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[AZA 1/2] 
2P.201/2001/zga 
 
II. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 
 
 
10. Dezember 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Hungerbühler, 
Müller, Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter Merkli und Gerichtsschreiber Häberli. 
 
--------- 
 
In Sachen 
 
1. Aargauischer Lehrerinnen- und Lehrerverband, 
Entfelderstrasse 61, Aarau, 
2. Ursula Sauvin, Schlösslistrasse 32, Ennetbaden, 
3. Rolf Giger, Rebbergstrasse 16, Zufikon, 
4. Eva Kuhn, Langacker 402, Full-Reuenthal, Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher Dr. Guido Fischer, Frey-Herosé-Strasse 20, Aarau, 
 
gegen 
Grosser Rat des Kantons Aargau, 
 
betreffend 
Wahl eines Mitglieds des Erziehungsrats, hat sich ergeben: 
 
A.- Der Erziehungsrat ist Aufsichtsbehörde über das Schulwesen im Kanton Aargau (§ 80 des Aargauer Schulgesetzes vom 17. März 1981 [SchG]). Er besteht aus elf Mitgliedern, die vom Grossen Rat gewählt werden, wobei für deren vier ein Vorschlagsrecht der Kantonalkonferenz der Lehrer besteht (§ 79 in Verbindung mit § 48 Abs. 3 SchG). Als Reaktion auf eine massive Kürzung der ihr zur Verfügung gestellten Mittel beschloss die Kantonalkonferenz, ihre Geschäftstätigkeit einzustellen und das Vorschlagsrecht für die Wahl des Erziehungsrats an den Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband zu delegieren (Versammlung vom 15. Mai 2000). 
 
B.- Am 26. Juni 2001 hatte der Grosse Rat des Kantons Aargau unter anderem zwei neue Mitglieder des Erziehungsrats zu bestimmen. Während er als "Stufenvertreter" der Primarlehrer einen der vom Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband vorgeschlagenen Kandidaten wählte, überging er mit der Wahl von Peter Hägler die für die Vertretung der Bezirksschullehrer vorgeschlagenen Ursula Sauvin und Rolf Giger. 
 
C.- Am 30. Juli 2001 sind der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband, Ursula Sauvin, Rolf Giger und Eva Kuhn gemeinsam mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragen, die Wahl von Peter Hägler in den Erziehungsrat des Kantons Aargau aufzuheben. Der Grosse Rat des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Die Beschwerdeführer haben am 10. Oktober 2001 innert gesetzter Frist eine Beschwerdeergänzung eingereicht (vgl. Art. 93 Abs. 2 OG) und an ihrem Antrag festgehalten. 
Mit Vernehmlassung vom 30. Oktober 2001 bestätigte der Grosse Rat seinerseits den von ihm gestellten Antrag. 
 
D.- Mit Verfügung vom 7. September 2001 wies der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Angefochten ist ein kantonaler Wahlakt, der sich auf kantonales Recht stützt und im Kanton selbst nicht angefochten werden kann; gegen ihn steht im Bund nur die staatsrechtliche Beschwerde offen (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 OG). 
 
b) Nachdem nicht die Ausübung des Wahlrechts der Stimmberechtigten bzw. ein Wahlakt des Volkes, sondern die Wahl eines Behördenmitglieds durch das kantonale Parlament streitig ist, handelt es sich vorliegend - wie in der Beschwerdeergänzung richtigerweise präzisiert - nicht um eine Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG (vgl. 
BGE 112 Ia 174 E. 2 S. 175 f., mit Hinweisen), sondern um eine staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG. Die Legitimation der Beschwerdeführer richtet sich daher nach Art. 88 OG
 
c) Die Beschwerdeführer rügen, die angefochtene Wahl von Peter Hägler verletze das Willkürverbot (Art. 9 BV), weil das Vorschlagsrecht der Lehrerschaft gemäss § 79 SchG missachtet worden sei. Dieses "Recht" steht der Kantonalkonferenz der Lehrer zu, welche von Gesetzes wegen durch die Lehrer aller öffentlicher Schulen des Kantons oder ihre Delegierten gebildet wird (§ 48 Abs. 1 SchG). Die Kantonalkonferenz ist aber als öffentlichrechtliches Organ ohne eigene Rechtspersönlichkeit schon mangels Parteifähigkeit nicht in der Lage, eine Verletzung ihr zustehender Rechte mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen (vgl. 
Urteil vom 18. Oktober 1994, in: ZBl 96/1995 S. 475, E. 2). 
Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführer zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert sind: 
 
aa) Der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband ist ein privater Verein mit Rechtspersönlichkeit (vgl. 
Art. 60 f. ZGB). Er erachtet sich als zur Beschwerdeführung legitimiert, weil ihm das Vorschlagsrecht nach § 79 SchG "delegiert" worden sei. Mit dieser Argumentation verkennt er, dass das streitige Vorschlagsrecht von Gesetzes wegen der Kantonalkonferenz der Lehrer zusteht, welche dieses mangels entsprechender gesetzlicher Ermächtigung weder an eine andere Behörde noch, wie vorliegend geltend gemacht, an eine private Organisation delegieren kann (zur Delegation von Verwaltungsbefugnissen vgl. René Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 141 B/I; Max Imboden/René Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II: Besonderer Teil, Basel 1986, Nr. 141 B/I). Daran ändert nichts, dass der Grosse Rat offenbar das Budget der Kantonalkonferenz von 200'000 auf 45'000 Franken jährlich gekürzt hatte: Das Vorschlagsrecht konnte auch mit dem reduzierten Staatsbeitrag ausgeübt werden. Zudem vermöchte der Grosse Rat nicht die in § 79 SchG getroffene Regelung durch eine Budgetkürzung ausser Kraft zu setzen oder dadurch eine Übertragung der Befugnisse auf eine andere Organisation zu veranlassen. Es kann auch nicht gesagt werden, der Grosse Rat habe das Vorliegen einer Delegation des Vorschlagsrechts nachträglich anerkannt (vgl. das Schreiben des Ratspräsidenten vom 5. Mai 2001 an den Lehrerverband). Mithin vermag sich der beschwerdeführende Verein für die gerügte Verfassungsverletzung nicht auf rechtlich geschützte eigene Interessen zu berufen. 
 
Es kann sich einzig fragen, ob der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband als Vertreter der Interessen seiner Mitglieder zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist (sog. egoistische Verbandsbeschwerde). Dazu ist - neben einer eigenen juristischen Persönlichkeit, über die der Lehrerverband verfügt - weiter erforderlich, dass die Mehrheit oder doch eine grosse Anzahl seiner Mitglieder vom angefochtenen Hoheitsakt berührt ist und selbst zur Beschwerde berechtigt wäre; schliesslich muss der Lehrerverband noch statutarisch mit der Wahrung der in Frage stehenden Interessen seiner Mitglieder beauftragt sein (anstelle vieler: BGE 122 I 90 E. 2c S. 92; 121 II 39 E. 2d/aa S. 46, je mit Hinweisen). Zwar sind die Angehörigen des Lehrerverbands - zumindest zu einem grossen Teil - zugleich Mitglieder der Kantonalkonferenz, womit die gerügte Missachtung von deren Vorschlagsrecht auch als Eingriff in die Kompetenzen der einzelnen Verbandsmitglieder erscheinen mag. Doch können die mit öffentlichrechtlichen oder politischen Organfunktionen verbundenen Befugnisse von Behördenmitgliedern nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden; die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann nur soweit gerügt werden, als ein Privaten oder Korporationen persönlich zustehendes Individualrecht in Frage steht (Art. 88 OG). Dies ist nicht der Fall, wenn es lediglich um Befugnisse geht, die einem Bürger in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde zukommen (BGE 123 I 41 E. 5c/ee S. 45, mit Hinweisen). 
Nach dem Gesagten haben die Mitglieder der Kantonalkonferenz und mithin auch jene des Lehrerverbands kein eigenes Beschwerderecht, weshalb Letzterer auch nicht an Stelle seiner Mitglieder staatsrechtliche Beschwerde führen kann. 
 
bb) Demzufolge vermögen Ursula Sauvin, Rolf Giger und Eva Kuhn aus der Tatsache, dass sie als Aargauer Lehrkräfte der Kantonalkonferenz angehören, kein Beschwerderecht abzuleiten. Für die beiden Erstgenannten besteht im Übrigen auch nicht etwa deswegen ein rechtlich geschütztes Interesse an der Anfechtung des Wahlakts, weil sie vom Lehrerverband zur Wahl in den Erziehungsrat vorgeschlagen worden sind. 
Dies bereits deshalb, weil - wie oben dargelegt - das gesetzliche Vorschlagsrecht der Kantonalkonferenz und nicht dem Lehrerverband zukommt. Sie wären aber selbst dann nicht zur Beschwerdeführung legitimiert, wenn sie von der Kantonalkonferenz vorgeschlagen worden wären: Der Grosse Rat hat sich unbestrittenermassen stets das Recht vorbehalten, einerseits aus zwei Bewerbern auswählen zu können und andererseits nicht genehme Vorschläge an die Kantonalkonferenz zurückzuweisen. 
Den vorgeschlagenen Bewerbern kommt kein Anspruch zu, vom Grossen Rat gewählt zu werden, und die Wahl als solche ist mehr als eine blosse Formalität. Der Umstand, für die Wahl in den Erziehungsrat vorgeschlagen zu sein, begründet daher noch kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG, um gegen die Nichtwahl staatsrechtliche Beschwerde führen zu können (BGE 112 Ia 174 E. 3c S. 178, mit Hinweisen). 
 
Unbehelflich ist weiter, wenn sich die Beschwerdeführer auf ihre Eigenschaft als Einwohner des Kantons und Stimmbürger berufen, steht die staatsrechtliche Beschwerde doch auch dem Einzelnen nicht für die Verfolgung allgemeiner öffentlicher Interessen offen (vgl. BGE 125 II 440 E. 1c S. 442, mit Hinweisen), und um solche handelt es sich vorliegend, wo das korrekte Vorgehen bei der Besetzung einer Behörde in Frage steht. Ferner vermögen die Beschwerdeführer nichts aus dem Umstand abzuleiten, dass sie, sei es als Lehrer oder als Einwohner des Kantons, eines Tages durch einen Entscheid des Erziehungsrats betroffen sein könnten; vorliegend geht es nicht um eine abstrakte Normenkontrolle, wo -anders als bei der Überprüfung von Einzelakten - eine virtuelle Betroffenheit (vgl. anstelle vieler: BGE 122 I 70 E. 1b S. 73; 119 Ia 197 E. 1b S. 200) ausreicht. Die Beschwerdeführer können die angeblich rechtswidrige Besetzung des Erziehungsrats erst geltend machen, wenn sie tatsächlich selbst an einem Verfahren vor dieser Instanz beteiligt sind. 
Die Beschwerdeführer räumen schliesslich selbst ein, dass Eva Kuhn als Mitglied des Grossen Rats keine besondere Legitimation zur Beschwerdeführung zukommt. 
 
d) Nach dem Gesagten ist keiner der Beschwerdeführer zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen den angefochtenen Wahlakt legitimiert. Auf ihre Eingabe ist deshalb nicht einzutreten. 
 
2.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig, wobei ihnen die Gerichtsgebühr unter Solidarhaft aufzuerlegen ist (Art. 153, Art. 153a sowie Art. 156 Abs. 1 und Abs. 7 OG). Parteientschädigung ist keine auszurichten (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem Grossen Rat des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 10. Dezember 2001 
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: