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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_721/2023  
 
 
Urteil vom 15. Februar 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Geburtshaus A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans-Ulrich Zürcher, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kanton Bern, 
vertreten durch die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern, Generalsekretariat Rechtsabteilung, Postfach, 3000 Bern 8, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 12. Oktober 2023 (100.2022.296U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Geburtshaus A.________ AG betreibt in B.________ ein Geburtshaus. Am 17. und 31. Dezember 2020 reichte sie dem Spitalamt des Kantons Bern für die fototherapeutische Behandlung zweier Neugeborenen im Mai bzw. im November 2020 je eine Rechnung ein. Das Spitalamt wies diese Rechnungen zurück, da die vom Geburtshaus verwendete SwissDRG-Gruppierung nur für Akutspitäler, nicht jedoch für Geburtshäuser zulässig sei. Auf Verlangen des Geburtshauses erliess das Spitalamt darüber am 3. Mai 2021 eine anfechtbare Verfügung. Eine gegen diese erhobene Beschwerde wies die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern mit Entscheid vom 22. August 2022 ab. 
 
B.  
Die von der Geburtshaus A.________ AG hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 12. Oktober 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Geburtshaus A.________ AG, der Kanton Bern sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils zu verpflichten, den Kantonsanteil für die beiden Behandlungen gemäss den eingereichten Rechnungen zu vergüten, zuzüglich Zins von 5 % ab wann rechtens. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig ist die Höhe des Kantonsanteils der Abgeltung für stationäre Leistungen der Beschwerdeführerin. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es den unterinstanzlichen Entscheid schützte, wonach die Beschwerdeführerin als Geburtshaus seine Leistungen nicht nach den Fallpauschalen für Akutspitäler abrechnen darf, oder ob diese Sichtweise gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstösst. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss dem in Art. 8 Abs. 1 BV verankerten Anspruch auf Gleichbehandlung ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich zu behandeln, bestehenden Ungleichheiten umgekehrt aber auch durch rechtlich differenzierte Behandlung Rechnung zu tragen. Der Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung wird also verletzt, wenn hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (BGE 145 II 206 E. 2.4.1; 143 V 139 E. 6.2.3 mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2. Gemäss Art. 43 Abs. 1 KVG erstellen die Leistungserbringer ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen. Tarife und Preise werden nach Art. 43 Abs. 4 KVG in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Dabei ist auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife zu achten.  
Parteien eines Tarifvertrages sind gemäss Art. 46 Abs. 1 KVG einzelne oder mehrere Leistungserbringer oder deren Verbände einerseits sowie einzelne oder mehrere Versicherer oder deren Verbände anderseits. Spitäler und Geburtshäuser stellen je eigene Leistungserbringerkategorien dar (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. h und i KVG). 
 
3.3. Für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt und Pflegeleistungen in einem Spital (Art. 39 Abs. 1 KVG) oder einem Geburtshaus (Art. 29 KVG) vereinbaren die Vertragsparteien gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG Pauschalen. In der Regel sind Fallpauschalen festzulegen. Die Pauschalen sind leistungsbezogen und beruhen auf gesamtschweizerisch einheitlichen Strukturen. Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass besondere diagnostische oder therapeutische Leistungen nicht in der Pauschale enthalten sind, sondern getrennt in Rechnung gestellt werden. Die Spitaltarife orientieren sich an der Entschädigung jener Spitäler, welche die tarifierte obligatorisch versicherte Leistung in der notwendigen Qualität effizient und günstig erbringen.  
Bei Spitalaufenthalten richtet sich die Vergütung gemäss Art. 49 Abs. 4 KVG nach dem Spitaltarif nach Art. 49 Abs. 1 KVG, solange der Patient oder die Patientin nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf. Mit diesen Vergütungen sind gemäss Art. 49 Abs. 5 KVG alle Ansprüche des Spitals für die Leistungen nach KVG abgegolten. 
 
3.4. Die Vergütungen nach Art. 49 Abs. 1 KVG werden vom Kanton und den Versicherern anteilsmässig übernommen (Art. 49a Abs. 1 KVG). Jeder Kanton setzt jeweils für das Kalenderjahr spätestens neun Monate vor dessen Beginn den kantonalen Anteil fest. Dieser muss mindestens 55 Prozent betragen (Art. 49 Abs. 2ter KVG).  
 
4.  
 
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf Übernahme eines Teils der Behandlungskosten für die beiden durchgeführten Therapien durch den Kanton hat. Streitig ist einzig, nach welchem Tarif dieser Kantonsanteil zu berechnen ist. Während Vorinstanz und Verwaltung daran festhalten, dass die Beschwerdeführerin als Geburtshaus nach der im anwendbaren SwissDRG-Katalog für Geburtshäuser vorgesehenen Diagnosis Related Group (DRG) abzurechnen hat, macht diese geltend, aus Rechtsgleichheitsgründen nach der einem höheren Kostengewicht zugeordneten DRG für Akutspitäler abrechnen zu dürfen.  
 
4.2. Die vorliegend streitbetroffenen fototherapeutischen Behandlungen wurden im Jahr 2020 durchgeführt. Sowohl Geburtshäuser als auch Akutspitäler hatten ihre Behandlungen in diesem Jahr nach Fallpauschalen abzurechnen, wie dies in Art. 49 Abs. 1 KVG auch als Regelfall definiert ist. Anwendbar ist für das Jahr 2020 die Tarifstruktur SwissDRG. Nach dieser wird jeder Behandlungsfall aufgrund verschiedener Parameter einer DRG zugeordnet. Aufgrund der im Einzelfall zutreffenden DRG kann daraufhin das jeweilige Kostengewicht (Cost Weight) bestimmt werden. Die Gesamtvergütung des Leistungserbringers ergibt sich aus der Multiplikation des so bestimmten Kostengewichts mit dem leistungserbringerspezifischen Basispreis (Baserate), welcher entweder vertraglich vereinbart oder hoheitlich festgesetzt wurde (vgl. zum System der SwissDRG: Waldner/Egli, Basler Kommentar Krankenversicherungsgesetz Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N 31 ff. zu Art. 49 KVG). Unbestritten ist, dass der Preis eines Falles sich je nach Leistungserbringer dann unterscheiden darf, wenn die verschiedenen Leistungserbringer mit unterschiedlichen Basispreisen abrechnen. Als gegen die Rechtsgleichheit verstossend erachtet die Beschwerdeführerin demgegenüber, dass eine fototherapeutische Behandlung eines Neugeborenen in einem Geburtshaus einer anderen DRG (mit geringerem Kostengewicht) zugeordnet wird, als ein entsprechender Fall in einem Akutspital.  
 
4.3. Gemäss den von der SwissDRG AG herausgegebenen "Regeln und Definitionen zur Fallabrechnung unter SwissDRG und TARPSY" wird die Zuordnung eines Falles zu einer Fallgruppe alleine durch eine Gruppierungs-Software, dem sog. "Grouper" bestimmt. Eine manuelle Einflussnahme auf den Prozess (Forcierung) ist nicht zulässig (vgl. auch Waldner/Egli, a.a.O., N 32 zu Art. 49 KVG). Man kann sich fragen, ob es nicht gegen dieses tarifvertragliche Verbot der Forcierung verstösst, wenn durch das vorliegende Verfahren die Beschwerdeführerin eine vom Resultat des Groupers abweichende Einordnung der beiden Fälle erreichen will. Die Frage braucht indessen, da die Beschwerde so oder anders abzuweisen ist (vgl. E. 4.4 hiernach), nicht abschliessend geklärt zu werden. Damit kann auch offenbleiben, welche Rechtsfolgen sich aus einer Verletzung dieses Verbotes ergeben würden.  
 
4.4.  
 
4.4.1. Die Vorinstanz erachtet eine Differenzierung des Kostengewichts je nachdem ob die Behandlung in einem Geburtshaus oder in einem Akutspital erbracht wird, unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Infrastruktur und an die verantwortlichen Personen gerechtfertigt. Wie die Beschwerdeführerin insoweit zutreffend geltend macht, ist diesen Gesichtspunkten bei der Festlegung des Basispreises und nicht bei jener des Kostengewichts der einzelnen DRG Rechnung zu tragen. Im Weiteren hat das kantonale Gericht aber zutreffend erwogen, dass die DRG, in welcher eine fototherapeutische Behandlung eines Neugeborenen in einem Akutspital gruppiert wird (DRG P67C), ungleich breiter definiert ist, als die DRG, welche bei einer entsprechenden Behandlung in einem Geburtshaus zur Anwendung gelangt (DRG P60C). Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass die DRG P67C auch schwerere Fälle mit längerer Aufenthaltsdauer und höherem Aufwand beinhaltet - Fälle die in einem Geburtshaus nicht behandelt werden können und die ein Geburtshaus folglich an ein Akutspital überweisen würde. Die Beschwerdeführerin bestreitet letztinstanzlich diese Erwägung nicht. Da damit der durchschnittliche Aufwand für einen Fall in DRG P67C bedeutend höher ist als für einen solchen in der für Geburtshäuser anwendbaren DRG P60C, erscheint es als nicht nur mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar, sondern durch dieses geradezu geboten, dass das Kostengewicht der DRG P67C höher ist als jenes der DRG P60C. Würde man zulassen, dass - wie von der Beschwerdeführerin gefordert - auch Geburtshäuser nach der für Akutspitäler vorgesehenen DRG P67C abrechnen dürften, so würde die Geburtshäuser systematisch eine zu hohe Vergütung erhalten, wurde doch das Kostengewicht für die DRG P67C unter Mitberücksichtigung kostentreibender schwererer Fälle - welche nicht mehr in einem Geburtshaus behandelt werden können - festgesetzt.  
 
4.4.2. Zwar trifft es zu, dass bei alleiniger Betrachtung der einzelnen fototherapeutischen Behandlung die Vergütung selbst bei einem identischen Basispreis in einem Akutspital höher ausfallen würde als in einem Geburtshaus. Eine solche Betrachtung einer einzelnen Behandlungsmassnahme widerspricht jedoch der gesetzlich vorgesehenen Abrechnung mittels Fallpauschalen.  
 
4.4.3. Gemäss den erwähnten SwissDRG-Regeln fallen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, sämtliche Säuglingsfälle, die in einem Geburtshaus behandelt werden und für welche im Fallpauschalenkatalog keine anderen für Geburtshäuser ausgewiesene DRG anwendbar sind, unter die DRG P60C. Damit kann die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass die beiden streitbetroffenen Neugeborenen nach der Behandlung im Geburtshaus nach Hause entlassen und nicht weiter verlegt werden mussten, nichts zu ihren Gunsten ableiten, legt sie doch nicht dar, dass diese Fälle nach einer anderen für Geburtshäuser vorgesehenen DRG abzurechnen wären.  
 
4.5. Zusammenfassend verstösst die vorinstanzliche Sichtweise, wonach ein Geburtshaus nicht nach der DRG P67C abrechnen darf und die beiden streitigen Rechnungen damit nicht nach der richtigen Gruppierung erstellt wurden, nicht gegen Bundesrecht. Somit ist die Beschwerde abzuweisen.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Eidgenössischen Departement des Innern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. Februar 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold