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[AZA 7] 
U 348/00 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Urteil vom 2. April 2001 
 
in Sachen 
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Mythenquai 2, Zürich, Beschwerdeführerin, 
gegen 
 
Z.________, 1963, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, Luzern, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, Sarnen 
 
A.- Die 1963 geborene Z.________ arbeitete seit 1. Januar 1988 als Spitalgehilfin im Spital A.________ und war damit bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich oder Versicherungs-Gesellschaft) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 2. September 1993 erlitt sie als Beifahrerin im Auto ihres Ehemannes ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, als ein Personenwagen von hinten auf das vor einem Fussgängerstreifen wartende Fahrzeug auffuhr. 
Die Zürich anerkannte ihre Leistungspflicht für diesen Unfall, kam für die Heilungskosten auf und richtete Taggelder aus. Das bis anhin auf der Grundlage voller Arbeitsunfähigkeit ausgerichtete Taggeld setzte sie mit Wirkung ab 1. Juni 1995 auf 50 % herab. Mit Verfügung vom 12. Oktober 1998 stellte sie die bisher gewährten Leistungen rückwirkend auf den 31. Juli 1998 ein, weil keine organischen Beschwerden mehr objektivierbar seien und die psychischen Beschwerden nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfallereignis stünden. Daran hielt sie - unter Bestätigung eines auf einer 50 %igen Arbeitsunfähigkeit basierenden Taggeldanspruchs für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 31. Juli 1998 - mit Einspracheentscheid vom 26. April 1999 fest. 
 
B.- In teilweiser Gutheissung der von Z.________ erhobenen Beschwerde bejahte das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden den natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und dem Unfall vom 2. September 1993 und wies die Zürich in Aufhebung des Einspracheentscheids an, das Taggeld ab 1. Juni 1995 auf Grund einer vollen Arbeitsunfähigkeit zu berechnen und zudem über den Anspruch auf gesetzliche Leistungen (Taggeld, Rente, Integritätsentschädigung) ab 1. August 1998 neu zu verfügen (Entscheid vom 4. August 2000). 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Zürich, der vorinstanzliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als sie verpflichtet werde, ab 1. Juni 1995 von einem Taggeldanspruch basierend auf einer 100 %igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen; soweit der Einkommensvergleich einen Arbeitsunfähigkeitsgrad von über 50 % ergeben sollte, sei festzustellen, dass Art. 25 Abs. 3 UVV gesetzwidrig sei und die Taggeldleistungen entsprechend der ermittelten teilweisen Arbeitsunfähigkeit zu kürzen seien. 
Z.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung nimmt zum Eventualantrag der Versicherungs-Gesellschaft Stellung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Grundlage für die Taggeldberechtigung (Art. 16 Abs. 1 UVG) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Erwägungen zum Begriff und zur Bemessung der Arbeitsunfähigkeit (BGE 114 V 283 Erw. 1c und d; RKUV 1987 Nr. U 27 S. 394). Darauf kann verwiesen werden. Beizufügen ist, dass das Taggeld bei voller Arbeitsunfähigkeit 80 % des versicherten Verdienstes beträgt; bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird es entsprechend gekürzt (Art. 17 Abs. 1 UVG). 
 
2.- Streitig und im vorliegenden Verfahren zu prüfen ist einzig die der Taggeldberechnung ab 1. Juni 1995 zu Grunde zu legende Arbeitsunfähigkeit. 
 
a) Nach einem Therapieaufenthalt in der Rehaklinik X.________ wurde die Beschwerdegegnerin gemäss Austrittsbericht vom 4. August 1994 als 50 % arbeitsfähig betrachtet, sofern sie in ihrem bisherigen Beruf keine körperlich belastenden Arbeiten ausführen muss. Da trotz anfänglicher Zusagen keine leichten Tätigkeiten zugewiesen werden konnten, wurde der Arbeitsversuch beim bisherigen Arbeitgeber abgebrochen und die Stelle von diesem auf Ende Januar 1995 gekündigt. Die Zürich geht davon aus, dass die Versicherte spätestens zu diesem Zeitpunkt erkennen musste, dass sich ein Berufswechsel aufdränge. Ab 1. Juni 1995 habe von ihr daher verlangt werden können, dass sie ihre Restarbeitsfähigkeit in einem anderen Tätigkeitsbereich zu verwerten versuche. Gemäss Gutachten des Dr. med. D.________ von der Klinik Y.________ vom 15. Februar 1996 und der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 11. März 1997 sei eine mindestens 50 %ige Arbeitsfähigkeit für eine wechselbelastende leichtere Tätigkeit ohne repetitives Bücken und Heben schwerer Lasten gegeben. 
 
b) Nach der Rechtsprechung ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs festzusetzen, solange von der Versicherten vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, die restliche Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig zu verwerten (BGE 115 V 404 Erw. 2, 114 V 283 Erw. 1d). Demnach wäre eine Herabsetzung des Taggeldes unter Berücksichtigung anderer Erwerbsmöglichkeiten nur zulässig gewesen, wenn die Beschwerdegegnerin ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen wäre, indem sie die verbliebene Restarbeitsfähigkeit nicht innerhalb einer angemessenen Übergangszeit zumutbarerweise ausgenützt hätte. Bereits am 7. Oktober 1994 hatte sich die Versicherte indessen bei der Invalidenversicherung angemeldet, welche am 16. November 1994 ihren Berufsberater mit einer Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten beauftragte und am 18. Mai 1995 eine Abklärung in der Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) der Stiftung C.________ anordnete, wo die Versicherte im Juni 1995 während 17 Tagen weilte. Gemäss Bericht vom 21. Juli 1995 wurde die Arbeitsfähigkeit auf mindestens 50 % veranschlagt, falls die Versicherte nicht dauernd mit vornübergeneigter Kopfhaltung arbeiten und keine Gewichte über 15 kg heben müsse. Ein auf Anraten der BEFAS im Sommer 1995 durchgeführter Arbeitsversuch bei der Spitex musste jedoch nach einigen Wochen wegen zunehmender Schmerzen abgebrochen werden. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt kann der Beschwerdegegnerin somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie sei ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen, indem sie eine allenfalls bestehende höhere Arbeitsfähigkeit in einem Verweisungsberuf nicht zumutbarerweise verwertet habe, weshalb sie grundsätzlich Anspruch auf Weiterausrichtung des bisherigen vollen Taggeldes hatte. 
 
c) In seinem Gutachten vom 15. Februar 1996 hielt Dr. med. D.________ fest, er könne sich vorstellen, dass im paramedizinischen Bereich eine geeignete Tätigkeit gefunden werden könnte, welche zumindest eine 70 %ige Arbeitsfähigkeit erlauben würde. 
Dagegen vertrat der Berufsberater - in Übereinstimmung mit dem Hausarzt Dr. med. S.________ - die Auffassung, es sei mit der beruflichen Eingliederung mindestens bis November 1996 zuzuwarten, da der körperliche und psychische Zustand sich noch nicht genügend stabilisiert habe. Die bisherigen Versuche seien gescheitert, weil zu früh mit Eingliederungsmassnahmen begonnen worden sei (Bericht vom 14. November 1995). Auch Dr. med. E.________ von der Rehaklinik X.________ ging in seiner Stellungnahme vom 13. August 1996 von einer anhaltend 100 %igen Arbeitsunfähigkeit aus. Dass eine partielle berufliche Reintegration bis anhin nicht gelungen sei, dürfe indessen nicht einer Ineffizienz der stationären Behandlungsmassnahmen zugeschrieben werden. Solche seien auf Grund der erhobenen Befunde klar indiziert, weshalb die Zürich ersucht werde, dafür Kostengutsprache zu erteilen. Wegen der widersprüchlichen Angaben zur Arbeitsfähigkeit veranlasste die IV-Stelle Obwalden auf Veranlassung ihres Vertrauensarztes eine MEDAS-Abklärung. 
Die MEDAS kam in ihrem Gutachten vom 11. März 1997 zum Schluss, dass die angestammte Tätigkeit im Pflegebereich und als Spitalgehilfin lediglich noch zu 25 % der Norm zumutbar sei, da sich vor allem die neuro-rheumatologischen Befunde limitierend auswirkten. Hingegen könne eine körperlich leichte, wechselbelastende Tätigkeit ohne repetitives Bücken und Heben schwerer Lasten zu 50 % ausgeübt werden, wobei sich die rheumatologischen und psychiatrischen, weniger auch die neuropsychologischen Befunde limitierend auswirkten. Nachdem auch die Ärzte der MEDAS die Durchführung ergänzender medizinischer Massnahmen empfohlen hatten, weilte die Versicherte vom 19. Juni bis 17. Juli 1997 auf Kosten der Zürich erneut stationär in der Rehaklinik X.________. Dort wurde zwar wegen eines psychophysischen Erschöpfungszustandes vorübergehend eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit attestiert, doch gingen die Ärzte gleichzeitig von einer weiterhin 50 %igen Arbeitsfähigkeit aus, welche es zu realisieren gelte (Berichte vom 16. Juli und 23. Juli 1997). 
Da die Abklärungs- und Eingliederungsmassnahmen der Unfall- und Invalidenversicherung nach den gescheiterten Arbeitsversuchen fortgesetzt wurden, wobei die entsprechenden Berichte zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen gelangten, musste die Beschwerdegegnerin auch ab Sommer 1995 nicht damit rechnen, dass die Zürich ihre Taggeldleistungen reduzieren würde und sie ihre allenfalls bestehende Restarbeitsfähigkeit wenigstens zeitweilig in einer Verweisungstätigkeit hätte verwerten müssen. Frühestens auf Grund des Gutachtens der MEDAS vom 11. März 1997 konnte sie erkennen, dass von ihr zumutbarerweise verlangt wurde, die restliche Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig zu verwerten. Gestützt darauf eröffnete ihr die Zürich mit Schreiben vom 20. März 1997, dass sie das Taggeld bis 31. März 1997 auf der Basis einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % abgerechnet habe. Für den Berufswechsel musste ihr indessen eine angemessene Übergangsfrist eingeräumt werden (BGE 114 V 289 Erw. 5b). Bis zu deren Ablauf stand ihr wegen der kaum mehr verwertbaren Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit grundsätzlich nach wie vor das volle Taggeld zu. Es wird Aufgabe der Zürich sein, diese Frist festzulegen und über die Taggelder im Sinne der Erwägungen unter Berücksichtigung einer allfälligen Überversicherung neu zu verfügen. In diesem Sinne ist der vorinstanzliche Entscheid zu präzisieren. 
 
3.- Soweit das kantonale Gericht erwogen hat, da sich gestützt auf den im Verfahren betreffend die Invalidenversicherung vorgenommenen Einkommensvergleich in jedem Fall ein Erwerbsausfall und somit eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 50 % ergebe, sei nach Art. 25 Abs. 3 UVV grundsätzlich die ganze Taggeldleistung zu erbringen, kann dem nicht beigepflichtet werden. Denn bei dieser Norm (vgl. auch der vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1998 gültig gewesene gleichlautende Art. 5 Abs. 4 der Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen) handelt es sich um eine Koordinationsbestimmung zwischen der Unfall- und der Arbeitslosenversicherung. Deren Anwendung setzt das Zusammentreffen von Taggeldern der Unfallversicherung mit solchen der Arbeitslosenversicherung voraus (BGE 126 V 128 Erw. 3c; ZAK 1998 S. 92 f.). Die entsprechende Regelung greift daher nur dann Platz, wenn die versicherte Person bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet ist. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Jedenfalls ergeben sich auf Grund der Akten keinerlei Anhaltspunkte dafür, noch wird geltend gemacht, dass die Beschwerdegegnerin für die hier massgebende Zeit ab Juni 1995 Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen hätte. Unter diesen Umständen kann von der eventualiter beantragten Prüfung der Gesetzmässigkeit der Verordnungsbestimmung abgesehen werden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der 
Erwägungen abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft hat der Beschwerdegegnerin 
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen 
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung 
von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Obwalden und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 2. April 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: