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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_669/2018  
 
 
Urteil vom 18. April 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Rufener, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden, 
Neue Steig 15, 9100 Herisau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 22. Mai 2018 (O3V 17 20). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1957 geborene A.________ meldete sich im April 2015 unter Hinweis auf psychische und physische Beeinträchtigungen bei der Invalidenversicherung zur Früherfassung und im Januar 2016 zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Appenzell-Ausserrhoden prüfte die medizinischen sowie die erwerblichen Verhältnisse, wozu sie auch Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) Ostschweiz einholte (erstattet am 13. April und am 12. Oktober 2016). Mit Vorbescheid vom 7. November 2016 kündigte sie die Verneinung eines Rentenanspruches an (ermittelter Invaliditätsgrad: 15 %). A.________ erhob dagegen Einwand und reichte verschiedene Arztberichte ein. Die Verwaltung ersuchte den RAD um eine Stellungnahme; RAD-Arzt Dr. med. B.________ führte eine arbeitsmedizinische Abklärung durch (Bericht vom 3. März 2017). Am 9. März 2017 erging ein weiterer rentenablehnender Vorbescheid (ermittelter Invaliditätsgrad: 13 %), gegen den A.________ wiederum Einwand erhob. Mit Verfügung vom 29. Mai 2017 hielt die IV-Stelle an ihrer ablehnenden Haltung fest. 
 
B.   
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen beantragen. Mit Entscheid vom 22. Mai 2018 wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden die Beschwerde ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und es seien die gesetzlichen Leistungen auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (unter anderem) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97   Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben. Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle. 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz mit der Bestätigung der rentenablehnenden Verfügung vom 29. Mai 2017 Bundesrecht verletzt hat. 
 
3.  
 
3.1. Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden rechtlichen Grundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG). Richtig wiedergegeben sind auch die beweisrechtlichen Anforderungen an medizinische Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.). Darauf wird verwiesen.  
 
3.2. Zu ergänzen ist, dass der Beweiswert von RAD-Berichten nach Art. 49 Abs. 2 IVV mit jenem externer medizinischer Sachverständigengutachten vergleichbar ist, sofern sie den praxisgemässen Anforderungen an ein ärztliches Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.) genügen und der Arzt oder die Ärztin über die notwendigen fachlichen Qualifikationen verfügt (BGE 137 V 210 E. 1.2.1 S. 219; Urteil 8C_839/2016 vom 12. April 2017 E. 3.2, in: SVR 2018 IV Nr. 4 S. 11; MEYER/REICHMUTH Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 59 IVG). Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, kann indessen auf das Ergebnis versicherungsinterner ärztlicher Abklärungen - zu denen die RAD-Berichte gehören - nicht abgestellt werden, wenn auch nur geringe Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit bestehen (vgl. auch BGE 142 V 58 E. 5.1 in fine S. 65; 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 in fine S. 470).  
 
3.3. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person sowie bei der konkreten Beweiswürdigung handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (vgl. E. 1). Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106   Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hielt den RAD-Bericht vom 3. März 2017, welcher in Kenntnis der Vorakten abgegeben wurde, für beweiswertig und erachtete zusätzliche (externe) Abklärungen als entbehrlich. Gestützt auf die Angaben von RAD-Arzt Dr. med. B.________ stellte sie fest, der Versicherte sei in seiner Leistungsfähigkeit einzig durch die diagnostizierte Zervikozephalgie beeinträchtigt, welche sich in erster Linie durch Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf, aber auch durch Kopfschmerzen äussere. Es sei ihm - auch unter Berücksichtigung seines Alters - zumutbar, die im RAD-Bericht vom 3. März 2017 festgehaltene volle Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten (d.h. der HWS-Symptomatik Rechnung tragenden) Tätigkeit zu verwerten.  
Im Rahmen des Einkommensvergleichs ging das kantonale Gericht von den durch die IV-Stelle ermittelten Werten (Valideneinkommen: Fr. 74'310.-; Invalideneinkommen Fr. 64'380.-) aus, rechnete beide auf das Jahr 2015 hoch und passte das anhand von Tabellenlöhnen ermittelte Invalideneinkommen zusätzlich an die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 41.7 Stunden an. Nach Gegenüberstellung der auf diese Weise geringfügig korrigierten Vergleichseinkommen      (Fr. 76'193.- und Fr. 67'298.-) gelangte die Vorinstanz zu einem Invaliditätsgrad von (gerundet) 12 %, welcher keinen Anspruch auf eine Rente verleiht. 
 
 
4.2. Gemäss der in der Beschwerde vertretenen Auffassung bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit des RAD-Berichts vom 3. März 2017. Aus diesem Grund sei es bundesrechtswidrig, darauf abzustellen; es müssten weitere Sachverhaltsabklärungen getroffen werden. Vorab verfüge Dr. med. B.________ nur über einen Weiterbildungstitel "Arbeitsmedizin", aber keinen "weiteren" Facharzttitel, insbesondere keinen FMH-Facharzttitel. Er sei weder Psychiater noch Orthopäde oder Neurologe. Sodann stehe seine Einschätzung in Widerspruch zu den fachärztlichen Berichten aus den Bereichen Psychiatrie, Radiologie und orthopädische Chirurgie. Die Vorinstanz habe sich darauf abgestützt und die abweichenden ärztlichen Beurteilungen ausser acht gelassen. Weiter sei der RAD-Bericht vom 3. März 2017 in sich widersprüchlich, indem Dr. med. B.________ die Arbeitsfähigkeit aufgrund der chronifizierten Zervikozephalgie lediglich im angestammten Beruf für (um 40 %) eingeschränkt halte und in einer angepassten Tätigkeit von einer vollen Leistungsfähigkeit ausgehe. Ohnehin aber sei ein Anwendungsfall von BGE 141 V 281 zu beurteilen und damit zwingend ein den höchstrichterlichen Anforderungen genügendes Gutachten einzuholen; ein solches liege bis heute nicht vor.  
 
4.2.1. Der in der Beschwerde erhobene Einwand, RAD-Arzt Dr. med. B.________ verfüge über keinen "weiteren" Facharzttitel und sei nicht Spezialist in den hier relevanten Disziplinen, ist nicht geeignet, seiner Arbeitsfähigkeitsschätzung die Beweiskraft abzusprechen (vgl. auch Urteil 9C_196/2014 vom 18. Juni 2014 E. 5.2). Gemäss dem Ärzteverzeichnis der FMH (im Internet abrufbar unter www.doctorfmh.ch) erwarb Dr. med. B.________ den Facharzttitel "Arbeitsmedizin" im Jahr........ in Deutschland, wobei sich zusätzlich unter der Rubrik "Fortbildungs-Diplom/-Bestätigung" der Eintrag "Arbeitsmedizin" findet. Bei den RAD-Ärzten hat hinsichtlich der Frage, ob ausländische Diplome die im Einzelfall gefragten Qualifikationen erfüllen, dasselbe zu gelten wie bei den Gutachtern: Sie müssen nicht zwingend eine FMH-Ausbildung absolviert haben; eine entsprechende ausländische Fachausbildung genügt (BGE 137 V 210 E. 3.3.2 in fine S. 246; Urteile 8C_997/2010 vom 10. August 2011 E. 2.4; 9C_270/2008 vom 12. August 2008 E. 3.3). Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers verfügt Dr. med. B.________, welcher im Übrigen unter anderem auch zertifizierter bzw. rezertifizierter medizinischer Gutachter (SIM) ist, mit dem erwähnten, in Deutschland erworbenen Facharzttitel ohne weiteres über die erforderlichen beruflichen Qualifikationen, eine arbeitsmedizinische Beurteilung abzugeben, wie er dies im Bericht vom 3. März 2017 getan hat.  
 
4.2.2. Wie die Vorinstanz gestützt auf den RAD-Bericht vom 3. März 2017 verbindlich festgestellt hat, wird die Arbeitsfähigkeit des Versicherten allein durch die (chronifizierte) Zervikozephalgie (bei multiplen mehrsegmentalen Degenerationen und psychosomatischer Überlagerung) beeinträchtigt. Im Rahmen seiner Untersuchung war         Dr. med. B.________ zum Ergebnis gelangt, die von den behandelnden Ärzten für die angestammte Tätigkeit als Kaufmann, der häufig und lange mit dem Auto unterwegs ist, attestierte Arbeitsunfähigkeit von 40 % könne übernommen werden. Damit bezog er sich implizit auf den Bericht des Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, Wirbelsäulenzentrum D.________, vom 15. Dezember 2016, wonach der Versicherte in seiner Tätigkeit als Kaufmann vor allem eingeschränkt ist, weil er sehr viel mobil sein muss und lange Autofahrten zu seiner Arbeit gehören, so dass insgesamt (unter Mitberücksichtigung der Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit durch die Nackenschmerzen) eine Leistungseinbusse von 40 % resultiert. Da sich Dr. med. B.________ der Beurteilung des Dr. med. C.________ mithin vollumfänglich anschloss, kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern ein Widerspruch zwischen den beiden bestehen soll. Im Weitern fällt eine Differenz zwischen den zwei Ärzten hinsichtlich der Schätzung der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten (d.h. der HWS-Problematik Rechnung tragenden) Erwerbsarbeit von vornherein ausser Betracht, weil sich Dr. med. C.________ dazu (anders als Dr. med. B.________) gar nicht äusserte. Inwiefern die Beurteilung des RAD-Arztes, wonach der Versicherte eine leidensangepasste Tätigkeit zumutbarerweise vollumfänglich ausüben könnte, schliesslich in sich widersprüchlich sein soll, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, ist nicht ersichtlich. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass der Versicherte durch die (ihn in seiner Arbeitsfähigkeit allein beeinträchtigende) Wirbelsäulenproblematik in seinem früheren Beruf als Kaufmann, der häufig lange Autofahrten unternehmen muss, wesentlich eingeschränkt ist, während er eine diesem Leiden angepasste Tätigkeit - mangels anderer gesundheitlicher Einschränkungen - zumutbarerweise voll ausüben könnte. Bei dieser Sachlage verletzt es kein Bundesrecht, dass das kantonale Gericht den RAD-Bericht vom 3. März 2017 für nachvollziehbar sowie schlüssig hielt und darauf abstellte.  
 
4.2.3. Dass sich der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, es sei in jedem Fall zwingend ein Gutachten einzuholen, nicht auf die Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 abstützen lässt, wurde im angefochtenen Entscheid zutreffend dargetan. Darauf wird verwiesen.  
 
4.2.4. Zur Invaliditätsbemessung, wie sie die Vorinstanz auf dieser Grundlage (Zumutbarkeit eines Arbeitspensums von 100 % in einer leidensangepassten Tätigkeit) anhand eines Einkommensvergleichs vorgenommen hat, äussert sich der Beschwerdeführer nicht. Weiterungen dazu erübrigen sich.  
 
4.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass der vorinstanzliche Entscheid, welcher die rentenablehnende Verfügung vom 29. Mai 2017 bestätigt, im Einklang mit dem Bundesrecht steht.  
 
5.   
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. April 2019 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann