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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_656/2018  
 
 
Urteil vom 25. Oktober 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Heydecker, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Politische Gemeinde Berlingen, 
vertreten durch die Fürsorgekommission Gemeinde Berlingen, Seestrasse 78, 8267 Berlingen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sozialhilfe (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 11. Juli 2018 (VG.2018.32/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1959, wurde von der Politischen Gemeinde Berlingen vom 1. Juni 2015 bis 30. Juni 2017 sozialhilferechtlich unterstützt. Am 12. Juni 2017 teilte sie der Gemeinde mit, dass ihr eine Erbschaft ausbezahlt worden sei. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2017 forderte die Gemeinde die ausgerichteten Unterstützungszahlungen in der Höhe von insgesamt Fr. 76'798.15 zurück. Den von A.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau (DFS) mit Entscheid vom 1. März 2018 ab. 
 
B.   
Die hiergegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 11. Juli 2018 ab. Es brachte die zwischenzeitlich bei der Gemeinde Berlingen eingegangene Prämienverbilligung für das Jahr 2017 in Höhe von Fr. 1'782.- vom Rückforderungsbetrag in Abzug und verpflichtete A.________, der Gemeinde Berlingen Fr. 75'016.15 zurückzuerstatten. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei zudem aufschiebende Wirkung zu gewähren. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht mit Einschluss der Bundesverfassung gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Soweit die Vorinstanz kantonales Recht anzuwenden hatte, kann, abgesehen von den hier nicht massgebenden Art. 95 lit. c-e BGG, nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Normen des Bundesrechts oder des Völkerrechts (Art. 95 lit. a und b BGG). Im Übrigen kann die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts lediglich im Lichte der verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze, namentlich des Willkürverbots (Art. 9 BV), geprüft werden (BGE 137 V 143 E. 1.2 S. 145; 134 I 153 E. 4.2.2      S. 158; 134 II 349 E. 3 S. 351). Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten wie auch von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist; es gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281; 137 II 305 E. 3.3 S. 310 f.).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht; diese Rüge setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen beinhaltet (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 und       Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.).  
 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie bestätigt hat, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, der Gemeinde Berlingen die im Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis 30. Juni 2017 bezogenen Fürsorgeleistungen in der Höhe von Fr. 75'016.15 zurückzuerstatten. Umstritten ist dabei einzig, ob die Beschwerdeführerin auch für die von ihrer (ausserkantonalen) Heimatgemeinde der Beschwerdegegnerin vergüteten Unterstützungsleistungen im Umfang von Fr. 59'613.15 rückerstattungspflichtig ist. Fest steht hingegen, dass die Beschwerdeführerin durch eine Erbschaft zu Vermögen gekommen ist und ihr die Rückerstattung der bezogenen Sozialhilfe zumutbar ist (vgl. § 19 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Thurgau über die öffentliche Sozialhilfe [Sozialhilfegesetz; SHG TG]). 
 
3.   
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog, die Beschwerdeführerin habe seit Juni 2015 in der Gemeinde Berlingen Wohnsitz im Sinne von § 4 SHG, weshalb gemäss Art. 26 Abs. 1 ZUG für die Rückerstattung das Recht des Kantons Thurgau und damit § 19 Abs. 2 SHG massgebend sei. Art. 26 Abs. 1 ZUG sei im Rahmen der Revision des ZUG im Jahre 2012 (Inkrafttreten am 8. April 2017) nicht aufgehoben oder abgeändert worden und gelte auch dann, wenn der Heimatkanton die vom Unterstützten oder von seinen Erben zurückzuerstattenden Leistungen gemäss Art. 16 ZUG dem Wohnkanton vergütet habe. Damit sei die Berechtigung der Beschwerdegegnerin zur Rückforderung der von ihr im Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis 30. Juni 2017 an die Beschwerdeführerin ausgerichteten Leistungen gegeben, insbesondere auch hinsichtlich der von ihrem Heimatkanton resp. der Heimatgemeinde gestützt auf aArt. 16 ZUG resp. Art. 37a ZUG entrichteten Beiträge von insgesamt Fr. 59'613.15. Unmassgeblich sei, dass aArt. 16 sowie aArt. 26 Abs. 2 und 4 ZUG mit der per 8. April 2017 wirksam gewordenen Revision des ZUG aufgehoben worden seien. Insbesondere habe aArt. 26 Abs. 4 ZUG, wonach der Wohnkanton den entsprechenden Anteil aus den eingenommenen Beiträgen dem Heimatkanton überweisen musste, wenn sich letzterer an den Unterstütztungskosten beteiligt hatte, lediglich das "Innenverhältnis" zwischen Heimat- und Wohnkanton geregelt. Für die Geltendmachung der Rückerstattungsforderung gegenüber der unterstützten Person, mithin für das "Aussenverhältnis", sei diese Bestimmung indessen nicht massgebend gewesen. Somit habe die Aufhebung von aArt. 26 Abs. 4 ZUG nichts an der Zuständigkeit und der Berechtigung der Beschwerdegegnerin zur Geltendmachung der von ihr an die Beschwerdeführerin ausbezahlten Leistungen im streitbetroffenen Zeitraum geändert. Die Vorinstanz erachtete es sodann als unmassgeblich, dass bezüglich    aArt. 26 Abs. 4 ZUG keine Übergangsbestimmung statuiert worden sei. Diese Rechtsfolge lasse sich implizit aus der Übergangsregelung von Art. 37a ZUG ableiten und erweise sich als systemkonform.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin sieht eine Bundesrechtsverletzung darin, dass die Vorinstanz die Revision des ZUG im Jahre 2012 unberücksichtigt gelassen habe. Mit der Streichung von aArt. 26 Abs. 4 ZUG per 8. April 2017 sei die gesetzliche Grundlage für Ansprüche des Heimatkantons auf Rückerstattung aufgehoben worden. Da die Rückerstattungsansprüche des Wohnkantons im Umfange der Zahlungen des Heimatkantons getilgt würden, könne der Wohnkanton nur noch die bei ihm ungedeckt gebliebenen Zahlungen vom ehemaligen Sozialhilfebezüger zurückfordern. Zur Begründung ihres Standpunktes verweist die Beschwerdeführerin auf die Entstehungsgeschichte des    Art. 26 ZUG. Der Gesetzgeber habe in Bezug auf den Rückerstattungsanspruch des Heimatkantons bewusst auf eine Übergangsregelung verzichtet.  
 
4.   
Mit ihren Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Bundesrechtswidrigkeit darzulegen. 
 
4.1. Das kantonale Gericht hat mit in allen Teilen überzeugender Begründung aufgezeigt, dass die Beschwerdeführerin aus der Revision des ZUG per 8. April 2017, insbesondere aus der Streichung des aArt. 26 Abs. 4 ZUG, hinsichtlich ihrer Rückerstattungspflicht nichts für sich ableiten kann. Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, ergibt sich die Pflicht zur Rückerstattung der bezogenen Unterstützungsbeiträge aus dem kantonalen Recht. Das ZUG regelt die Rückerstattung selbst nicht, was die Beschwerdeführerin zu übersehen scheint. Im hier zu beurteilenden Fall richtet sich die Rückerstattungspflicht gemäss    Art. 26 Abs. 1 ZUG unbestrittenermassen nach dem Recht des Kantons Thurgau. Die Ansprüche sind durch die Behörden dieses Kantons geltend zu machen (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 ZUG). Art. 26 Abs. 1 ZUG galt und gilt auch dann, wenn der Heimatkanton die vom Unterstützten oder seinen Erben zurückzuerstattenden Leistungen dem Wohnkanton vergütet hat (vgl.  WERNER THOMET, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], N. 264 zu Art. 26 ZUG). Mithin hat der Wohnkanton den gesamten Rückforderungsanspruch geltend zu machen. Insofern sind die Ansprüche des Wohnkantons entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht im Umfang der eingegangenen Kostenersatzzahlungen des Heimatkantons untergegangen. Soweit die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Standpunktes den Willen des Gesetzgebers bemüht, lässt sie jegliche Auseinandersetzung mit den Materialien zur Revision des ZUG per 8. April 2017 vermissen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.  
 
4.2. Der hier einschlägige § 19 Abs. 2 SHG sieht sodann vor, dass nach vollendetem 18. Altersjahr bezogene Unterstützungsbeiträge zurückzuerstatten sind, soweit dies zumutbar ist. Weder aus dem ZUG noch aus dem kantonalen Recht ergibt sich, dass zurückliegende Leistungen des Heimatkantons von der Rückerstattungsfplicht gemäss      § 19 Abs. 2 SHG ausgenommen wären. Vielmehr besteht darin eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gesamten Unterstützungsbeiträge. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang zu Recht nicht vor, die Vorinstanz habe kantonales Recht willkürlich angewendet (vgl. E. 1.1 hiervor). Damit hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.  
 
4.3. Ob - wie die Beschwerdeführerin behauptet - mit der Streichung von aArt. 26 Abs. 4 ZUG per 8. April 2017 die Partizipation der Heimatkantone an der geleisteten Rückerstattung tatsächlich entfallen ist, ist zu bezweifeln. Das DFS hat in seinem Rekursentscheid vom    1. März 2018 denn auch unmissverständlich festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin der Heimatgemeinde die dieser zustehenden Beträge zurückzuvergüten habe. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Merkblatt der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zur Abschaffung der Rückerstattungspflicht des Heimatkantons (Revision des Zuständigkeitsgesetzes), worauf bereits die Vorinstanz hingewiesen hat. Darüber muss hier aber nicht entschieden werden, ist doch eine allfällige Überentschädigung der Beschwerdegegnerin nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Pflicht der Beschwerdeführerin zur Rückerstattung der gesamten bezogenen Unterstützungsbeiträge gegenüber der Beschwerdegegnerin bleibt davon jedenfalls unberührt.  
 
5.   
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
6.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- sind ausgangsgemäss von der Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Oktober 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest