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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.34/2003 /zga 
 
Urteil vom 20. März 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Reeb, Féraud, 
Gerichtsschreiberin Scherrer. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Herrn Dr. Aloïs Dobler, Bauernhofstrasse 14, 8853 Lachen SZ und 
Herrn Rechtsanwalt Dr. Philipp Dobler, Bauernhofstrasse 14, Postfach 40, 8853 Lachen SZ, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Z.________, 
Beschwerdegegner, 
Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, Postfach 2265, 6431 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Ausstand), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, vom 10. Dezember 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Z.________ ist Erbenvertreterin im Nachlass von X.________. Am 31. Oktober 2001 beantragte der Erbe X.________ dem Präsidenten des Bezirksgerichts Einsiedeln im Rahmen einer Aufsichtsbeschwerde, die genannte Erbenvertreterin sei zu verpflichten, die sich im Nachlass befindlichen Kapitalanlagen durch mündelsichere Anlagen im Sinne von Art. 402 Abs. 1 ZGB zu ersetzen. Gleichzeitig verlangte X.________, die sich im Nachlass befindlichen Termin- und Optionsgeschäfte seien für die Dauer des Verfahrens vorsorglich und ohne Anhörung der Gegenpartei in mündelsichere Anlagen umzuwandeln. 
B. 
Am 30. Januar 2002 ersuchte X.________ den Bezirksgerichtspräsidenten Einsiedeln um Erlass einer Verfügung hinsichtlich der verlangten superprovisorischen Massnahmen. Am 9. und 23. Juli 2002 rügte X.________ wiederholt das Ausbleiben des geforderten Entscheides. In der Folge beantragte er am 27. August 2002 beim Bezirksgerichtspräsidenten dessen Ausstand. Der Gerichtspräsident, Y.________, erachtete sich mit Verfügung vom 13. September 2002 als nicht befangen. 
C. 
Daraufhin gelangte X.________ ans Kantonsgericht Schwyz und stellte mit Eingabe vom 17. September 2002 den Antrag, der Gerichtspräsident sei in den Ausstand zu versetzen. Mit Entscheid vom 10. Dezember 2002 lehnte das Kantonsgericht Schwyz das Ausstandsbegehren ab. 
 
In der Folge wies der Gerichtspräsident die Begehren X.________s im Zusammenhang mit dem Nachlass X.________ und der mündelsicheren Anlage am 7. Januar 2003 ab. 
D. 
Am 14. Januar 2003 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 10. Dezember 2002, wegen Verletzung seines Anspruchs auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter. Sinngemäss begründet er seine Beschwerde damit, dass der Gerichtspräsident wegen seines langen Untätigseins in der Erbangelegenheit X.________ einen Regress aus Staatshaftung zu gewärtigen habe. Y.________ sei verpflichtet gewesen, die mündelsichere Anlage durchzusetzen. Es sei naheliegend, dass der Gerichtspräsident jetzt alles unternehme, um dem Staatshaftungsrisiko zu entgehen. Dies zeige der Entscheid vom 7. Januar 2003. 
E. 
Das Kantonsgericht Schwyz schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Sinngemäss gleichlautende Anträge stellen auch der Gerichtspräsident Y.________ (Beschwerdegegner 1) und die Z.________ (Beschwerdegegnerin 2). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts Schwyz, der kantonal letztinstanzlich festhält, dass gegen den mit dem Fall befassten Präsidenten des Bezirksgerichtes Einsiedeln kein Ausstandsgrund bestehe, schliesst das Zivilverfahren nicht ab. Es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid. Gemäss Art. 87 Abs. 1 OG (in der seit 1. März 2000 in Kraft stehenden Fassung) ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über Ausstandsbegehren die staatsrechtliche Beschwerde zulässig. Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (dazu eingehend BGE 126 I 203 E 1 S. 204 ff., mit Hinweisen). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
1.2 Zur Diskussion steht einzig der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichtes Schwyz und damit das Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers. Die Kritik des Beschwerdeführers am Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 ist für die Beantwortung der Frage, ob der Gerichtspräsident befangen sei, nicht relevant. Darauf ist nicht einzutreten. 
2. 
Das Kantonsgericht Schwyz hat die Befangenheit des Gerichtspräsidenten verneint und das Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers abgewiesen. Der Beschwerdeführer hingegen sieht seinen Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 EMRK verletzt. 
2.1 Nach der in Art. 30 Abs. 1 BV und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt (BGE 126 I 68 E. 3a S. 73; 125 I 119 E. 3a S. 122; 120 Ia 184 E. 2b S. 187). Solche Gegebenheiten können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein (BGE 124 I 121 E. 3a S. 123). 
2.2 Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend gemacht, so überprüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es dagegen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien von Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 126 I 68 E. 3b S. 73, mit Hinweisen). 
2.3 Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, die Ausstandsbestimmungen des kantonalen Rechtes gingen weiter als die verfassungs- und konventionsmässigen Garantien. Daher ist im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung (E. 2.1) zu prüfen, ob das Kantonsgericht Schwyz mit seinem Entscheid den Anspruch des Beschwerdeführers auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter verletzt hat. 
3. 
3.1 Das Kantonsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, die nicht in objektiver Weise begründeten Mutmassungen des Beschwerdeführers rechtfertigten den Ausstand des Gerichtspräsidenten nicht. Der Beschwerdegegner 1 habe weder mit einem derartigen Zerfall der Aktienpreise rechnen können noch müssen, weshalb sich die Frage einer allfälligen Staatshaftung kaum stellen werde. Im Übrigen liege auf der Hand, dass die Verzögerung der Entscheidfällung vorwiegend im Zusammenhang mit dem Unfall des Gerichtspräsidenten am 6. Juli 2002 stehe. Schliesslich sei das Ausstandsgesuch im Zusammenhang mit den superprovisorisch anbegehrten Massnahmen verspätet. 
3.2 Der Beschwerdeführer hält dagegen, bei einem Richter, der mit seinem Entscheid über die superprovisorische Massnahme und das Begehren, das erblasserische Wertschriftenvermögen sei mündelsicher anzulegen, über ein Jahr zuwarte, stelle sich die Frage der Staatshaftung. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, wo Gefahr in Verzug sei, sei die entscheidende Instanz gehalten, rasch zu reagieren. Der Erbengemeinschaft sei zufolge der Unterlassung eines richterlichen Entscheides ein Schaden zugefügt worden. Die Schädigung sei aufgrund der Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung widerrechtlich erfolgt. Damit liege ein Fall der kausalen Staatshaftung vor. Das grob fahrlässige Handeln des Gerichtspräsidenten habe den Rückgriff des Staates zur Folge. Deswegen sei der Beschwerdegegner 1 gezwungen gewesen, die bisherige Vermögensverwaltung aufrechtzuerhalten. Weshalb der Ablehnungsgrund hinsichtlich der superprovisorischen Massnahmen verspätet erfolgt sein solle, sei nicht zu eruieren. Das Verlustrisiko, und damit das Haftungsrisiko des Beschwerdegegners 1, habe erst nach und nach zugenommen. Indem der Gerichtspräsident alle schriftlichen Aufforderungen, zu handeln, mit Stillschweigen beantwortet habe, habe er gezeigt, dass er offensichtlich auf einen Aufwärtstrend an der Börse gehofft habe. Wären die Börsenkurse nach der Eingabe vom 31. Oktober 2001 wieder gestiegen, hätte sich kein Risiko ergeben, welches den Beschwerdegegner hätte befangen erscheinen lassen. Dieses Haftungsrisiko sei die schleichende Folge des Wertschriftenzerfalles. Die Befangenheit des Gerichtspräsidenten habe somit erst im Zeitpunkt des Ablehnungsbegehrens am 27. August 2002 bestanden. 
3.3 
3.3.1 Es ist einzuräumen, dass der Gerichtspräsident die Angelegenheit verzögert hat. Gerade im Hinblick darauf, dass ein Gesuch um Erlass einer superprovisorischen Verfügung gestellt wurde, ist es unverständlich, weshalb das Verfahren von der Eingabe des Beschwerdeführers am 31. Oktober 2001 bis zum Entscheid des Beschwerdegegners 1 am 7. Januar 2003 derart lange gedauert hat. Ebenso ist nicht erklärbar, warum auf die Mahnschreiben des Beschwerdeführers keinerlei Reaktion erfolgte. Zum Teil sei die Verzögerung auf den Unfall zurückzuführen, den der Gerichtspräsident am 6. Juli 2002 erlitten hatte. Wie es sich damit verhält, kann indes offen bleiben. Der Umstand, dass die Angelegenheit Verzögerungen erfuhr, stellt einen Verfahrensmangel dar. Dieser vermag aber - für sich allein - keine Zweifel an der Unbefangenheit des mit der Sache befassten Gerichtspräsidenten zu begründen. 
3.3.2 Der Beschwerdeführer macht nun geltend, die nicht rechtzeitige Behandlung seines Gesuches habe ihm einen grossen Schaden verursacht. Dabei setzt er voraus, dass materiell nur eine Gesuchsgutheissung in Frage kommt. Er schliesst daraus auf einen Staatshaftungsfall und folgert, der Gerichtspräsident müsse mit einem Rückgriff des Staates rechnen. 
 
Wie es sich damit verhält, kann im vorliegenden Ausstandsverfahren nicht näher geprüft werden. Jedenfalls ist festzuhalten, dass nach den dem Bundesgericht zur Verfügung stehenden Akten, im Zeitpunkt der Beurteilung durch das Kantonsgericht keine Schadenersatzforderung gegenüber dem Staat anhängig gemacht worden war. Das blosse Inaussichtstellen eines solchen Schrittes vermag die Annahme, es bestünde die Gefahr von Voreingenommenheit, nicht zu begründen. Noch weniger dazu geeignet ist die Hypothese, der Gerichtspräsident habe das Verfahren wegen eines befürchteten Regresses verzögert. Für eine derartige Annahme bestehen keinerlei Anhaltspunkte. 
 
Soweit der Beschwerdeführer auf das Urteil vom 7. Januar 2003 hinweist, um die Richtigkeit seiner Mutmassungen zu belegen, handelt es sich um ein Novum, das im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden kann. 
3.4 Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind demzufolge nicht geeignet, das Urteil des Kantonsgerichtes Schwyz vom 10. Dezember 2002 als verfassungs- und konventionswidrig erscheinen zu lassen. Damit erübrigt sich die Prüfung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Willkürrüge. Ob das Ausstandsbegehren hinsichtlich der superprovisorischen Massnahmen rechtzeitig gestellt wurde, kann dahingestellt bleiben. 
3.5 Sofern der Beschwerdeführer implizit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht (Beschwerdeschrift S. 41), indem er sich auf Willkür aufgrund mangelnder Begründung des Entscheides beruft, ist Folgendes festzuhalten: Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Der Bürger soll wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Die Begründung eines Entscheids muss deshalb so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Das bedeutet indessen nicht, dass sich diese ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; Praxis zu Art. 4 aBV: BGE 122 IV 8 E. 2c S. 14 f.; 121 I 54 E. 2c S. 57, je mit Hinweisen). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der Entscheid des Kantonsgerichtes nicht zu beanstanden und die Beschwerde auch diesbezüglich abzuweisen. 
4. 
Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen. Der Beschwerdegegner 1 äusserte sich in seiner Funktion als Präsident des Bezirksgerichtes Einsiedeln, mithin als kantonale Behörde. Infolgedessen ist ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen. Die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin 2 hat nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE 125 II 518 E. 5b S. 519, mit Hinweisen). Diese sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. März 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: