Der Beschwerdeführer ist - so die Vorinstanz - aufgrund seiner beruflichen Inanspruchnahme nicht in der Lage, den Umzug selber vorzunehmen. Seine Ehefrau kann angesichts ihres gesundheitlichen Zustandes die Reinigung der Wohnung nicht bewältigen. Die Vorinstanz setzte anhand des gesamten Einkommens der Ehegatten die anrechenbaren Kosten entsprechend der Erwerbsquote des Beschwerdeführers auf Fr. 2'394.50 fest.  
 
3.3. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, soweit er den Anspruch auf volle Übernahme der Kosten des Wohnungswechsels mit der Gegenüberstellung seines Erwerbseinkommens samt der IV-Rente seiner Ehefrau und einer detaillierten Aufzählung seiner monatlichen Ausgaben begründet und daraus einen Fehlbetrag ableitet. Da das Bundesgericht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist, können die tatbeständlichen Darlegungen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden, zumal diese nicht als willkürlich gerügt werden (E. 1.3, 1.4). Sollten sich seit der am 13. März 2018 vorgenommenen Berechnung des Existenzminimums seine Ausgaben erhöht haben, kann sich der Beschwerdeführer jedoch an das Betreibungsamt wenden, das eine Anpassung prüfen wird (Art. 93 Abs. 3 SchKG).  
 
3.4. Zudem gilt bei mitverdienendem Ehegatten das Prinzip der proportionalen Aufteilung des Existenzminimums, d.h. das gemeinsame Existenzminimum (massgeblicher Grundbetrag inkl. Zuschläge und Abzüge) wird bei der Lohnpfändung im Verhältnis der Einkommensquote des Schuldners berücksichtigt (vgl. BGE 116 III 75 E. 2a; VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 34 zu Art. 93; OCHSNER, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 179 f. zu Art. 93).  
 
3.4.1. Im vorliegenden Fall beträgt der Anteil des Beschwerdeführers am gesamten Einkommen der Ehegatten 74.15 % (Fr. 4'600.-- von insgesamt Fr. 6'203.--). Vom gemeinschaftlichen Existenzminimum wird daher ein Anteil von 74.15 % berücksichtigt und vom Einkommen des Beschwerdeführers abgezogen, woraus sich die pfändbare Lohnquote ergibt.  
 
3.4.2. Die Vorinstanz hat demnach die auf den Beschwerdeführer entfallenden Kosten für den Wohnungswechsel gestützt auf seinen Anteil am Gesamteinkommen von 74.15 % mit Fr. 2'394.50 korrekt berechnet. Der Antrag des Beschwerdeführers, die gesamten Kosten von Fr. 3'229.-- bei seinen Aufwendungen zu berücksichtigen, kommt im Rahmen der vorliegenden Lohnpfändung nicht in Frage.  
 
3.4.3. Die Vorinstanz hat aufgrund der Vernehmlassung des Betreibungsamtes die Auszahlung des Kostenanteils an den Beschwerdeführer angeordnet. Demgegenüber sehen die Richtlinien eine vorübergehende Erhöhung des Existenzminimums vor (E. 3.1). Weitere Ausführungen erübrigen sich, da die konkrete Abwicklung der Berücksichtigung der Kosten für den Wohnungswechsel nicht strittig ist.  
 
4.   
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Angesichts der konkreten Umstände wird auf die Erhebung von Kosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Olten-Gösgen und der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. September 2018 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante