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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_40/2007 
 
Urteil vom 5. Mai 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Parteien 
L.________, 1950, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, Sempacherstrasse 6, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 16. Februar 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1950 geborene L.________ meldete der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am 14. Oktober 2003 einen Unfall vom 12. Oktober 2003, bei dem sie durch eine plötzliche, ruckartige Rangierbewegung des Zuges an die Wagenwand geworfen wurde. Die SUVA informierte die Versicherte mit Schreiben vom 3. Juni 2005, dass eine polydisziplinäre Begutachtung vorgesehen sei. Damit wurde im Einverständnis mit L.________ am 9. Juni 2005 die Medas beauftragt. Am 2. September 2005 gab diese der Versicherten die Namen der mit dem Gutachten betrauten Fachärzte und -ärztinnen bekannt. Das Gutachten erging am 17. Januar 2006 und wurde der Versicherten zur Stellungnahme unterbreitet. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 liess L.________ der SUVA mitteilen, Frau Dr. med. K.________, welche das neurologische Teilgutachten verfasst habe, sei befangen, weshalb dieses durch einen unabhängigen Experten zu wiederholen sei. Die Ärztin sei in Praxisgemeinschaft an derselben Adresse wie Frau Dr. med. E.________ tätig, welche die Versicherte am 22. Juni 2004 neurologisch untersucht habe. Auf Rechtsverweigerungsbeschwerde hin verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die SUVA mit Entscheid vom 22. Juni 2006, über das Ausstandsbegehren zu verfügen. Mit Verfügung vom 6. September 2006 wies die SUVA das Ausstandsbegehren ab und verneinte überdies einen Anspruch auf Versicherungsleistungen. 
 
B. 
Beschwerdeweise liess L.________ beantragen, es sei festzustellen, dass das Teilgutachten von Frau Dr. med. K.________ mit einem Ausstandsgrund behaftet sei, und es sei die SUVA zu verpflichten, dieses aus dem Recht zu weisen. Eventuell sei eine Rechtsverweigerung der SUVA festzustellen, weil sie keinen separaten Zwischenentscheid über den Ausstand erlassen habe. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die Beschwerde gegen die Ablehnung des Ausstandsbegehrens der Versicherten mit Entscheid vom 16. Februar 2007 ab. 
 
C. 
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Medas-Teilgutachten von Frau Dr. med. K.________ mit einem Ausstands- und Ablehnungsgrund behaftet und daher aus dem Recht zu weisen sei. 
 
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung, während die SUVA auf Abweisung schliesst. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig. Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 1-2 BGG). Beim kantonalen Entscheid vom 16. Februar 2007 betreffend Ausstand handelt es sich um einen solchen Zwischenentscheid, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2. 
2.1 Muss der Versicherungsträger zur Abklärung des Sachverhalts ein Gutachten einer oder eines unabhängigen Sachverständigen einholen, so gibt er der Partei deren oder dessen Namen bekannt. Diese kann den Gutachter aus triftigen Gründen ablehnen (Art. 44 ATSG). 
 
2.2 Nach der materiell unverändert von Art. 58 aBV in Art. 30 Abs. 1 BV überführten, ebenfalls in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198 mit Hinweisen). Für Sachverständige gelten grundsätzlich die gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe, wie sie für den Richter vorgesehen sind (BGE 120 V 357 E. 3a S. 364). Da sie nicht Mitglied des Gerichts sind, richten sich die Anforderungen zwar nicht nach Art. 30 Abs. 1 BV, sondern nach Art. 29 Abs. 1 BV. Hinsichtlich der Unparteilichkeit und Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV indessen ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198). Bei der Befangenheit handelt es sich um einen inneren Zustand, der nur schwer bewiesen werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung nicht nachgewiesen zu werden, dass die sachverständige Person tatsächlich befangen ist. Es genügt vielmehr, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann jedoch nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden. Das Misstrauen muss vielmehr in objektiver Weise als begründet erscheinen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztgutachten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters ein strenger Massstab anzusetzen (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109). 
 
2.3 Mit Blick auf einen vom Sozialversicherungsträger im Sinne von Art. 44 ATSG vorgesehenen oder beauftragten medizinischen Gutachter können Thema eines Ablehnungsgesuches, welches zu einem selbstständig anfechtbaren Entscheid nach Art. 92 BGG führt, nur formelle Ausschliessungs- oder Ablehnungsgründe bilden, wie sie beispielsweise in Art. 10 VwVG und Art. 36 ATSG (vgl. auch Art. 8 BGG) festgehalten sind. Die Ausstandsgründe nach Art. 36 ATSG stimmen mit denjenigen nach Art. 10 VwVG überein (SVR 2007 IV Nr. 22 S. 77 E. 2.2.3, I 478/04). Dazu gehören ein persönliches Interesse an der zu beurteilenden Sache, aber auch die enge verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verbundenheit mit einer Partei oder andere Gründe von ähnlichem Gewicht (Kieser, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N 3 und 6 zu Art. 36). Bedenken materieller Natur können nicht Inhalt eines Ausstandsbegehrens sein, sondern sind allenfalls im Rahmen der Würdigung des Gutachtens vorzubringen (BGE 132 V 93 E. 6.5 S. 108 f.). 
 
3. 
Im Anschluss an den stationären Aufenthalt in der Klinik B.________ vom 4. Februar bis 10. März 2004 empfahlen die Ärzte laut Austrittsbericht vom 9. März 2004 die Durchführung einer vom Hausarzt in die Wege zu leitenden neurologischen Kontrolluntersuchung. Dieser beauftragte damit Frau Dr. med. E.________, welche die Versicherte am 22. Juni 2004 untersuchte. Der an den Hausarzt adressierte Bericht vom 22. Juni 2004 wurde auch der SUVA zugestellt, nachdem diese anlässlich der Besprechung mit der Beschwerdeführerin vom 23. Juni 2004 vom neurologischen Kontrolluntersuch erfahren hatte. Ob er auch dem Rechtsvertreter der Versicherten zugegangen ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Dies braucht auch nicht näher abgeklärt zu werden, zumal sich daraus keinerlei Hinweise für eine Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. med. K.________ entnehmen lassen. Auch aus dem Teilgutachten von Frau Dr. med. K.________ vom 3. November 2005 kann im Übrigen nicht ohne weiteres auf eine Praxisgemeinschaft der beiden Neurologinnen geschlossen werden, da sie einen separaten Briefkopf verwenden und nur die Adresse dieselbe ist. Im Medas Gutachten vom 17. Januar 2006 ist der Bericht von Frau Dr. med. E.________ unter dem Titel "Vorgeschichte" in der Zusammenfassung über die bei den Akten liegenden medizinischen Unterlagen des Dr. med. I.________ erwähnt. Frau Dr. med. K.________ hat die Versicherte am 3. November 2005 persönlich untersucht und befragt. Auf den Bericht ihrer Praxispartnerin hat sie in ihrem Teilgutachten nicht ausdrücklich Bezug genommen und bei der Anamnese lediglich generell auf die Zusammenfassung der Aktenlage im Hauptgutachten verwiesen. 
 
4. 
4.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung der Akten festgestellt, Frau Dr. med. E.________ sei nicht als behandelnde Ärztin der Versicherten tätig gewesen, sondern habe diese nur einmal im Auftrag des Hausarztes am 22. Juni 2004 untersucht. Seitens der SUVA sei sie nie mit einer Abklärung beauftragt worden. In ihrem Bericht habe sie sich weder zur Arbeitsfähigkeit noch zur Unfallkausalität der Beschwerden geäussert. Dieser habe im Abklärungsverfahren der SUVA keine massgebende Rolle gespielt. In den Akten sei er vor dem Gutachten der Medas einzig von Kreisarzt Dr. med. M.________ erwähnt worden, ohne dass sich dieser jedoch inhaltlich dazu geäussert habe. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, auch aus dem neurologischen Teilgutachten selber würden sich keine Hinweise ergeben, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit von Frau Dr. med. K.________ objektiv zu begründen vermöchten. Solches könne auch nicht im Hinweis auf eine Symptomausweitung erblickt werden, zumal einem Grossteil der mit der Versicherten befassten Mediziner eine extreme Schmerzempfindlichkeit aufgefallen sei. Die Schlussfolgerung, Frau Dr. med. K.________ sei von Dr. med. E.________ instruiert worden, oder es habe eine Absprache und Übernahme der Meinung von Frau Dr. med. E.________ stattgefunden, müsse als reine Schutzbehauptung angesehen werden, nachdem die Untersuchungsergebnisse offenbar nicht zum gewünschten Resultat geführt hätten. 
 
4.2 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Einwände der Versicherten im letztinstanzlichen Verfahren. Aus den medizinischen Unterlagen geht nicht hervor, dass Frau Dr. med. K.________ vor der Teilbegutachtung vom 3. November 2005 jemals mit der neurologischen Behandlung der Versicherten betraut oder sonstwie mit ihr befasst gewesen wäre. Solches wird zudem auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Ein Ausstandsgrund ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Die Versicherte war ausweislich der Akten überdies auch nicht bei Frau Dr. med. E.________ in neurologischer Behandlung, weshalb sich mit Bezug auf ihre Person die Frage nach einer allfälligen Praxisvertretung zum Vornherein nicht stellt. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den Ablehnungsgrund der Befangenheit, da die Medas-Teilgutachterin in derselben Arztpraxis arbeite wie Frau Dr. med. E.________, die sie bereits früher untersucht habe. Nach der Rechtsprechung begründet die blosse Möglichkeit, dass ein Experte fachlich veranlasst sein könnte, sich mit früheren Gutachten von Kollegen oder Vorgesetzten (des gleichen medizinischen Instituts) allenfalls auch kritisch auseinander zu setzen, noch keinen objektiven Anschein der Befangenheit (Urteil 1B_22/2007 vom 29. Mai 2007). Eine implizite Übernahme der subjektiven Meinung der Praxiskollegin oder gar eine Absprache zwischen den beiden Neurologinnen ist in keiner Art und Weise erstellt und kann insbesondere nicht im geäusserten Verdacht auf eine Verarbeitungsstörung erblickt werden. Die inhaltliche Kritik am Teilgutachten von Frau Dr. med. K.________ und die materiellen Ausführungen zur medizinischen Gesamtsituation betreffen sodann keine im vorliegenden Verfahren gültigen Rügen, sondern beschlagen Fragen, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu prüfen und bei der Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs zu berücksichtigen sein werden. Aus diesem Grund hat auch der letztinstanzlich eingereichte Bericht des FMRI-Zentrums vom 7. Januar 2008 unbeachtlich zu bleiben. 
 
4.3 Liegen somit keine Gründe vor, die auf mangelnde Objektivität und auf Voreingenommenheit von Frau Dr. med. K.________ schliessen lassen, was bereits zum Vornherein Zweifel am Beweiswert ihres Teilgutachtens rechtfertigen könnte, verletzt es kein Bundes- oder Verfassungsrecht, dass das kantonale Gericht dieses nicht als unverwertbar erklärte. Aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergeben sich im vorliegenden Zusammenhang keine weitergehenden Ansprüche. 
 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 5. Mai 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung i.V. Kopp Käch