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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.164/2005 /ggs 
 
Beschluss vom 15. November 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Kunz, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel, 
Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts Basel-Stadt, Rekurskammer, 
vom 23. März 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 2. Juni 2003 ersuchte die Staatsanwaltschaft Ravensburg (Deutschland) die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt um Rechtshilfe in einem Ermittlungsverfahren gegen Y.________ wegen des Verdachts der Geldwäscherei. 
 
Bei einer Kontrolle am 13. Februar 2003 seien im Handschuhfach des von Y.________ gelenkten Fahrzeugs  25'000.-- in bar vorgefunden worden. Weder Y.________ noch der Halter des Wagens, X.________, hätten damals Anspruch auf die Geldsumme erhoben. Erst am 16. April 2003 habe X.________ durch seinen Anwalt mitteilen lassen, der Geldbetrag gehöre ihm: Y.________ habe ihn im Auftrag von X.________ von dessen Konto Nr. 1 bei der Bank Z.________ in Basel abgehoben. Zur Herkunft des Geldes habe er angegeben, dem Konto seien am 13. Februar 2002 von einem betagten Verwandten aus den USA zwei Checks zu je Fr. 100'000.-- gutgeschrieben worden. 
 
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg ersuchte um Abklärung, ob X.________ zwischen dem 12. Februar 2002 und dem 25. März 2003 tatsächlich ein Konto bei der Bank Z.________ in Basel gehabt habe und die Gutschrift von Fr. 200'000.-- erfolgt sei; wenn ja, seien die Personalien des Auftraggebers zu ermitteln. 
B. 
Mit Schlussverfügung vom 11. September 2003 entsprach der Erste Staatsanwalt unter Spezialitätsvorbehalt dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Ravensburg und ordnete die Herausgabe von Kontounterlagen sowie von internen Aufzeichungen der Bank Z.________ in Basel zur anonymisierten Kundenbeziehung Nr. 1 und den dazugehörigen CHF- und EUR-Kapitalkonten an. 
C. 
Dagegen erhob X.________ Beschwerde an das Strafgericht Basel-Stadt. Dieses wies die Beschwerde am 23. März 2005 ab und bestätigte die Schlussverfügung des Ersten Staatsanwalts. 
D. 
Gegen dieses Urteil erhob X.________ am 27. Juni 2005 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Schlussverfügung vom 11. September 2003. Eventualiter seien diese nur teilweise aufzuheben, soweit sie über die im Rechtshilfegesuch der Staatsanwaltschaft Ravensburg explizit verlangten Auskunftsbegehren hinausgingen. 
 
Der Beschwerdeführer reichte einen Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Juni 2005 zu den Akten, wonach er auf Antrag des Finanzamts Kempten wegen Hinterziehung von Schenkungssteuern zu einer Geldstrafe von insgesamt  6'300.-- verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer machte geltend, die gegen ihn hängige Strafuntersuchung wegen Geldwäscherei sei eingestellt worden. 
E. 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und das Bundesamt für Justiz beantragten die Abweisung der Beschwerde. Sie legten ihrer Vernehmlassung zwei Schreiben der Staatsanwaltschaft Ravensburg bei, in denen diese am Rechtshilfeersuchen festhielt und bestätigte, dass sie das Verfahren wegen Geldwäscherei nicht eingestellt habe: Die Staatsanwaltschaft Ravensburg habe vom Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung keine Kenntnis gehabt; dieser sei mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 14. Juli 2005 zurückgenommen worden. 
F. 
Mit Replik vom 1. September 2005 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest. 
G. 
Am 28. September 2005 teilte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt mit, dass die Staatsanwaltschaft Ravensburg telefonisch auf das Rechtshilfeersuchen verzichtet habe: Der Beschuldigte X.________ habe eine schriftliche Erklärung seines in den USA ansässigen Onkels eingereicht, in der dieser bestätige, dass das von seinem Neffen erhaltene Vermögen auf eine von ihm gemachte Schenkung zurückzuführen sei. Gestützt darauf sei der Geldwäschereiverdacht nicht mehr ausreichend begründbar, weshalb das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. 
 
Am 4. Oktober 2005 gab die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ein entsprechendes Rückzugsschreiben der Staatsanwaltschaft Ravensburg zu den Akten. 
H. 
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben, unter voller Kosten- und Entschädigungsfolge für alle Instanzen zulasten der Beschwerdegegner. 
 
Das Strafgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen, die Kosten seien dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und diesem sei keine Parteientschädigung zuzusprechen. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit dem Rückzug des Rechtshilfeersuchens der deutschen Behörden ist das Rechtshilfeverfahren und damit auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenstandslos geworden; diese ist demnach abzuschreiben. 
 
Ist ein Rechtsmittel vor Bundesgericht gegenstandslos geworden, so ist nach Art. 72 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG über die Prozesskosten mit summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden. Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolge ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494). 
2. 
In formeller Hinsicht rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil ihm das Strafgericht die Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. Januar 2004 nicht zugestellt habe. 
 
Die sechsseitige Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft äusserte sich ausführlich zu allen Rügen des Beschwerdeführers und bestritt dessen Legitimation teilweise (hinsichtlich der internen Aufzeichnungen der Bank). Insofern enthielt sie gewisse neue rechtliche Ausführungen. Sie hätte deshalb dem Beschwerdeführer zugestellt werden müssen, um ihm Gelegenheit zu geben, Bemerkungen einzureichen, sofern er dies für nötig erachtete. Dies hätte zu keiner Verzögerung des Verfahrens geführt, erging doch der Entscheid des Strafgerichts über ein Jahr nach Eingang der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft. 
Insofern wäre die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) begründet gewesen, wobei dieser Mangel allerdings im bundesgerichtlichen Verfahren hätte geheilt werden können. 
3. 
Materiell machte der Beschwerdeführer in der Hauptsache geltend, die Leistung von Rechtshilfe sei unzulässig, weil die Strafuntersuchung wegen Geldwäscherei bereits eingestellt worden sei, ein begründeter Anfangsverdacht hinsichtlich Geldwäscherei fehle und das Rechtshilfeersuchen rein fiskalischen Zwecken diene. 
3.1 Das deutsche Rechtshilfeersuchen wurde erst am 28. September 2005 zurückgenommen; auch die Einstellung des deutschen Strafverfahrens wegen Geldwäscherei erfolgte erst an diesem Tag. Mit Schreiben vom 6. und vom 15. Juli 2005 hatte die Staatsanwaltschaft Ravensburg noch ausdrücklich an ihrem Rechtshilfeersuchen festgehalten. Somit lag vor Eintritt des Erledigungsgrundes ein Strafverfahren im ersuchenden Staat vor, für das Rechtshilfe geleistet werden konnte. 
3.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Rechtshilfe wegen des Verdachts der Geldwäscherei grundsätzlich auch dann zulässig, wenn das Rechtshilfeersuchen lediglich verdächtige Finanztransaktionen darlegt, ohne zu erwähnen, worin die Vortat besteht (BGE 129 II 97 E. 3.2 und 3.3 S. 99 f.). Voraussetzung ist jedoch, dass die geschilderten Finanztransaktionen von Art und Umfang oder von den Begleitumständen her den Verdacht der Geldwäscherei begründen können (vgl. dazu Bundesgerichtsentscheid 1A.188/2005 vom 24. Oktober 2005). Ansonsten bestünde die Gefahr, dass der Vorbehalt der Schweiz zu Art. 2 lit. a des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1) - wonach die Schweiz keine Rechtshilfe leistet bei Straftaten, die bloss auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben (Steuerhinterziehung) gerichtet sind - unter dem Vorwand der Rechtshilfe wegen Geldwäscherei umgangen wird. 
 
Im vorliegenden Fall lässt sich darüber streiten, ob der im Rechtshilfeersuchen geschilderte Sachverhalt genügende Indizien für das Vorliegen von Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB enthielt. 
 
Möglicherweise hätte eine Übermittlung der rechtshilfeweise verlangten Unterlagen auch gestützt auf Art. 63 Abs. 5 IRSG erfolgen können, erscheinen die Unterlagen doch geeignet, den Beschwerdeführer und Y.________ vom Vorwurf der Geldwäscherei zu entlasten. 
3.3 Insofern ist offen, ob die Beschwerde im Hauptpunkt gutgeheissen oder abgewiesen worden wäre. 
4. 
Dagegen hätte der Beschwerdeführer mit seinem Hilfsantrag teilweise Erfolg gehabt, wonach die Rechtshilfe auf die von der Staatsanwaltschaft Ravensburg explizit verlangten Auskunftsbegehren zu beschränken sei. 
 
Im deutschen Rechtshilfeersuchen wurde lediglich um Informationen über die angebliche Herkunft des am 13. Februar 2003 sichergestellten Geldbetrags und dessen Bezug durch Y.________ gefragt; weitere Informationen über den Stand des Kontos und die darauf erfolgten Bewegungen wurden nicht verlangt. 
 
Rechtshilfeersuchen sind in dem Sinne auszulegen, der ihnen sinnvollerweise zugeschrieben werden kann, wobei durchaus über den Wortlaut des Ersuchens hinausgegangen werden kann (BGE 121 II 241 E. 3a S. 243). Im vorliegenden Fall wurde jedoch Rechtshilfe wegen des Verdachts der Geldwäscherei bei unbekannter Vortat verlangt. Nach dem oben (3.2) Gesagten ist dies zulässig, wenn verdächtige Finanztransaktionen dargelegt werden, die den Verdacht der Geldwäscherei begründen. Der Verdacht der Geldwäscherei wurde im Rechtshilfeersuchen ausschliesslich auf den Geldtransport vom 13. Februar 2003 gestützt, und nicht auf anderen verdächtigen Finanztransaktionen, die einen Zusammenhang mit dem Konto des Beschwerdeführers in der Schweiz aufweisen würden. 
 
Unter diesen Umständen wäre es nicht gerechtfertigt gewesen, andere Informationen über finanzielle Transaktionen auf dem Konto des Beschwerdeführers zu übermitteln, die keinen Zusammenhang mit dem Geldtransport vom 13. Februar 2003 und der Herkunft dieser Gelder aufweisen. 
5. 
Der Beschwerdeführer hätte somit zumindest teilweise obsiegt. Dies rechtfertigt es, keine Kosten zu erheben und ihm eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zuzusprechen (Art. 156 und 159 OG). 
 
Den Entscheid über die Kosten und Parteientschädigungen im kantonalen Verfahren kann das Bundesgericht dagegen nach Art. 157 und Art. 159 Abs. 6 OG nur abändern, wenn es auch den Entscheid in der Sache selbst ändert (vgl. BGE 91 II 146 E. 3 S. 150). Das ist hier, wo die Sache gegenstandslos geworden ist, gerade nicht der Fall. Da allerdings der angefochtene Entscheid infolge des Rückzugs des Rechtshilfeersuchens ebenfalls gegenstandslos geworden ist, ist die Sache zur allfälligen Neuregelung der Kostenfolgen des kantonalen Verfahrens dem Strafgericht Basel-Stadt zu unterbreiten (vgl. Entscheide 1A.192/1994 vom 24. Juni 1998 E. 3 und 2A.135/1996 vom 24. Oktober 1996 E. 4). 
 
Demnach beschliesst das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 72 BZP i.V.m. Art. 40 OG
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Basel-Stadt hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Die Sache wird zur Überprüfung der Kostenregelung für das kantonale Verfahren der Rekurskammer des Strafgerichts Basel-Stadt übermittelt. 
5. 
Dieser Beschluss wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, sowie dem Bundesamt für Justiz, Sektion internationale Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. November 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: