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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_27/2016   {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. April 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Ursprung, Frésard, 
Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, Hirschengraben 19, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern vom 24. November 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1965 geborene A.________ meldete sich bei der IV-Stelle des Kantons Luzern am 3. Mai 2014 wegen Depression, Konzentrationsstörung, Erschöpfung und Müdigkeit zum Leistungsbezug an: Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestünden seit dem am 11. Januar 2011 als Insasse eines Personenwagens erlebten Auffahrunfalls. Nach Beizug verschiedener Akten erachtete die IV-Stelle des Kantons Luzern eine interdisziplinäre Begutachtung des A.________ für erforderlich. Mit Verfügung vom 7. Mai 2015 hielt sie an der Durchführung einer polydisziplinären Begutachtung bei der SMAB AG, St. Gallen, fest. 
 
B.   
Dagegen liess A.________ beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde erheben. Gleichzeitig ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beigabe des ihn bereits vertretenden Rechtsanwaltes als unentgeltlicher Rechtsbeistand. Mit Verfügung vom 24. November 2015 wies das Gericht das Gesuch ab und forderte A.________ auf, innert gesetzter Frist einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 800.- zu leisten, andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 11. Januar 2016 lässt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, in Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung vom 24. November 2015 sei ihm für das Verfahren vor dem Kantonsgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, eventualiter zumindest teilweise. Des Weiteren lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht ersuchen. 
Die vorinstanzlichen Akten hat das Bundesgericht beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die verfügte Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege schliesst das Verfahren nicht ab. Es liegt ein Zwischenentscheid im Sinne von    Art. 93 BGG vor. Da dabei nicht nur die unentgeltliche Rechtspflege verweigert, sondern zugleich auch die Anhandnahme des Rechtsmittels von der Bezahlung des Kostenvorschusses durch die gesuchstellende Partei abhängig gemacht worden ist, droht dem Beschwerdeführer ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von    Abs. 1 lit. a dieser Bestimmung (vgl. BGE 128 V 199E. 2b S. 202 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten. 
 
2.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
3.   
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist nicht voraussetzungslos und insoweit subsidiär, als die Pflicht des Staates, der mittellosen Partei für einen nicht aussichtslosen Prozess die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, nur dann zum Tragen kommt, wenn keine Drittpersonen für die Prozessfinanzierung aufkommen (STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege, Basel 2008, S. 212). Werden die Kosten durch eine Rechtsschutzversicherung getragen, fehlt die Bedürftigkeit (RKUV 2001 Nr. U 415 S. 91 E. 3a [Urteil U 297/00 vom 17. November 2000]; Urteil U 66/04 vom 14. Oktober 2004 E. 8.3; GIOVANNI BIAGGINI, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2007, N. 32 zu Art. 29 BV). 
Das Verhindern der tatsächlichen Kostengutsprache der Rechtsschutzversicherung durch (bewusstes) Zuwiderhandeln gegen deren Allgemeine Vertragsbedingungen und damit der Verzicht auf ein liquides Aktivum im Vermögen (vgl. THOMAS ACKERMANN, Aktuelle Fragen zur unentgeltlichen Vertretung im Sozialversicherungsrecht in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2010, S. 156), ist mit der Entäusserung der Vermögenswerte bei hängigem Verfahren gleichzusetzen. Ein solches Verhalten steht dem Schutzzweck der Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege entgegen, weshalb in diesen Fällen von einer fehlenden prozessualen Bedürftigkeit ausgegangen werden darf (vgl. SVR 2014 UV Nr. 9 S. 29 E. 6.3 [Urteil 8C_607/2013 vom 28. November 2013]). 
 
4.   
Das kantonale Gericht hat das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen, weil der Beschwerdeführer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, welche er in Anspruch nehmen könne. Soweit ihm die Rechtsschutzversicherung die Kostenübernahme des von ihm selber eingesetzten Rechtsanwaltes mit der Begründung verweigere, er reiche die zur Beurteilung der Prozessaussichten für notwendig erachteten, einverlangten Unterlagen nicht ein, habe er sich dies selber anzurechnen. 
 
4.1. Der Beschwerdeführer begründet seine Weigerung wie bereits vor Vorinstanz mit der möglichen Interessenkollision des Rechtsschutzversicherers wegen seiner Zugehörigkeit zum selben Konzern wie der Haftpflichtversicherer des Fahrzeuglenkers, gegen welchen er allenfalls wegen des streitigen Gesundheitsschadens vorgehen müsse. Die Vorinstanz bezeichnete dieses Argument als nicht stichhaltig, zumal ganz allgemein und speziell aus den eingereichten Akten nicht erkennbar sei, weshalb der Rechtsschutzversicherer die einverlangten Unterlagen nicht vertraulich behandeln sollte.  
 
4.2. Da der zum selben Konzern zugehörige Haftpflichtversicherer im Falle des Unterliegens des Haftpflichtversicherten für den Schaden aufkommen muss, könnte der Rechtsschutzversicherer zumindest theoretisch versucht sein, die Interessen des Rechtsschutzversicherten nicht mit gleicher Intensität zu verfolgen wie jene des Haftpflichtversicherers (in diesem Sinne STEFAN FUHRER, in Basler Kommentar, Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG], 2013, N. 17 zu Art. 32, mit Verweis auf deutsche Literatur).  
 
4.2.1. Dadurch, dass dem Versicherten im Schadenfall das Recht zugestanden wird, von Anfang an einen Anwalt eigener Wahl beizuziehen, wird verhindert, dass die soeben beschriebene Interessenkollision sich zum Nachteil des Rechtsschutzversicherten auswirken kann (vgl. Bst. E. Ziff. 2d der vorliegend anwendbaren Allgemeinen Versicherungsbedingungen [AGB], HEV Ausgabe 03/2007, des Rechtsschutzversicherers; Art. 167 Abs. 2 Aufsichtsverordnung [AVO] in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 VAG). Allerdings besteht nicht ein bedingungsloser Anspruch auf freie Anwaltswahl: Der Rechtsschutzversicherer hat das Recht, einen vom Versicherten vorgeschlagenen Anwalt ohne nähere Begründung abzulehnen. In diesen Fällen könnte der Versicherte aber immerhin drei im betreffenden Gerichtskreis ansässige Anwälte aus verschiedenen Anwaltskanzleien vorschlagen, aus welchen der Rechtsschutzversicherer den zu Beauftragenden auswählt (Bst. E. Ziff. 2d AGB; Art. 167 Abs. 2 AVO).  
 
4.2.2. Zur Leistungsauslösung reicht es überdies nicht aus, lediglich einen Versicherungsfall mit Interessenkollision zu behaupten. Der Rechtsschutzversicherer muss in die Lage versetzt werden, die Anspruchsvoraussetzungen eigenständig zu prüfen. Kommt der Anspruchsberechtigte seinen damit zusammenhängenden Obliegenheiten nicht nach, setzt dies die Fälligkeit des Leistungsanspruchs aus (Art. 41 Versicherungsvertragsgesetz [VVG]). Der auf Art. 39 VVG zurückgehende Bst. E Ziff. 2e AGB nimmt in diesem Zusammenhang den Leistungsansprecher ausdrücklich in die Pflicht, die zur Beurteilung der Prozessaussichten nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Daran ändert der vom Beschwerdeführer angerufene Art. 168 AVO nichts, wonach eine Klausel im Versicherungsvertrag (hier: Bst. E Ziff. 2e AGB), mit der sich die versicherte Person verpflichtet, ihren Rechtsvertreter gegenüber dem Versicherungsunternehmen vom Berufsgeheimnis zu entbinden, nicht anwendbar ist, wenn ein Interessenkonflikt besteht und die Weitergabe der verlangen Information an das Versicherungsunternehmen für die versicherte Person nachteilig sein kann. Zwar mag sich der Rechtsanwalt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer im Einzelfall darauf berufen können, nicht jedoch der Anspruchsberechtigte (Näheres dazu siehe  STEPHAN FUHRER, a.a.O. N. 59 f.). Der Versicherte hat die zur Abklärung der Leistungspflicht erforderlichen Belege beizubringen, wobei der Rechtsschutzversicherung bei der Bestimmung, welcher Informationen sie zur Beurteilung des Leistungsanspruchs konkret bedarf, ein weites Ermessen zusteht (vgl. BGE 129 III 510 E. 3.3;  STEFAN FUHRER, a.a.O. N. 53).   Art. 168 AVO kommt in diesem Zusammenhang keine selbstständige Bedeutung zu, was der Beschwerdeführer zu übersehen scheint.    Art. 165 Abs. 3 AVO untersagt den Rechtsschutzversicherern, diese Belege bzw. daraus gewonnene Erkenntnisse innerhalb des Konzerns weiterzugeben. Einer ausdrücklichen Zusicherung gegenüber dem Versicherten, in diesem Sinne zu handeln, bedarf es hierfür nicht.  
Welche Unterlagen die Rechtsschutzversicherung genau einverlangt hat, wurde weder vor Vorinstanz noch letztinstanzlich belegt, auch wenn der Beschwerdeführer von anderem auszugehen scheint. Er behauptet, die Versicherung habe Einblick in die medizinischen Sozialversicherungsakten verlangt. Selbst wenn dies den Tatsachen entsprechen sollte, ist nicht einzusehen, inwiefern der Rechtsschutzversicherer mit einer solchen Forderung sein Ermessen überschritten haben, bzw. sich ausserhalb des rechtlich Zulässigen bewegen könnte, scheint er damit doch in durchaus sachgerechter Weise in die Lage versetzt zu werden, sich ein Bild über seine Leistungspflicht zu verschaffen. Dies umso mehr, weil es ihm auch zusteht, Leistungen für eine Massnahme wegen Aussichtslosigkeit abzulehnen. Dass die angesprochenen medizinischen Akten nichts mit der Schadensregulierung zu tun haben, wird selbst vom Beschwerdeführer nicht ernsthaft behauptet. Lehnt die Rechtsschutzversicherung eine Leistung wegen Aussichtslosigkeit ab, sieht Bst. E Ziff. 2h AGB in Anlehnung an    Art. 169 AVO für den Versicherten die Möglichkeit vor, ein Schiedsverfahren einzuleiten. Damit ist ihm in der vom Verordnungsgeber für sinnvoll betrachteten Form (auch) in diesem Punkt ein Instrument gegen das in E. 4.2 hievor geschilderte Risiko in die Hand gegeben. Ob in solchen Fällen, nachdem der Rechtsschutzversicherer Leistungen wegen Aussichtslosigkeit formell - d.h. schriftlich begründet und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Beschreitung des Schlichtungsverfahrens versehen (Bst. E Ziff. 2h AGB; Art. 169 Abs. 2 AVO) - abgelehnt hat, allenfalls Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht, ist eine Frage, die es vorliegend nicht zu beantworten gilt. Denn der Beschwerdeführer hat vorliegend durch die Weigerung, die eingeforderten Akten beizubringen, bis dato einen solchen Entscheid des Rechtsschutzversicherers erst gar nicht ermöglicht.   
 
4.2.3. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege verweigern durfte, weil er eine mögliche Leistungserbringung des Rechtsschutzversicherers durch sein Verhalten in Verletzung seiner vertraglichen Mitwirkungspflichten bisher verunmöglicht hat. Inwiefern damit ein verfassungsmässiger Rechtsgrundsatz, geschweige denn eine der vom Beschwerdeführer angerufenen EMRK-Bestimmungen verletzt sein könnte, ist nicht auszumachen. Nicht zu beantworten ist, wie es sich damit verhielte, wenn der Beschwerdeführer seinen vertraglichen Obliegenheiten gegenüber der Rechtsschutzversicherung nachgekommen wäre, diese aber hernach aus anderern Gründen die Kostengutsprache mit schriftlicher Begründung und Verweis auf die Schlichtungsmöglichkeit verweigert hätte (dazu siehe aber immerhin: RKUV 2001 U 415 S. 91 E. 3 [Urteil U 297/00 vom 17. November 2000]; Urteil I 380/97 vom 29. Dezember 1997; s. auch BGE 119 II 368).  
 
5.   
Aus denselben Gründen ist dem Beschwerdeführer auch letztinstanzlich die unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat er die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und der IV-Stelle Luzern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. April 2016 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel