Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
[AZA] 
I 268/99 Hm 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Rüedi und Bundes- 
richterin Widmer; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 26. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 33, Bern, 
Beschwerdeführer, 
gegen 
 
B.________, 1989, Beschwerdegegner, vertreten durch seine 
Mutter O.________, 
 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Mit Verfügung vom 14. Mai 1997 lehnte die IV-Stel- 
le des Kantons Zürich das Gesuch um Kostengutsprache an ein 
Velo mit hydraulischen Stützrädern für den 1989 geborenen 
B.________ ab. 
    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozial- 
versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 
8. April 1999 gut und wies die IV-Stelle an, die Kosten für 
das erwähnte Fahrrad im Betrag von Fr. 1604.25 zu überneh- 
men. 
 
    C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale 
Entscheid sei aufzuheben. Die IV-Stelle schliesst sich die- 
sem Rechtsbegehren an, während die Mutter von B.________ 
die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Am 26. Mai 1999 hat das Eidgenössische Versiche- 
rungsgericht die Mutter des am Recht stehenden Kindes zur 
Vernehmlassung innert 20 Tagen eingeladen. Das Schreiben 
wurde ihr gemäss Bestätigung auf der Gerichtsurkunde am 
27. Mai 1999 ausgehändigt. Die Frist von 20 Tagen lief 
daher am 17. Juni 1999 ab. Die Vernehmlassung der Mutter 
ist zwar mit 16. Juni 1999 datiert, wurde aber der Post 
gemäss Stempel des Postbüros Horgen erst am 21. Juni 1999 
übergeben und ist somit verspätet, ohne dass hiefür ein 
stichhaltiger Grund ersichtlich wäre. Diese Eingabe ist 
daher unbeachtlich. 
 
    2.- Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat Ge- 
setz und Rechtsprechung zu den Hilfsmitteln in der Inva- 
lidenversicherung richtig dargelegt, weshalb auf Erwägung 2 
des vorinstanzlichen Entscheides verwiesen wird. 
 
    3.- Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass das bean- 
tragte Fahrrad in der Hilfsmittelliste (HVI-Anhang) nicht 
aufgeführt ist. Ob es sich unter die Rollstühle (Ziff. 9 
HVI-Anhang) bzw. ähnliche Fortbewegungsmittel im Sinne von 
Ziff. 9.01.6 der Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmit- 
teln (WHMI) des BSV subsumieren lässt, kann offen bleiben, 
da das Kind unbestrittenermassen zur Fortbewegung nicht auf 
das Fahrrad angewiesen ist und die erwähnten Hilfsmittel zu 
diesem Zweck abgegeben werden. 
 
    4.- a) Die Vorinstanz hat das Velo unter dem Titel 
medizinische Massnahmen nach Art. 13 IVG zugesprochen. Der 
Knabe leide an einem Geburtsgebrechen (Marfan-Syndrom, 
Ziff. 485 GgV-Anhang). Im Rahmen dieser Vorschrift könnten 
die Kosten von Behandlungsgeräten von der Invalidenver- 
sicherung bezahlt werden, wenn sie in engem, unmittelbarem 
Zusammenhang mit einer von der Versicherung übernommenen 
medizinischen Vorkehr ständen. Vorliegend müsse sich das 
Kind wegen seines Gebrechens einer von der Invalidenver- 
sicherung gewährten Physiotherapie unterziehen. Aufgrund 
der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und der Physio- 
therapeutin stelle das Fahrrad eine ideale Ergänzung zur 
Physiotherapie dar, mit welchem der anvisierte Eingliede- 
rungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise mit ver- 
nünftigem finanziellem Aufwand zu erreichen sei. Daher habe 
die Invalidenversicherung für die entsprechenden Kosten 
aufzukommen. 
 
    b) Demgegenüber wendet das BSV ein, Fahrräder seien 
weit verbreitete Gebrauchsgegenstände, die nicht in die 
Kategorie medizinischer Behandlungsgeräte eingereiht werden 
könnten. Auch mit zusätzlichen Stützrädern mutiere ein sol- 
ches noch nicht zum Therapievelo. Sollte es als sinnvolle 
Ergänzung zur Physiotherapie von der Invalidenversicherung 
übernommen werden, müsste diese konsequenterweise auch 
Schwimmflossen, Fussbälle, Turnschuhe und Ähnliches bezah- 
len. Aufgrund der medizinischen Unterlagen könne der Knabe 
sämtliche Sportarten ausüben. Das streitige Fahrrad sei 
nicht ärztlich verordnet worden. Es fehle an einem unmit- 
telbaren Zusammenhang mit der von der Invalidenversicherung 
übernommenen Physiotherapie, bestehe diese doch aus Atem- 
therapie und Haltungsgymnastik, während das Velo andere 
Ziele, wie die Verbesserung der Geschicklichkeit und der 
Ausdauer anstrebe. Damit habe die Invalidenversicherung die 
Kosten für das Fahrrad nicht zu übernehmen. 
 
    c) Nach ständiger Praxis (SVR 1996 IV Nr. 90 S. 269 
Erw. 5 mit Hinweis) kann die Invalidenversicherung die 
Kosten für ein Behandlungsgerät übernehmen, wenn es einen 
notwendigen Bestandteil einer medizinischen Eingliederungs- 
massnahme nach Art. 12 oder 13 IVG bildet. Dafür ist ent- 
scheidend, ob es in engem, unmittelbarem Zusammenhang mit 
der von der Invalidenversicherung übernommenen medizini- 
schen Vorkehr steht. Vorliegend hat die Invalidenversiche- 
rung eine Physiotherapie bei Frau K.________, dipl. Physio- 
therapeutin, gewährt. Gemäss gemeinsamem Gesuch dieser 
Therapeutin und von Dr. med. L.________, Chefarzt der Kli- 
nik für Kinder und Jugendliche am Spital X.________, vom 
17. März 1997 sind Ausdauer, Leistungsfähigkeit und Kondi- 
tion des Knaben sehr schlecht. Es habe sich die Frage ge- 
stellt, ob ein Therapierad anzuschaffen sei. Derartige 
Räder seien jedoch für den Knaben viel zu schwer. Hingegen 
habe der Versuch, ein konventionelles Kindervelo mit hyd- 
raulischen Stützrädern zu versorgen, Erfolg gebracht. Mit 
Hilfe dieses Velos könne der Knabe die erwähnten Schwächen 
trainieren, die Gelenke und deren Beweglichkeit verbessern 
und eine seiner Herzproblematik entsprechende Muskelkräf- 
tigung erreichen. Aufgrund medizinisch-therapeutischer 
Gesichtspunkte ersuchten beide Unterzeichnenden um Kosten- 
gutsprache für das streitige Fahrrad. Gemäss Bericht von 
Dr. med. N.________, Leiter der Technischen Orthopädie an 
der Orthopädischen Universitätsklinik Y.________, vom 
18. Juni 1997 stellt das Velo eine ideale Ergänzung zu den 
physiotherapeutischen Bemühungen dar. 
 
    d) Der Knabe leidet an einem Geburtsgebrechen und 
erhält von der Invalidenversicherung medizinische Einglie- 
derungsmassnahmen nach Art. 13 Abs. 1 IVG in Form von Phy- 
siotherapie. Das streitige Fahrrad bietet eine erfolgreiche 
Hilfe bei den therapeutischen Bemühungen, da es die selben 
Muskelschwächen angeht wie die Therapie. Es ist zudem ärzt- 
lich empfohlen, hat doch Dr. L.________ das Gesuch vom 
17. März 1997 mitunterzeichnet. Auch Dr. N.________ hat 
sich positiv zum Velo geäussert. Das genügt jedoch nicht 
für eine Kostenübernahme durch die Invalidenversicherung. 
Erforderlich ist vielmehr, dass das Fahrrad einen  notwendi -  
gen Bestandteil der Physiotherapie bildet. Aufgrund der  
Akten trifft dies nicht zu. Gemäss Bericht des Spitals 
I.________ vom 21. September 1995 kann sich der Knabe nor- 
mal körperlich belasten, solange er nicht Wettkampf- oder 
Spitzensport treibt. Er hat somit viele Möglichkeiten, die 
Physiotherapie zu unterstützen. Der Einsatz des Fahrrades 
ist wohl ein sinnvoller, nicht aber ein notwendiger Beitrag 
dazu. Daher fehlt im vorliegenden Fall der von der Praxis 
geforderte enge unmittelbare Zusammenhang mit der medizini- 
schen Eingliederungsmassnahme. Selbst wenn die Notwendig- 
keit zu bejahen gewesen wäre, was hier nicht zutrifft, 
hätte im Übrigen geprüft werden müssen, ob anstelle eines 
Velos mit Stützrädern beispielsweise ein Hometrainer den 
selben Zweck mit geringeren Kosten hätte erfüllen können. 
Der vorinstanzliche Entscheid kann daher nicht bestätigt 
werden. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird  
    der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des 
    Kantons Zürich vom 8. April 1999 aufgehoben. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-  
    rungsgericht des Kantons Zürich und der IV-Stelle des 
    Kantons Zürich zugestellt. 
 
 
Luzern, 26. Januar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: