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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_496/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 21. November 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantons- 
gerichts Luzern vom 20. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1960 geborene A.________ war als Bauarbeiter der B.________ AG bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 15. Juni 2010 auf einer Baustelle von einem Gerüst 4,2 Meter in die Tiefe fiel. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses. Für die verbleibenden Unfallfolgen sprach die Anstalt dem Versicherten mit Verfügung vom 28. August 2012 und Einspracheentscheid vom 11. März 2013 ab 1. September 2012 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 32 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von 20 % zu. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 20. Mai 2014 in dem Sinne gut, als es die Sache unter Bejahung der Adäquanz eines allfälligen Kausalzusammenhanges zwischen dem Ereignis vom 15. Juni 2010 und organisch nicht hinreichend nachweisbaren Unfallfolgen zu weiteren Abklärungen an die SUVA zurückwies. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt die SUVA, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid vom 11. März 2013 zu bestätigen. 
 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.2. Der angefochtene kantonale Entscheid vom 20. Mai 2014 stellt einen Zwischenentscheid dar. Da in ihm für die Beschwerdeführerin verbindlich festgehalten wurde, dass ein allfälliger Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 15. Juni 2010 und den über den 1. September 2012 hinaus bestehenden organisch nicht hinreichend nachweisbaren Beschwerden adäquat und damit rechtsgenüglich wäre, wäre die SUVA - könnte sie diesen Entscheid nicht vor Bundesgericht anfechten - unter Umständen gezwungen, eine ihres Erachtens rechtswidrige, leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte sie in der Folge nicht selber anfechten; da die Gegenpartei in der Regel kein Interesse haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen Endentscheid anzufechten, könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr korrigiert werden und würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für den Versicherer führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Auf die Beschwerde der SUVA ist somit einzutreten.  
 
2.   
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
3.   
Streitig ist die Höhe der Leistungsansprüche des Versicherten in der Zeit ab 1. September 2012. Dabei ist letztinstanzlich nicht länger streitig, dass ihm alleine aufgrund der organisch nachweisbaren Befunde ab diesem Datum eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 32 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von 20 % zustehen. Zu prüfen ist indessen, ob die Unfallversicherung auch für allfällige organisch nicht hinreichend nachweisbare Unfallfolgen Leistungen zu erbringen hat. 
 
4.   
 
4.1. Im kantonalen Entscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181), insbesondere bei psychischen Unfallfolgeschäden (BGE 115 V 133), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
4.2.   
 
4.2.1. Die Schwere des Unfalles bestimmt sich dabei nach dem augenfälligen Geschehensablauf und nicht nach den Kriterien, welche bei der Beurteilung der Adäquanz bei mittelschweren Unfällen Beachtung finden. Zu prüfen ist im Rahmen einer objektivierten Betrachtungsweise, ob der Unfall eher als leicht, als mittelschwer oder als schwer erscheint, wobei im mittleren Bereich gegebenenfalls eine weitere Differenzierung nach der Nähe zu den leichten oder schweren Unfällen erfolgt. Massgebend sind der augenfällige Geschehensablauf mit den sich dabei entwickelnden Kräften, nicht jedoch Folgen des Unfalles oder Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können. Derartigen dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht zuzuordnenden Faktoren ist gegebenenfalls bei den Adäquanzkriterien Rechnung zu tragen. Dies gilt etwa für die - ein eigenes Kriterium bildenden - Verletzungen, welche sich die versicherte Person zuzieht, aber auch für - unter dem Gesichtspunkt der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls zu prüfende - äussere Umstände, wie eine allfällige Dunkelheit im Unfallzeitpunkt oder Verletzungs- resp. gar Todesfolgen, die der Unfall für andere Personen nach sich zieht (SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1). Immerhin können die erlittenen Verletzungen aber Rückschlüsse auf die Kräfte, die sich beim Unfall entwickelt haben, gestatten (SVR 2009 UV Nr. 57 S. 203, 8C_77/2009 E. 4.1.1).  
 
4.2.2. Gemäss den unbestritten gebliebenen Feststellungen der Vorinstanz hatte der Versicherte am 15. Juni 2010 den Auftrag, auf einer Baustelle ein Schalungsgeländer zu montieren. Dabei stand er nicht nur auf dem Beton, sondern auch auf der Verschalung. Vorgängig war von unten her an derselben Verschalung gearbeitet und ein Sicherheitselement entfernt worden. Die Verschalung vermochte den Versicherten nicht zu tragen und dieser stürzte 4,2 Meter in die Tiefe.  
 
4.2.3. Praxisgemäss werden Stürze aus einer Höhe zwischen etwa zwei (vgl. Urteil U 410/00 vom 14. Februar 2002 E. 2c) und etwa vier Metern (vgl. Urteil 8C_316/2009 vom 8. Juni 2009) in die Tiefe noch als im engeren Sinne mittelschwere Unfälle qualifiziert (vgl. auch Urteil 8C_584/2007 vom 9. September 2008 E. 4.1, U 3/03 vom 4. September 2003 E. 3.4 und U 41/06 vom 2. Februar 2007 E. 9); landet die versicherte Person auf den Füssen, so ist selbst bei einer Sturzhöhe von fünf Metern nicht ein Unfall im Grenzbereich zu den schweren Ereignissen anzunehmen (vgl. Urteil U 11/07 vom 27. Februar 2008 E. 4.2.2). Der Versicherte verletzte sich bei seinem Sturz am Sprunggelenk und an der Lendenwirbelsäule. Daraus ist zu schliessen, dass der Aufprall auf den Boden jedenfalls nicht kopfüber stattfand. Somit ist entgegen den Erwägungen der Vorinstanz bei einer Sturzhöhe von 4,2 Metern noch von einem im engeren Sinne mittelschweren Unfall auszugehen. Die Adäquanz eines allfälligen Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis vom 15. Juni 2010 und allfälligen organisch nicht hinreichend nachweisbaren Unfallfolgen wäre damit lediglich dann zu bejahen, wenn eines der massgebenden Kriterien ausgeprägt erfüllt wäre oder drei der Kriterien gegeben wären (vgl. Urteil 8C_897/2009 vom 29. Januar 2010 E. 4.5).  
 
4.3. Das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalles ist objektiv zu beurteilen und nicht auf Grund des subjektiven Empfindens bzw. Angstgefühls der versicherten Person (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 207, U 287/97 E. 3b/cc; Urteil U 56/07 vom 25. Januar 2008 E. 6.1). Zu beachten ist, dass jedem mindestens mittelschweren Unfall eine gewisse Eindrücklichkeit eigen ist, welche somit noch nicht für eine Bejahung des Kriteriums ausreichen kann (vgl. Urteil 8C_39/2008 vom 20. November 2008 E. 5.2). Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist das Kriterium vorliegend nicht erfüllt.  
 
4.4. Wie das kantonale Gericht ausführlich und überzeugend dargelegt hat, ist das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung zu verneinen. Der Beschwerdegegner bringt nichts vor, was zu einer abweichenden Betrachtungsweise Anlass geben würde.  
 
4.5. Der Versicherte gab am 25. August 2011 gegenüber den Ärzten des Spitals C.________ an, die Schmerzen im linken Fuss seien belastungsabhängig, in der Ruhe sei er praktisch beschwerdefrei. Dem Kreisarzt der SUVA berichtete er am 16. November 2011, Sitzen in entspannter Haltung würde zu keinen Schmerzen im Rückenbereich führen. Es ist somit davon auszugehen, dass entspanntes Sitzen sowohl von Seiten des Fusses als auch von Seiten des Rückens schmerzfrei möglich ist. Wie die SUVA unter Hinweis auf das Urteil U 21/06 vom 30. August 2006 E. 4.5 zutreffend ausführt, ist somit entgegen dem kantonalen Entscheid das Kriterium des körperlichen Dauerschmerzes nicht erfüllt.  
 
4.6. Aus der ärztlichen Behandlung und allfälligen erheblichen Beschwerden kann nicht schon auf ein Erfüllen des Kriteriums des schwierigen Heilungsverlaufes und der erheblichen Komplikationen geschlossen werden. Es bedarf hierzu besonderer Gründe, welche die Heilung beeinträchtigt haben. Auch unter der Berücksichtigung des Umstandes, dass es beim Versicherten im Rücken zu einem (zwischenzeitlich erfolgreich sanierten) Implantatbruch kam, ist dieses Kriterium vorliegend zu verneinen.  
 
4.7. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdegegners kann aus dem Implantatbruch auch nicht auf eine ärztliche Fehlbehandlung im Sinne des entsprechenden Kriteriums geschlossen werden.  
 
4.8. Was schliesslich die beiden Kriterien der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen und des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit betrifft, gilt festzustellen, dass selbst wenn diese bejaht werden könnten, sie jedenfalls nicht in ausgeprägter Weise gegeben sind.  
 
4.9. Da mithin keines der massgeblichen Kriterien besonders ausgeprägt vorliegt und selbst dann, wenn man zugunsten des Versicherten die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen als erfüllt erachten würde, sind die Kriterien nicht in gehäufter Weise gegeben, womit die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis vom 15. Juni 2010 und den über den 1. September 2012 hinaus anhaltend geklagten, organisch nicht im Sinne der Rechtsprechung hinreichend nachweisbaren Beschwerden, zu verneinen ist. Die SUVA hatte somit zu Recht ihre Leistungspflicht lediglich für die organisch hinreichend nachweisbaren Unfallfolgen bejaht; entsprechend ist ihre Beschwerde gutzuheissen und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.  
 
5.   
Dem Ausgang der Verfahren entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 20. Mai 2014 wird aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. November 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold