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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_8/2008 / aka 
 
Urteil vom 14. Mai 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Erich Eicher, 
 
gegen 
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Regierungsrat des Kantons Zürich, 
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, vom 21. November 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der aus dem Kosovo stammende X.________ (geb. 1967) heiratete 1989 seine Landsfrau Y.________ (geb. 1969). Mit ihr hat er die drei Kinder A.________ (geb. 1990), B.________ (geb. 1992) und C.________ (geb. 1997). Am 16. August 2002 wurde die Ehe durch das Bezirksgericht Prizren geschieden und die Kinder unter die elterliche Sorge des Vaters gestellt. Seit dem Jahre 2003 leben Tochter und Söhne im Kosovo bei den Grosseltern väterlicherseits. 
 
X.________ hatte sich erstmals 1988 bis 1991 als Saisonnier in der Schweiz aufgehalten, danach wieder von 1998 bis 2000 als Asylbewerber. Am 6. Oktober 2003 heiratete er die in der Schweiz niederlassungsberechtigte, ihrerseits geschiedene dominikanische Staatsangehörige Anadina Nuñez und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung, die in der Folge mehrmals verlängert wurde. 
 
B. 
Mit Verfügung vom 9. Februar 2007 wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Migrationsamt) das von X.________ am 28. September 2006 gestellte Gesuch um Nachzug seiner drei Kinder ab, im Wesentlichen mit der Begründung, diese seien in Serbien und Montenegro aufgewachsen, würden dort von den Grosseltern betreut und hätten noch nie festen Wohnsitz in der Schweiz gehabt. X.________ lege auch keine stichhaltigen Gründe dar, welche eine Veränderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse gebieten würden. 
 
Der gegen diese Verfügung beim Regierungsrat des Kantons Zürich erhobene Rekurs blieb erfolglos, und mit Urteil vom 21. November 2007 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den regierungsrätlichen Entscheid vom 11. Juli 2007 gerichtete Beschwerde ebenfalls ab. 
 
C. 
Mit Eingabe vom 28. Dezember 2007 führt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. November 2007, des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 11. Juli 2007 sowie die Verfügung der kantonalen Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) vom 9. Februar 2007 aufzuheben und den Familiennachzug der drei Kinder zu bewilligen. 
 
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat - die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Migration hat sich vernehmen lassen, ohne einen konkreten Antrag zu stellen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. 
 
1.2 Zwar ist am 1. Januar 2008 das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) in Kraft getreten, doch bestimmt dessen Art. 126 Abs. 1, dass auf Gesuche, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereicht worden sind, noch das bisherige Recht anwendbar bleibt. Das streitige Familiennachzugsgesuch wurde vor Inkrafttreten des Ausländergesetzes gestellt und beurteilt sich daher - soweit nationales Gesetzesrecht Anwendung findet - noch nach dem inzwischen aufgehobenen Bundesgesetz vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) und seinen Ausführungserlassen. 
 
1.3 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammenwohnen und noch nicht 18 Jahre alt sind. 
 
Der Beschwerdeführer als Vater der drei nachzuziehenden Kinder ist nicht im Besitz einer Niederlassungs-, sondern bloss einer Aufenthaltsbewilligung. Für den Familiennachzug kann er sich daher nicht auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG berufen. Aus dem innerstaatlichen Gesetzesrecht lassen sich vorliegend keine Ansprüche ableiten. Nichts anderes ergäbe sich übrigens aus dem neuen Ausländergesetz (vgl. Art. 43 und Art. 44 AuG). 
 
1.4 Art. 8 EMRK und Art. 13 BV garantieren den Schutz des Familienlebens. Gestützt darauf ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seines hier anwesenden nahen Verwandten zulässig, wenn dieser über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt und die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 109 Ib 183; 127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f., mit Hinweisen). 
 
Der Beschwerdeführer besitzt aufgrund seiner - noch nicht fünf Jahre dauernden - Ehe mit einer in der Schweiz niederlassungsberechtigten Staatsangehörigen der Dominikanischen Republik gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 1 ANAG einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung und insoweit ein gefestigtes Anwesenheitsrecht. Er kann damit zwar nicht nach dem innerstaatlichen Gesetzesrecht, aber doch gestützt auf Art. 8 EMRK einen grundsätzlichen Anspruch auf Nachzug seiner minderjährigen Kinder geltend machen. Für Ansprüche, die sich direkt auf Art. 8 EMRK stützen, ist aber das Alter der Kinder im Zeitpunkt der Fällung des bundesgerichtlichen Urteils massgebend (vgl. BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 sowie Urteil 2A. 558/2006 vom 22. Februar 2007, E. 2.3 mit Hinweisen). Da die am 20. Januar 1990 geborene älteste Tochter A.________ heute volljährig ist, kann der Beschwerdeführer für sie keinen Nachzugsanspruch aus Art. 8 EMRK mehr ableiten; ein besonderes, nach der Mündigkeit fortbestehendes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Vater und der volljährigen Tochter, welches allenfalls einen derartigen Anspruch verschaffen könnte (BGE 120 Ib 257 E. 1d/e S. 260 f.), wird weder behauptet noch dargetan. Soweit der Familiennachzug für die Tochter A.________ verlangt wird, ist auf die Beschwerde mangels eines Rechtsanspruches daher nicht einzutreten. 
 
1.5 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann einzig der kantonal letztinstanzliche Entscheid angefochten werden (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Soweit vorliegend auch die Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheides vom 11. Juli 2007 und der Verfügung der kantonalen Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) vom 9. Februar 2007 verlangt wird, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
1.6 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
2.1 Die in der Rechtsprechung zu Art. 7 und 17 ANAG entwickelten Voraussetzungen für den nachträglichen Nachzug von Kindern, welche sinngemäss auch für Ansprüche aus Art. 8 EMRK gelten, sind unterschiedlich, je nachdem ob es sich um die Vereinigung mit den gemeinsamen Eltern oder aber mit einem getrennt lebenden Elternteil handelt. Im ersten Fall bedarf es, unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches, keiner besonderen Rechtfertigung dafür, dass das Nachzugsrecht erst nachträglich geltend gemacht wird; im zweiten Fall dagegen wird ein nachträglicher Familiennachzug nur bewilligt, wenn besondere familiäre Gründe bzw. eine Änderung der Betreuungssituation dies gebieten (BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; 129 II 11 E. 3.1 S. 14 f.; 126 II 329 E. 2a und 3b S. 330/332). Das ist regelmässig nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen, beispielsweise weil dadurch vermieden werden kann, dass das Kind aus seiner bisherigen Umgebung und dem ihm vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird (BGE 133 II 6 E. 3.1.2 S. 11 f.; 125 II 585 E. 2c S. 588 mit Hinweisen). 
Auf die Frage der vorrangigen Beziehung kommt es nach der jüngeren Praxis nicht mehr an (vgl. etwa Urteil 2C_290/2007 vom 9. November 2007, E. 2.1). 
Der Beschwerdeführer kann als getrennt lebender Elternteil den nachträglichen Nachzug seiner beiden jüngeren Kinder nur verlangen, wenn stichhaltige Gründe für deren Übersiedlung zum Vater in die Schweiz bestehen. Diese Gründe müssen angesichts der drohenden Integrationsschwierigkeiten umso gewichtiger sein, je älter die nachzuziehenden Kinder sind (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16, vgl. dazu auch BGE 133 II 6, E. 5.3, u.a. mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i. S. Tuquabo-Tekle [Nr. 60665 vom 1. Dezember 2005]). 
 
2.2 Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (vorne E. 1.6) leben die beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers (rund 16 und 11 Jahre alt) zusammen mit der mittlerweile volljährigen Schwester seit dem Jahre 2003 bei den Grosseltern väterlicherseits. Ihre Mutter lebt unweit davon in einem anderen Dorf. Der Grossvater (geb. 1944) musste im März 2006 wegen Entzündung der Bauchspeicheldrüse und Bauchfellentzündung operiert werden; gemäss einem aktenkundigen Bericht ist er krankheits- und altersbedingt heute nicht mehr in der Lage, weiterhin für seine Enkel zu sorgen. 
Dem Verwaltungsgericht lag sodann u.a. ein auf Veranlassung des Beschwerdeführers abgegebener Bericht des Zentrums für Sozialarbeit Rahovec vor (wonach die Grosseltern erklärt hätten, nicht mehr für die Grosskinder sorgen zu können), ebenso ein Arztzeugnis vom 2. September 2007, wonach die Grossmutter an arteriellem Bluthochdruck bzw. den damit einhergehenden Herzbeschwerden leide und "arbeitsunfähig" sei. 
 
Daraus schloss das Verwaltungsgericht, eine Änderung der Betreuungsverhältnisse sei vorliegend nicht erforderlich. Einerseits seien die betroffenen Kinder nicht mehr in gleichem Masse betreuungsbedürftig wie Kleinkinder, andererseits sei eine arterielle Hypertonie "keine Seltenheit" und "gut behandelbar". Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Grossmutter die noch notwendigen Betreuungsfunktionen durchaus wahrnehmen könne, zumal bei einer Übersiedlung der Kinder in die Schweiz mit grossen Integrationsschwierigkeiten zu rechnen wäre (S. 8 des angefochtenen Entscheides). 
 
2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, es könne keine Rolle spielen, ob die Krankheit der Grossmutter häufig sei oder nicht. Massgebend müsse sein, dass die Grossmutter gemäss dem eingereichten Arztzeugnis nicht mehr arbeitsfähig sei. Ausserdem fehlten Anhaltspunkte für das Vorhandensein alternativer Betreuungsmöglichkeiten. Es könne nicht sein, dass die Kinder unter der Woche ohne elterliche Aufsicht und Fürsorge leben müssten. Schliesslich sei festzuhalten, dass die beiden älteren Kinder mit sehr guten Resultaten privaten Deutschunterricht in Pristina besucht hätten. 
 
Diese Darlegungen ändern nichts am entscheidenden Umstand, dass nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 BGG) die Notwendigkeit des Nachzuges der zurückgelassenen Kinder bzw. eine entsprechende manifeste Änderung der Betreuungssituation vorliegend nicht nachgewiesen ist. Auch wenn der Grossvater gemäss ärztlichem Attest heute schwer krank sein mag, erscheint ein zwingendes Hindernis für eine altersgerechte Weiterbetreuung durch die Grossmutter, welche an Bluthochdruck und damit verbundener Herzschwäche leiden soll, nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich zu Recht hohe Beweisanforderungen gestellt: Je älter die nachzuziehenden Kinder sind, desto grösser sind die zu erwartenden Integrationsschwierigkeiten und desto strengere Anforderungen dürfen alsdann an den Nachweis der Notwendigkeit eines Nachzuges gestellt werden (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16). 
Bei einer Übersiedlung in die Schweiz würden die beiden minderjährigen Kinder nicht nur von ihrer älteren Schwester und ihren Grosseltern getrennt, mit denen sie bisher eine Familiengemeinschaft bildeten, sondern sie würden auch aus ihrer vertrauten sonstigen Umgebung gerissen und wären in der Schweiz mit erheblichen Integrationsschwierigkeiten konfrontiert. Es wäre zudem auch nicht ohne weiteres gewährleistet, dass der erwerbstätige Beschwerdeführer und seine jetzige Ehefrau, welche die Muttersprache der Kinder nicht beherrschen dürfte, deren Betreuung und Beaufsichtigung wirksamer gewährleisten könnten. Bei dieser Sachlage durfte die Vorinstanz das Vorliegen stichhaltiger Gründe für einen nachträglichen Nachzug der im Heimatland zurückgelassenen Kinder verneinen. 
 
3. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 und 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. Mai 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Klopfenstein