Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
I 128/00 Gb 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Berger 
 
Urteil vom 30. April 2001 
 
in Sachen 
M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Der 1960 geborene M.________ war seit 1. März 1991 in der Firma W.________ AG als Maschinenführer tätig. Nach den Angaben seines Hausarztes Dr. med. T.________, Spezialarzt für Innere Medizin, war er unter anderem infolge eines Lumbovertebralsyndroms vom 25. Oktober 1994 bis 26. Februar 1995 sowie vom 29. März bis 10. Mai 1995 zu 100 %, vom 11. 
bis 23. Mai 1995 zu 50 % und ab 24. Mai 1995 bis auf weiteres wieder zu 100 % arbeitsunfähig (Arztbericht vom 3. November 1995). 
Am 17. Oktober 1995 meldete sich M.________ zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte nebst der Arbeitgeberauskunft der Firma W.________ AG vom 3. November 1995 die Stellungnahmen des Dr. med. T.________ vom 3. November 1995, des Dr. med. 
S.________, Oberarzt, Medizinische Poliklinik, Departement für Innere Medizin, Spital X.________, vom 15. Februar 1996 sowie des Dr. med. B.________, Leitender Arzt, Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin, Spital X.________, vom 12. August 1996 und des Dr. med. N.________, Oberarzt, Psychiatrisches Zentrum Y.________, vom 27. September 1996 ein. Zudem liess sie durch ihre Berufsberatung (Bericht vom 27. November 1996) und die Abklärungs- und Ausbildungsstätte A.________ (BEFAS; Schlussbericht vom 19. August 1997), die Eingliederungsmöglichkeiten abklären. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach sie M.________ rückwirkend ab 1. Oktober 1995 eine Viertelsrente, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 43 %, zu (Verfügung vom 16. Februar 1998). 
 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher M.________ beantragen liess, es sei ihm ab 1. Oktober 1995 eine Invalidenrente, entsprechend einer Erwerbsunfähigkeit von 100 %, auszurichten, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 7. Januar 2000). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- In der Verfügung der IV-Stelle vom 16. Februar 1998, auf welche die Vorinstanz hinweist, sind die Bestimmungen über die Voraussetzungen, den Umfang und den Beginn des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG, Art. 29 Abs. 1 IVG) sowie die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Ebenfalls richtig sind die Erwägungen des kantonalen Gerichts über die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) und die Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen; siehe auch BGE 125 V 352 ff. 
Erw. 3). Darauf kann verwiesen werden. 
Ergänzend ist anzuführen, dass nach Art. 4 Abs. 1 IVG als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit gilt. 
Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG zu bewirken vermögen, gehören neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht als relevant gelten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, welche die versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden vermöchte, wobei das Mass des Forderbaren weitgehend objektiv bestimmt werden muss. 
Es ist somit festzustellen, ob und in welchem Masse eine versicherte Person infolge ihres geistigen Gesundheitsschadens auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Dabei kommt es darauf an, welche Tätigkeit ihr zugemutet werden darf. Zur Annahme einer durch einen geistigen Gesundheitsschaden verursachten Erwerbsunfähigkeit genügt es also nicht, dass die versicherte Person nicht hinreichend erwerbstätig ist; entscheidend ist vielmehr, ob anzunehmen ist, die Verwertung der Arbeitsfähigkeit sei ihr sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder - als alternative Voraussetzung - sogar für die Gesellschaft untragbar (BGE 102 V 165; AHI 2000 S. 151 Erw. 2a mit Hinweisen). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 1995 Anspruch auf eine Viertelsrente oder, wie von ihm beantragt, auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung hat. Dabei stellt sich vorab die Frage, ob für die Beurteilung des psychischen Gesundheitszustandes und seiner allfälligen Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auf den BEFAS-Schlussbericht vom 19. August 1997 abgestellt werden kann, was die Vorinstanz bejaht, der Beschwerdeführer hingegen verneint. 
 
a) In seinem Arztbericht vom 3. November 1995 führt Dr. med. T.________ aus, bisher sei keine psychopathologische Diagnose gestellt worden; es erfolge allerdings eine Behandlung im psychiatrischen Zentrum Y.________. 
Dr. med. B.________, welcher in somatischer Hinsicht ein chronifiziertes Lumbovertebralsyndrom bei/mit Wirbelsäulenfehlform und -fehlhaltung, eine muskuläre Dysbalance sowie diskrete degenerative Veränderungen diagnostiziert, stellt darüber hinaus eine deutliche Diskrepanz zwischen den subjektiven Schmerzangaben und den objektiven Befunden fest und nimmt an, es bestehe eine Schmerzverarbeitungsstörung. 
Zusätzlich scheine der Versicherte an einer gewissen depressiven Überlagerung zu leiden, welche sich ebenfalls ungünstig auf die Schmerzempfindung auswirke. Im bisherigen Beruf als Maschinenführer in der Farbenproduktion, einer vorwiegend sitzend zu verrichtenden Tätigkeit ohne körperliche Belastung, sei der Beschwerdeführer zu 100 % arbeitsfähig (Gutachten vom 12. August 1996). 
Nach der Stellungnahme des Dr. med. N.________ vom 27. September 1996 bestehen in psychischer Hinsicht eine somatoforme Störung (ICD-10 F45. 9) und eine mittelschwere depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32. 11). 
Die gescheiterten psychotherapeutischen Bemühungen seien ein Hinweis für die mangelnden Bewältigungsmöglichkeiten des Versicherten. Während der Behandlungszeit vom 20. Juni bis 19. Oktober 1995 habe eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit bestanden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht einzelne gesundheitliche Störungen für sich genommen werden könnten, sondern die Gesamtheit aller Faktoren auf der psychischen, somatischen und sozialen Ebene (Migration) eine Rolle spielten. Eine Arbeit in einem Tätigkeitsfeld, das körperlich wenig belastend sei und nach Möglichkeit zur Verbesserung des Selbstwertgefühls beitragen könne, sei dem Versicherten zunächst halbtags zumutbar. 
 
Dr. med. K.________, FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumatologie, führt im BEFAS-Schlussbericht vom 19. August 1997 aus, die subjektiv vom Versicherten massiv erlebten Schmerzen könnten - bei mitverursachender somatoformer Störung - nur zum Teil durch klinische Untersuchungsbefunde erklärt werden. Während der Abklärung habe der Beschwerdeführer eine dysphorische Grundstimmung gezeigt; eindeutige Hinweise auf ein schweres depressives Zustandsbild hätten sich nicht ergeben. Bei einer körperlich leichten, den Rücken und das rechte Knie nur wenig belastenden Tätigkeit sei ein 80 %iges Arbeitspensum zumutbar. Durch die 20 %ige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bei behinderungsgerechter Beschäftigung stehe es dem Beschwerdeführer offen, bei vollem Arbeitszeitpensum kurze Entlastungspausen zu machen oder ein zeitlich leicht verkürztes tägliches Arbeitspensum zu absolvieren. Falls die berufliche Reintegration erfolgreich verlaufe, sei das Wiedererlangen einer vollen Arbeitsfähigkeit durchaus möglich. 
 
b) Der Vorinstanz ist im Ergebnis beizupflichten, dass auf den Arztbericht des Dr. med. N.________ vom 27. September 1996 nicht abgestellt werden kann. Abgesehen davon, dass er seiner Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit nicht nur die psychischen Leiden zu Grunde legt, sondern auch die somatische und die soziale Ebene "(Migration)" einbezieht, aber dabei offen lässt, welche physischen Leiden er berücksichtigt und welchen sozialen Faktoren er Rechnung trägt, bleiben auf Grund seiner Ausführungen insbesondere der Verlauf der somatoformen Störung (ICD-10 F45. 9) und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit unklar. Die diagnostizierten depressiven Episoden (ICD-10 F32. 11) dauern im Allgemeinen zwischen drei und zwölf Monate, im Mittel etwa sechs Monate (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F), 
2. Aufl. , Bern 1993, S. 135, zu F31 "bipolare affektive Störung" und S. 145, zu F33 "rezidivierende depressive Störung"); wiederholte depressive Episoden sind unter F33 einzureihen. Damit ist fraglich, ob im massgebenden Zeitraum bis zum Erlass der Verfügung vom 16. Februar 1998 (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) psychische Leiden mit Krankheitswert im Sinne von Art. 4 IVG (vgl. Erw. 1 hiervor) anzunehmen sind und - bejahendenfalls - wie hoch die bei der Invaliditätsbemessung zu berücksichtigende psychisch bedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit war. 
Weder der kurze Arztbericht des Dr. med. T.________ vom 3. November 1995 noch das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 12. August 1996, welches im Übrigen auf die somatischen Beschwerden ausgerichtet ist, vermögen darüber Aufschluss zu geben. 
Dr. med. K.________ geht gesamthaft von einer 20 %igen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit aus. In der Anamnese erwähnt er zwar die von Dr. med. N.________ abgegebene psychiatrische Diagnose, führt aber an, während der Beobachtungszeit (30. Juni bis 
 
25. Juli 1997) hätten sich keine eindeutigen Hinweise auf ein schweres depressives Zustandsbild ergeben. Ob und gegebenenfalls inwieweit er den psychischen Leiden dennoch einen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit beimisst, kann seinen Ausführungen nicht entnommen werden. Ebenso wenig lässt sich deshalb anhand seiner Darlegungen beantworten, in welchem Ausmass die physischen Beschwerden die Arbeitsfähigkeit einschränken. Abgesehen davon betreffen die Feststellungen des Rheumatologen zu den psychischen Leiden lediglich den Zeitraum der vierwöchigen Abklärungszeit und lassen keine Rückschlüsse auf die gesundheitliche Entwicklung davor und danach zu. Auf seine Stellungnahme, welche weder auf allseitigen Untersuchungen beruht noch für die streitigen Belange umfassend ist, kann somit, entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts, nicht abgestellt werden. 
Daran vermag der im BEFAS-Schlussbericht enthaltene Verweis auf die Beurteilung eines serbokroatisch sprechenden Psychiaters, wonach der Versicherte im bisherigen Tätigkeitsbereich zu 100 % arbeitsfähig sei, nichts zu ändern. 
Der Umstand, dass eine Psychologin an der Erstellung des Berichts beteiligt war, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da sich ihre Darlegungen auf den beruflich-erwerblichen Bereich beziehen. 
 
3.- Bei dieser Aktenlage lässt sich der Umfang der invaliditätsbedingten Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen und allenfalls in einer dem Leiden angepassten Tätigkeit nicht zuverlässig beurteilen, weshalb auch die Grundlagen für die Feststellung des Invaliditätsgrades mittels eines Einkommensvergleichs fehlen. Daher ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen. Diese wird die medizinischen Akten im Zusammenhang mit der - gemäss den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im November 1997 wegen eines Suizidversuchs erfolgten - notfallmässigen Hospitalisierung und der anschliessenden stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik sowie die von der Krankenversicherung eingeholten ärztlichen Berichte beiziehen müssen. 
Falls diese Unterlagen über den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit des Versicherten im massgebenden Zeitraum (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) nicht hinreichend Aufschluss geben, wird sie alsdann eine sämtliche Aspekte des vorliegenden Falles, sowohl die vom Beschwerdeführer geklagten physischen als auch die psychischen Beschwerden umfassende medizinische Begutachtung, vorzugsweise in einer der hierfür spezialisierten Abklärungsstellen der Invalidenversicherung, anzuordnen haben. Hernach wird die Verwaltung erneut über den Leistungsanspruch befinden. 
 
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts 
des Kantons Zürich vom 7. Januar 2000 
und die Verwaltungsverfügung vom 16. Februar 1998 aufgehoben 
werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons 
Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach weiteren 
Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den 
Rentenanspruch neu verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen 
 
 
Prozesses zu befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht 
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 30. April 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: