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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 399/01 
 
Urteil vom 23. Februar 2004 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Fleischanderl 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
M.________, 1969, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Strehler, Dorfstrasse 21, 8356 Ettenhausen 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 22. Mai 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1969 geborene M.________, verheiratet und Mutter eines 1996 geborenen Sohnes, absolvierte auf Grund der Folgen eines am 15. Juni 1988 erlittenen Unfalles im Rahmen von beruflichen Massnahmen als erstmalige Ausbildung die Montags-Handelsschule der O.________ in S.________ und liess sich anschliessend an der Berufs- und Frauenfachschule X.________ während zweier Jahren zur hauswirtschaftlichen Betriebsassistentin ausbilden. Nach erfolgreichem Abschluss im Sommer 1993 nahm sie per 23. August 1993 eine Vollzeitstelle (8,4 Stunden/Tag) als hauswirtschaftliche Betriebsassistentin in der Y.________-Klinik AG in Z.________ auf. 
 
Am 19. März 1998 meldete sich M.________, nachdem ihr per 30. November 1996 gekündigt worden war, unter Hinweis auf sich seit August 1996 wiederum verschlimmernde Kopf-, Rücken- und Halswirbelsäulenschmerzen sowie eine damit einhergehende Verminderung der Leistungsfähigkeit in Erwerb und Haushalt erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente) an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen klärte die Verhältnisse in medizinischer sowie beruflich-erwerblicher Hinsicht ab, wobei sie namentlich ein zuhanden des Unfallversicherers erstelltes Gutachten des Prof. Dr. med. D.________, Chefarzt Neurologie, Klinik W.________, vom 2. Februar 1998 (samt Ergänzungsschreiben vom 17. November 1998) beizog und einen Abklärungsbericht Haushalt (vom 11. September 1998) veranlasste. Gestützt darauf lehnte sie das Rentenbegehren nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mangels anspruchsbegründender Invalidität ab (Verfügung vom 28. Dezember 1998). Ihre Berechnung nach der gemischten Methode ergab, bei einer Arbeitsfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf von 50 % (4,2 Stunden/Tag) und einem Anteil der Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall von 0,8, eine Einschränkung im erwerblichen Bereich von 37,5 % und im Haushalt von 30 %, somit eine Gesamtinvalidität von 36 % (0,8 x 37,5 % + 0,2 x 30 %). 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 22. Mai 2001 in Aufhebung der angefochtenen Verfügung teilweise gut und sprach M.________ - unter Zugrundelegung eines abweichenden Berechnungsmodus (0,8 x 50 % + 0,2 x 30 %) - eine Viertelsrente zu; zur Festsetzung von Beginn und Höhe der Rente sowie zur Prüfung der Voraussetzungen einer Härtefallrente wies es die Sache an die Verwaltung zurück. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben. 
 
Während M.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG, in der bis 31. Dezember 2003 in Kraft gestandenen Fassung), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw. 1), bei Nichterwerbstätigen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG, namentlich im Haushalt beschäftigten Versicherten, nach der spezifischen Methode des Betätigungsvergleichs (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV [in der bis Ende 2002 in Kraft gestandenen Fassung]; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a) und bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV [in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen, hier anzuwendenden Fassung]; BGE 125 V 146) sowie zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (vgl. auch BGE 125 V 361 Erw. 4 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 28. Dezember 1998) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). 
2. 
Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten zu Recht unbestritten ist, dass die Beschwerdegegnerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigung nach der Geburt ihres Sohnes im Juni 1996 zu 80 % erwerbstätig und zu 20 % im Haushalt beschäftigt wäre. Zur Ermittlung des Invaliditätsgrades gelangt somit die gemischte Methode nach Art. 27bis Abs. 1 IVV zur Anwendung. Einigkeit herrscht ferner auch bezüglich der Arbeitsfähigkeit im erwerblichen Bereich (50 % oder 4,2 Stunden/Tag in der bisherigen beruflichen Tätigkeit [Gutachten des Prof. Dr. med. D.________ vom 2. Februar 1998; Ergänzungsschreiben vom 17. November 1998]) sowie des Behinderungsgrades im Haushalt (30 % [Gutachten des Prof. Dr. med. D.________ vom 2. Februar 1998; Abklärungsbericht Haushalt vom 11. September 1998]). Weder im Lichte der Akten noch auf Grund der Vorbringen der Parteien besteht Anlass zu einer näheren Prüfung der genannten Bemessungsfaktoren (BGE 125 V 415 und 417, je oben). 
 
Im Streite steht einzig die erwerbsbezogene Invalidität. 
3. 
3.1 Nach der Gerichts- und Verwaltungspraxis sind bei der Bemessung der Invalidität im erwerblichen Bereich die Vergleichsgrössen Validen- und Invalideneinkommen im zeitlichen Rahmen der ohne Gesundheitsschaden (voraussichtlich dauernd) ausgeübten Teilerwerbstätigkeit zu bestimmen. Die Behinderung bei der Haushaltführung wird mittels eines Betätigungsvergleichs ermittelt (Art. 27 IVV). Dabei bleibt eine allfällige verminderte Leistungsfähigkeit in einem Teilbereich infolge der Beanspruchung im anderen Tätigkeitsfeld unberücksichtigt (BGE 125 V 159 Erw. 5c/dd). Die so erhaltenen Teilinvaliditäten werden gewichtet, wobei der Anteil der Erwerbstätigkeit dem zeitlichen Umfang der vom Versicherten ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgeübten Beschäftigung im Verhältnis zu der im betreffenden Beruf üblichen (Normal-)Arbeitszeit entspricht. Wird der so erhaltene Wert mit "a‘ bezeichnet, ergibt sich der Anteil des Aufgabenbereichs nach Art. 5 Abs. 1 IVG aus der Differenz 1-a. Die Summe der so gewichteten Teilinvaliditäten ergibt den für den Rentenanspruch massgeblichen Invaliditätsgrad (vgl. BGE 125 V 148 ff. Erw. 2a und b mit Hinweisen). 
 
In Anwendung dieser Regeln - unter Vornahme eines Prozentvergleichs im erwerblichen Bereich - hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde führende IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 36 % ermittelt, was keinen Rentenanspruch begründet. 
3.2 Das kantonale Gericht bringt dagegen - einmal mehr - zur Hauptsache vor, die Praxis zur gemischten Methode (vgl. auch Rz 3111 des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit [KSIH]) widerspreche dem Zweck der gesetzlichen Regelung (Art. 27bis Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 1 und 5 Abs 1 IVG), welcher nur darin bestehen könne, der tatsächlichen, auf eine Tagesleistung bezogenen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit Rechnung zu tragen. Lediglich auf diese Weise würde verschiedenen Faktoren begegnet, welche einer korrekte Bemessung entgegenstünden. 
 
Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht schon des öfteren festgestellt hat (so u.a. ausdrücklich in den - ebenfalls Entscheide der heutigen Vorinstanz betreffenden - Urteilen D. vom 20. November 2002, I 532/02, B. vom 16. September 2002, I 303/02, sowie B. vom 23. Oktober 2001, I 297/01 [vgl. auch die Urteile P. vom 30. Dezember 2003, I 456/03, und I. vom 25. Oktober 2002, I 245/02]), steht diese Betrachtungsweise der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen, wonach eine allfällige verminderte Leistungsfähigkeit im erwerblichen Bereich oder im Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG infolge der Beanspruchung im jeweils anderen Tätigkeitsbereich grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben hat (BGE 125 V 159 f. Erw. 5c/dd). Im angefochtenen Entscheid werden keine Gründe genannt, weshalb hiervon im vorliegenden Fall abzuweichen wäre. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde verwiesen werden, welche sich detailliert mit den seitens des kantonalen Gerichts vorgebrachten, grösstenteils bereits in den hievor zitierten Urteilen erörterten Argumenten auseinander setzt und diese widerlegt. Insbesondere braucht an dieser Stelle nicht abschliessend beantwortet zu werden, wie es sich mit den von der Vorinstanz erwähnten - nicht aber dem hier zu beurteilenden Sachverhalt entsprechenden - Beispielen einer teilerwerbstätigen Person mit zwei Anstellungsverhältnissen bzw. einer Versicherten verhält, welche nebst erwerblicher und haushaltlicher Beschäftigung auch noch im Familienbetrieb mithilft. 
4. 
4.1 Letztinstanzlich lässt die Beschwerdegegnerin wie bereits im kantonalen Verfahren geltend machen, auf dem Arbeitsmarkt würden keine 50 %-Stellen in leitender Funktion in ihrem Tätigkeitsfeld angeboten, was auch der Umstand belege, dass sie bis zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Arbeit gefunden habe. 
4.2 Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass es invalidenversicherungsrechtlich darum geht, die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes und unter Ausschluss invaliditätsfremder Aspekte zu beurteilen. Dabei ist der Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes ein theoretischer und abstrakter Begriff, welcher dazu dient, den Leistungsbereich der Invalidenversicherung von jenem der Arbeitslosenversicherung abzugrenzen. Er umschreibt einerseits ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Stellen; andererseits bezeichnet er einen Arbeitsmarkt, der von seiner Struktur her einen Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält, und zwar sowohl bezüglich der dafür verlangten beruflichen und intellektuellen Voraussetzungen wie auch hinsichtlich des körperlichen Einsatzes (BGE 110 V 276 Erw. 4b mit Hinweisen; ZAK 1991 S. 320 f. Erw. 3b; vgl. auch BGE 127 V 298 Erw. 4c; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b). Auf einem solchen Arbeitsmarkt stehen der Beschwerdegegnerin durchaus - wie Vorinstanz und Verwaltung einlässlich dargelegt haben - auch teilzeitliche Erwerbsmöglichkeiten offen, welche den medizinischen Anforderungen Rechnung tragen. So ist es beispielsweise möglich, in einem "Job sharing" zu arbeiten oder eine vollzeitlich tätige Person, deren Aufgabe indes mehr als ein ganzes Pensum erfordert, zu unterstützen. Auch wenn es schwierig sein mag, eine derartige Anstellung zu finden, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche auf dem oben umschriebenen hypothetischen Arbeitsmarkt nicht existiert. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Beschwerdegegnerin bisher aus invaliditätsfremden - vermutungsweise konjunkturellen - Gründen noch keine geeignete Stelle gefunden hat. Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass sich eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 50 bis 74 % bei Frauen, die höchst anspruchsvolle und schwierigste oder selbstständige und qualifizierte Arbeiten verrichten (Anforderungsniveau 1 und 2 des Arbeitsplatzes) gemäss Statistik eher lohnerhöhend, jedenfalls aber nicht lohnmindernd auswirkt (vgl. Tabelle 6* der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung [LSE] 1998, S. 20 sowie Tabelle 9 der LSE 2000, S. 24; BGE 126 V 79 Erw. 5a/cc; AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc). 
 
Nach dem Gesagten ist die rentenablehnende Verfügung der IV-Stelle vom 28. Dezember 1998 rechtens. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2001 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 23. Februar 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: