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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_117/2010 
 
Urteil vom 5. März 2010 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno Gebistorf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Abänderung von vorsorglichen Massnahmen (Art. 137 ZGB), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 11. Januar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a X.________ (geb. 1963) und Y.________ (geb. 1966) heirateten am 8. Juli 1994. Die Ehe blieb kinderlos. Seit dem 10. April 2008 ist zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht Z.________ ein Scheidungsprozess hängig. Mit Rekursentscheid vom 5. September 2008 verpflichtete das Obergericht des Kantons Luzern den Ehemann, seiner Ehefrau ab Februar 2008 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'200.-- zu bezahlen. Das Obergericht ging von einem - unbestritten gebliebenen - erweiterten Bedarf der Ehefrau von Fr. 4'500.-- und einer Eigenversorgungskapazität von rund Fr. 2'300.-- bei einer gesundheitlich begründeten Arbeitsunfähigkeit von 40% aus. 
A.b Am 30. September 2009 ersuchte X.________ um Aufhebung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau per 1. Oktober 2009. Er machte im Wesentlichen geltend, es bestünden keine Hindernisse an der Aufnahme einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit mehr bzw. es sei ihr ein hypothetisches Einkommen im Umfang einer IV-Rente, gegebenenfalls von Arbeitslosentaggeldern anzurechnen. Die delegierte Amtsrichterin von Z.________ wies das Gesuch mit Entscheid vom 28. Oktober 2009 ab. 
 
B. 
Das von X.________ dagegen ergriffene Rechtsmittel, mit welchem er nunmehr die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages auf Fr. 670.-- beantragte, blieb erfolglos; das Obergericht des Kantons Luzern wies den Rekurs vom 6. November 2009 kostenfällig ab (Entscheid vom 11. Januar 2010). 
 
C. 
Mit Beschwerde vom 8. Februar 2010 wendet sich X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) an das Bundesgericht und beantragt, der monatliche Unterhaltsbeitrag an Y.________ (nachfolgend Beschwerdegegnerin) sei auf Fr. 670.-- festzusetzen, eventuell sei die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Zivilsache mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert (Art. 51 Abs. 4, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. a und Art. 75 Abs. 1 BGG). Der auf Art. 137 ZGB gestützte Entscheid schliesst das betreffende Massnahmeverfahren als selbständiges Verfahren ab, weshalb er als Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG gilt (BGE 134 III 426 E. 2.2 S. 431; mit ausführlicher Begründung Urteil 5A_9/2007, E. 1.2). Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit im Grundsatz gegeben. 
 
1.2 Weil es sich bei einem Entscheid, der sich auf Art. 137 ZGB stützt, um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG handelt (BGE 133 III 393 E. 5.1 S. 397), kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt. Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es sodann nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Inwiefern diese Rügeanforderungen erfüllt sind und auf die einzelnen Rügen eingetreten werden kann, ist nachfolgend zu prüfen. 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung der Begründungspflicht, indem das Obergericht mit keinem Wort auf seine sowohl in Ziffer 4 des Abänderungsbegehrens vom 30. September 2009 als auch im Rekurs vom 6. November 2009 auf Seite 8 vorgetragene Begründung eingegangen sei, wonach sich die Beschwerdegegnerin zumindest erhältlich machbare Arbeitslosentaggelder anrechnen lassen müsse. Zufolge ihrer formellen Natur ist diese Rüge, die, falls begründet, zur Aufhebung und Rückweisung des angefochtenen Entscheids führen würde, vorab zu behandeln. 
 
2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) gebietet einem Gericht, seine Entscheide zu begründen. Dies bedeutet indessen nicht, dass es sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen widerlegt. Vielmehr kann es sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. Diese verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung gelten auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). 
 
2.3 Vor beiden kantonalen Instanzen ist der Beschwerdeführer davon ausgegangen, die Beschwerdegegnerin sei voll arbeitsfähig und folglich seien die bei einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit erhältlich zu machenden Arbeitslosentaggelder - in der Rekursschrift vom 6. November 2009 ist von einem Betrag von Fr. 3'220.-- die Rede - anzurechnen. Wie sich aus der nachfolgenden Erwägung 3 ergibt, ist die Feststellung des Obergerichts, wonach die Beschwerdegegnerin weiterhin nur zu 60% arbeitsfähig ist, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen war dieses Argument des Beschwerdeführers, das auf einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Beschwerdegegnerin aufbaute, für den Ausgang des Verfahrens nicht (mehr) relevant, weshalb das Obergericht nicht gehalten war, auch es im Detail zu widerlegen. Damit ist eine Verletzung der Begründungspflicht zu verneinen. 
 
2.4 Erstmals vor Bundesgericht bringt der Beschwerdeführer vor, die Beschwerdegegnerin könne für den Anteil von 40%, für welchen das Obergericht von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist, Arbeitslosentaggelder beanspruchen. Diese Behauptungen beschlagen den Sachverhalt; sie sind neu und daher im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig, zumal der Beschwerdeführer nicht dartut, inwiefern erst der angefochtene Entscheid Anlass zu deren Vortrag gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG). Auf diese Rüge ist nicht einzutreten. 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer rügt sodann Willkür in der Sachverhaltsfeststellung infolge willkürlicher Anwendung kantonaler Prozessnormen, indem das Obergericht die Beweislast (sprich: die Folge der Beweislosigkeit) falsch verteilt habe. Es sei Sache der Beschwerdegegnerin gewesen, einschlägige Arztzeugnisse vorzulegen, um ihre fortgesetzte (teilweise) Arbeitsunfähigkeit zu beweisen; er könne "Negativa" nicht beweisen. Die Schlussfolgerung des Obergerichts, wonach er mittels Edition hätte Beweis führen müssen, erweise sich mit Blick auf § 60 ZPO/LU als willkürlich. 
 
3.2 Im Sinne einer Vorbemerkung ist klarzustellen, dass ein Sachverhalt nicht zufolge falscher Beweislastverteilung willkürlich festgestellt sein kann. Die Beweislastverteilung knüpft an die Folgen der Beweislosigkeit. Wo aber das Gericht in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung gelangt ist, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen (bzw. glaubhaft gemacht) oder widerlegt, liegt Beweiswürdigung vor und die Rüge der falschen Beweislastverteilung wird gegenstandslos (BGE 114 II 289 E. 2a S. 290 f., mit Hinweisen; vgl. auch 128 III 271 E. 2b/aa S. 277). Insofern stösst die vom Beschwerdeführer aus der angeblich unrichtigen Beweislastverteilung abgeleiteten Rüge, die vorinstanzliche Feststellung, wonach weiterhin eine 40%ige Arbeitsunfähigkeit bestehe, sei willkürlich, ins Leere. 
 
3.3 Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft bzw. vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens können abgeändert werden, wenn nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils eine wesentliche und dauernde Änderung eingetreten ist oder die tatsächlichen Umstände, die dem Massnahmeentscheid zu Grunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben. Eine Änderung ist ferner angebracht, wenn sich der Entscheid nachträglich im Ergebnis als nicht gerechtfertigt herausstellt, weil dem Massnahmegericht die Tatsachen nicht zuverlässig bekannt waren. Andernfalls steht die formelle Rechtskraft des Eheschutz- bzw. des Präliminarentscheides einer Abänderung entgegen. Eine Abänderung ist ferner ausgeschlossen, wenn die Sachlage durch eigenmächtiges, widerrechtliches, mithin rechtsmissbräuchliches Verhalten herbeigeführt worden ist (Urteil 5P.473/2006 vom 19. Dezember 2006 E. 3, mit zahlreichen Hinweisen; publ. in FamPra.ch 2007 S. 373). 
Im Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses gemäss Art. 137 ZGB genügt es, die behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen (s. § 227 Abs. 1 ZPO/LU). Art. 8 ZGB kommt daher in seinem eigentlichen Ausmass nicht zum Tragen (BGE 118 II 376 E. 3 S. 377). Die Grundregel, wonach jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, die aus ihr Rechte ableitet, gilt indes mutatis mutandis auch in Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen, freilich mit der Abweichung, dass es nicht um einen eigentlichen Beweis, sondern um Glaubhaftmachung geht. Wer einen Anspruch geltend macht, hat die rechtsbegründenden Tatsachen glaubhaft zu machen. Demgegenüber liegt die Last der Glaubhaftmachung für die rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei, welche den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet (im Zusammenhang mit Art. 8 ZGB: BGE 128 III 271 E. 2a/aa S. 273). 
 
3.4 Im Abänderungsprozess hat nicht die Beschwerdegegnerin die Anspruchsgrundlagen für eine Unterhaltsrente zu belegen, sondern es obliegt dem Beschwerdeführer, die tatbeständlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen, aus denen auf die Abänderbarkeit des rechtskräftigen Urteils vom 5. September 2008 bzw. den (teilweisen) Untergang des Unterhaltsanspruchs der Beschwerdegegnerin geschlossen werden muss. Mithin wäre es am Beschwerdeführer gewesen, glaubhaft zu machen, dass die Beschwerdegegnerin keinerlei Einschränkungen in ihrer Erwerbsfähigkeit (mehr) unterliegt. In diesem Sinne erweist sich der Vorwurf, das Obergericht habe ihm zu Unrecht vorgeworfen, keinen Antrag auf ärztliche Begutachtung der Beschwerdegegnerin oder auf Einholung eines einschlägigen ärztlichen Berichts gestellt zu haben, als unbegründet. 
Insofern der Beschwerdeführer behauptet, aus § 60 ZPO/LU sei hinsichtlich der Beweislastverteilung eine andere Schlussfolgerung zu ziehen, kann ihm nicht gefolgt werden. § 60 ZPO/LU statuiert den Verhandlungs- und den Verfügungsgrundsatz. Eine Erklärung dafür, inwiefern sich daraus eine von den soeben dargelegten Grundsätzen abweichende Beweislastregelung ergibt, bleibt er schuldig. Von einer willkürlichen Anwendung dieser Bestimmung kann keine Rede sein. 
Dass er das Beweismass der Glaubhaftmachung auch ohne zusätzliche Gutachten oder ärztliche Berichte erfüllt hat, behauptet der Beschwerdeführer nicht, und er trägt daher die Folgen der misslungenen Glaubhaftmachung der von ihm behaupteten rechtsvernichtenden Tatsachen. 
Alle anderen Vorbringen des Beschwerdeführers, aus denen er die Unrichtigkeit der festgestellten Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdegegnerin ableiten will, sind nicht entscheidrelevant. Ausserdem stellen sie rein appellatorische Kritik dar, denn damit vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, inwiefern die strittigen Feststellungen mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Versehen beruhen oder sich sonstwie sachlich in keiner Weise rechtfertigen lassen (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397; 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 128 I 81 E. 2 S. 86; 120 Ia 31 E. 4b S. 40, mit Hinweisen); darauf könnte daher ohnehin nicht eingetreten werden (s. E. 1.2 hiervor). 
 
3.5 Der Beschwerdeführer rügt auch die Erwägung des Obergerichts als willkürlich, wonach sich die Annahme eines hypothetischen Vollzeitpensums auch deshalb nicht aufdränge, weil jener sich in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen befinde. Da sich sein Haupteinwand als unbegründet und damit die Abweisung des Gesuches um Abänderung des Massnahmenentscheids vom 8. September 2008 nicht als verfassungswidrig (Art. 98 BGG) erweist, kann auf eine Stellungnahme zu diesen weitergehenden Rügen verzichtet werden. 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 5. März 2010 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Schett