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[AZA 7] 
I 567/00 Gb 
 
III. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter 
Ursprung; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Urteil vom 29. November 2001 
 
in Sachen 
R.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Paul von Moos, Kasernenplatz 2, 6003 Luzern, 
 
gegen 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- Die 1949 geborene R.________ war seit 1974 als Hilfsarbeiterin bei der Firma X.________ AG tätig. Auf Ende Mai 1992 wurde ihr die Stelle wegen einer Betriebsumstrukturierung gekündigt. Seither ging sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Im Oktober 1996 meldete sie sich unter Hinweis auf Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern holte u.a. 
einen Bericht des Dr. med. A.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 20. September 1997 sowie ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) ein. Die MEDAS zog konsiliarisch Berichte der beiden Ärzte Dres. med. 
M.________, Facharzt FMH für Innere Medizin speziell für Rheumaerkrankungen, und B.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, bei und kam in ihrem Gutachten vom 4. Januar 1999 zum Schluss, der Versicherten sei unter Berücksichtigung des somatischen und psychosomatischen Gesundheitszustandes eine körperlich leichte Beschäftigung zu 50 % zumutbar. Mit Verfügung vom 22. September 1999 sprach die IV-Stelle der Versicherten ab 1. März 1997 bei einem Invaliditätsgrad von 59 % eine halbe Invalidenrente zu. 
 
B.- Die von R.________ hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 29. August 2000 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ beantragen, der kantonale Entscheid und die Verfügung seien aufzuheben und es sei ihr ab 1. März 1997 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrads nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; siehe auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) und die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Verfahren der Invaliditätsbemessung (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1; siehe auch BGE 125 V 261 Erw. 4) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
 
b) Zu ergänzen ist, dass in Fällen, in welchen für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) von Tabellenlöhnen ausgegangen wird, es sich nicht rechtfertigt, für jedes Merkmal, das ein unter den Durchschnittswerten liegendes Einkommen erwarten lässt, separat quantifizierte Abzüge vom in den Lohn- und Strukturerhebungen (LSE) des Bundesamtes für Statistik ausgewiesenen Durchschnittsverdienst vorzunehmen und diese zusammenzuzählen, da damit Wechselwirkungen ausgeblendet werden. Vielmehr ist ganz allgemein der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (BGE 126 V 75 Erw. 5b/bb; vgl. AHI 1999 S. 181 und S. 243 Erw. 4c, 1998 S. 292 oben). Der Abzug vom statistischen Lohn ist unter Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallenden Merkmale auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen (BGE 126 V 75 Erw. b/cc). 
 
c) Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht in dem noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteil B. vom 5. Oktober 2001 (I 724/99) unter Hinweis auf die Rechtsprechung präzisierend festgehalten hat, dass Art. 4 Abs. 1 IVG zu Erwerbsunfähigkeit führende Gesundheitsschäden versichert, worunter soziokulturelle Umstände nicht zu begreifen sind. 
Es braucht in jedem Fall zur Annahme einer Invalidität ein medizinisches Substrat, das (fach)ärztlicherseits schlüssig festgestellt wird und nachgewiesenermassen die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Je stärker psychosoziale oder soziokulturelle Faktoren im Einzelfall in den Vordergrund treten und das Beschwerdebild mitbestimmen, desto ausgeprägter muss eine fachärztlich festgestellte psychische Störung von Krankheitswert vorhanden sein. Das bedeutet, dass das klinische Beschwerdebild nicht einzig in Beeinträchtigungen, welche von den belastenden soziokulturellen Faktoren herrühren, bestehen darf, sondern davon psychiatrisch zu unterscheidende Befunde zu umfassen hat, zum Beispiel eine von depressiven Verstimmungszuständen klar unterscheidbare andauernde Depression im fachmedizinischen Sinne oder einen damit vergleichbaren psychischen Leidenszustand. Solche von der soziokulturellen Belastungssituation zu unterscheidende und in diesem Sinne verselbstständigte psychische Störungen mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sind unabdingbar, damit überhaupt von Invalidität gesprochen werden kann. Wo der Gutachter dagegen im Wesentlichen nur Befunde erhebt, welche in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen ihre hinreichende Erklärung finden, gleichsam in ihnen aufgehen, ist kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben (vgl. AHI 2000 S. 153 Erw. 3). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin ab 1. März 1997 Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung hat. 
 
3.- Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere gestützt auf das Gutachten der MEDAS vom 4. Januar 1999 und die Stellungnahme der Frau Dr. 
med. W.________, Fachärztin FMH für Physikalische Medizin, speziell Rheumaerkrankungen, vom 16. Juni 1998 richtig festgehalten, dass die Beschwerdeführerin unter chronischem linksbetontem Panvertebralsyndrom, Fibromyalgie-Syndrom und psychischem Erschöpfungszustand leidet und ihr leichte körperliche 
Arbeit, bei der keine Lasten über zehn Kilogramm gehoben sowie keine repetitiven Tätigkeiten in gebückter Haltung oder Tätigkeiten über Kopf auszuführen sind, aus medizinischen Gründen im Umfang von 50 % objektiv zumutbar ist. 
 
4.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei einem von der Vorinstanz bestätigten Grad der Arbeitsfähigkeit von 50 % werde der psychischen Komponente ihrer Leiden nicht in ausreichendem Masse Rechnung getragen. Sie beantragt, es sei im Rahmen eines erneuten psychiatrischen Konsiliums abzuklären, ob und inwieweit sich bei ihr eine Arbeitsunfähigkeit aus rheumatologischer Sicht und eine solche aus psychiatrischer Sicht allenfalls kumulieren. 
Dem Antrag ist angesichts der vorstehenden Darlegungen (Erw. 1c hievor) nicht zu folgen. Die MEDAS-Gutachter haben die Versicherte persönlich untersucht, die zwei Konsiliarberichte vom 16. November 1998 und die Berichte der behandelnden Ärzte sowie die Ergebnisse zusätzlicher rheumatologischer und neurologischer Untersuchungen beigezogen, bevor sie den Grad der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gesamthaft auf 50 % schätzten. Sie haben dabei insbesondere auch klar berücksichtigt, dass bei der Beschwerdeführerin psychopathologische Befunde vorliegen. Allerdings gelangten sie zu der Einschätzung, dass vor allem die rheumatologischen und weniger die psychopathologischen Befunde die Arbeitsfähigkeit einschränken. 
Dagegen ist nichts einzuwenden, hat doch der Psychiater Dr. med. B.________ gemäss seinem Bericht vom 19. November 1998 bei der Beschwerdeführerin keine psychischen oder psychosomatischen Beeinträchtigungen spezifiziert, denen im Sinne des Gesagten gegenüber der soziokulturellen Belastungssituation selbstständige Bedeutung und (teil-)invalidisierende, bei der Festsetzung des Arbeitsunfähigkeitsgrads zusätzlich ins Gewicht fallende Krankheitswertigkeit zukommt. Er hat sogar ausdrücklich betont, es sei bei der Versicherten eine eigentliche Depression nicht sichtbar, und er hat insbesondere auch keine Behandlungsbedürftigkeit allfälliger psychischer Leiden angegeben. Er hat zudem ausdrücklich auf "nicht IV-relevante Faktoren" hingewiesen. Als Ursache für den von ihm diagnostizierten psychischen Erschöpfungszustand nannte er im Wesentlichen eine Reihe persönlicher, familiärer und herkunftsbezogener Umstände der Versicherten, wie etwa die Mehrfachbelastung als Mutter und Berufstätige, ihren Teilverzicht auf die Rolle als Erzieherin ihrer Kinder und ganz allgemein kulturelle Faktoren. 
Der von den Ärzten geschätzte und von der Vorinstanz bestätigte Grad einer Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leidensangepassten Tätigkeit ist somit zu bestätigen. 
 
5.- Das kantonale Gericht hat auch die Auswirkungen der genannten gesundheitlichen Einschränkungen in erwerblicher Hinsicht u.a. unter Bezugnahme auf den statistischen Lohn einer Frau für einfache und repetitive Tätigkeiten im privaten Sektor (LSE 1996 S. 17, Tabelle TA1) dargelegt, woraus sich ein Invaliditätsgrad von maximal 62,5 % ergab, was lediglich zum Bezug einer halben Rente berechtigt. Es hat dabei den Abzug vom statistischen Lohn auf der Höchstgrenze von insgesamt 25 % festgesetzt (BGE 126 V 75 Erw. b/cc). In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was zu einer abweichenden Beurteilung zu führen vermöchte. Im Wesentlichen werden die bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen, im angefochtenen Entscheid mit zutreffender Begründung entkräfteten Einwendungen wiederholt. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Exfour und dem Bundesamt 
 
 
für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 29. November 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: