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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_550/2018  
 
 
Urteil vom 26. November 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Pensionskasse des Bundes PUBLICA, Eigerstrasse 57, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Mai 2018 (200 17 1037 BV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1937 geborene A.________ erhielt gemäss Scheidungskonvention vom 2. August 1999 (gerichtlich genehmigt am 21. September 1999) monatlich die Hälfte der ihrem Ex-Ehegatten zustehenden Rente der Pensionskasse des Bundes PUBLICA. Am 31. August 2006 verstarb der Ex-Ehegatte von A.________, woraufhin ihr die Pensionskasse eine Witwenrente ausrichtete. Auf Anfrage wies die PUBLICA im September 2006 darauf hin, dass die Rente nach dem BVG berechnet werde und diese deshalb deutlich tiefer ausfalle als reglementarische Leistungen, womit A.________ nicht einverstanden war. 
 
B.   
A.________ erhob am 28. November 2017 Klage mit dem Begehren, die PUBLICA habe ihr eine vollumfängliche Witwenrente von Fr. 2'700.- ab 1. September 2006, mithin Fr. 310'797.05 auszubezahlen. Eventualiter sei die Pensionskasse anzuweisen, ihr ab Rechtshängigkeit eine vollumfängliche Witwenrente von Fr. 2'700.- auszubezahlen. Prozessual stellte sie den Antrag, die von der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts bestimmte Besetzung des Spruchkörpers werde wegen eines Verstosses gegen Art. 6 EMRK vollständig abgelehnt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die Klage mit Entscheid vom 23. Mai 2018 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und stellt folgende Anträge: 
 
" 1. Es sei die vorliegende Beschwerde gutzuheissen und das Urteil 200.17.1037 vom 23. Mai 2017 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern aufzuheben. 
2. Es sei unter Aufhebung und Abänderung des Urteils 200.17.1037 vom 23. Mai 2017 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern Dispositiv 1 dahingehend abzuändern, dass "Die Klage vom 28. November 2017 wird gutgeheissen. Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, eine Pensionskassenanpassung vorzunehmen und der Klägerin eine vollumfängliche Witwenrente von Fr. 2'700.- ab 1. September 2006, mithin Fr. 310'797.05, auszubezahlen." Eventualiter sei unter Aufhebung und Abänderung des Urteils 200.17.1037 vom 23. Mai 2017 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern Dispositiv 1 dahingehend abzuändern, dass "Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, eine Pensionskassenanpassung vorzunehmen und der Beschwerdeführerin ab Rechtshängigkeit eine vollumfängliche Witwenrente von Fr. 2'700.- auszubezahlen." 
3. Es sei unter Aufhebung und Abänderung des Urteils 200.17.1037 vom 23. Mai 2017 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern Dispositiv 2 dahingehend abzuändern, dass "Es werden keine Verfahrenskosten erhoben und der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung in Höhe von CHF 10'000.00 (inkl. MWST und Auslagen) zu Lasten des Kantons Bern ausgerichtet." Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Festsetzung einer angemessenen Parteientschädigung zurückzusenden. 
4. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. 
5. Es sei der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und 
6. unter Anwendung des gewährten Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege unterfertigenden Rechtsanwalt Oliver Lücke, allenfalls ein anderer Anwalt, als unentgeltlicher Rechtsvertreter beizuordnen. 
Prozessualer Antrag: 
 
7. Es wird die von der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts bestimmte Besetzung des Spruchkörpers wegen eines Verstosses gegen Art. 6 EMRK in seiner Ausprägung als Anspruch auf "ein auf Gesetz beruhendes Gericht" sowie seinen Anspruch auf ein "unabhängiges und unparteiliches Gericht" vollständig abgelehnt. 
- unter Kosten und Entschädigungsfolge -" 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
In prozessualer Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin, die Bildung des Spruchkörpers der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts verstosse gegen Art. 6 EMRK
 
1.1. Das Bundesgericht setzte sich schon mehrfach mit dieser Rüge auseinander und legte in BGE 144 I 37 E. 2 S. 38 ff. sowie in vielen Folgeurteilen (vgl. hierzu z.B. 5D_50/2018 vom 26. April 2018 E. 2 mit Hinweis auf diverse allein seit Anfang des Jahres 2018 ergangene Urteile) ausführlich dar, dass die Besetzung des Spruchkörpers am Bundesgericht verfassungs- und konventionskonform geregelt ist.  
 
1.2. Im erwähnten BGE 144 I 37 E. 2.2 S. 40 bestätigte es insbesondere, dass in Art. 40 des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 (BGerR; SR 173.110.131) sachliche Kriterien vorgesehen sind, welche das Abteilungspräsidium bei der Besetzung des Spruchkörpers berücksichtigen muss. Eine weitere Objektivierung der Besetzung erfolgt aufgrund der EDV-Applikation "CompCour", welche die weiteren mitwirkenden Richter automatisch bestimmt. Wie das Bundesgericht ausserdem bereits mehrfach aufzeigte, dient die Applikation "CompCour" dazu, die Spruchkörperbesetzung weiter zu objektivieren und vom subjektiven Willen des Abteilungspräsidenten oder der Abteilungspräsidentin zu abstrahieren. Dabei handelt es sich um ein Hilfsinstrument, wobei die relevanten Kriterien sehr wohl auf einer gesetzlichen Grundlage im materiellen Sinne, dem BGerR, beruhen (vgl. unter anderem auch Urteil 6B_211/2018 vom 3. Oktober 2018 E. 5.3). Ebenfalls gesetzlich vorgesehen ist, dass das Bundesgericht in BGE 144 I 37 über seine eigene Zusammensetzung betreffende Rechtsgrundlage urteilte. Dies stellt keine Verletzung von Art. 6 EMRK dar (vgl. Urteil 6B_373/2018 vom 7. September 2018 E. 1).  
 
1.3. Das Bundesgericht äusserte sich ausserdem schon mehrfach zu dem von der Beschwerdeführerin aufgelegten Zeitungsbericht aus dem Jahr 2003. Die Frage, ob es sich dabei um ein zulässiges Novum im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt, kann offen bleiben, denn so oder anders vermag sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, da die rechtliche Ausgangslage heute eine andere ist (vgl. E. 1.2 oben; vgl. z.B. auch Urteile 1B_138/2018 vom 4. Juni 2018 E. 2.4; 1B_119/2018 vom 29. Mai 2018 E. 3.2 und 3.4), weshalb es sich erübrigt, auf ihre diesbezüglichen Vorbringen im Einzelnen einzugehen.  
 
1.4. Im Weiteren moniert die Beschwerdeführerin, die Festlegung der Zusammensetzung des bundesgerichtlichen Spruchkörpers liege im Ermessen der Justizorgane, was konventionswidrig sei. Das Bundesgericht zeigte in BGE 144 I 37 E. 2.1 S. 39 auf, dass weder die Bundesverfassung noch die EMRK jegliches Ermessen bei der Spruchkörperbesetzung ausschliessen.  
 
1.5. Die Kritik der Beschwerdeführerin weckt keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen und bietet deshalb auch keinen Anlass, darauf zurückzukommen. Die allgemeinen Befürchtungen, das System der periodischen Wiederwahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter liefere diese parteipolitischen Druckversuchen aus, ändert daran nichts (vgl. Urteil 1B_140/2018 vom 11. Mai 2018 E. 2.3). Die Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK ist unbegründet.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, auch das Zustandekommen des vorinstanzlichen Spruchkörpers stelle einen Verstoss gegen Art. 6 EMRK dar.  
 
2.2. Die Vorinstanz erläuterte ausführlich, wie der Spruchkörper zusammengesetzt wurde. So würden gemäss Art. 2 Abs. 1 des Reglements über die Organisation der Rechtsprechung der Sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 26. Oktober 2010 (OrR SVA) die Geschäfte grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Eingangs gleichmässig auf die Richterinnen und Richter in Berücksichtigung des Beschäftigungsgrades und der Entlastung für administrative Aufgaben verteilt. Über Ausnahmen im Einzelfall entscheide nach Abs. 3 die Abteilungspräsidentin oder der Abteilungspräsident. In Fällen, welche von einer Kammer zu beurteilen seien, werde die Spruchbehörde unter Beachtung von Absatz 1 aus den für die Abteilung tätigen Richterinnen und Richtern zusammengesetzt. Dabei finde Artikel 2 sinngemäss Anwendung (Art. 7 Abs. 2 OrR SVA). Die Kammerbildung erfolge informatikunterstützt nach dem Zufallsprinzip durch das Sekretariat der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung. Dieses stehe unter der Aufsicht des Abteilungspräsidiums. Über ausnahmsweise vorzunehmende Abweichungen vom Zufallsprinzip entscheide der Abteilungspräsident.  
 
2.3. Mit den Vorbringen, bei der Spruchkörperbildung sei nur der Beschäftigungsgrad der Richterinnen und Richter relevant, was äusserst problematisch sei und die Kammerbildung erfolge informatikunterstützt nach dem Zufallsprinzip durch das Sekretariat der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung, was EMRK-widrig sei, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, inwiefern dadurch Art. 6 EMRK verletzt sein soll. Aus den vorinstanzlichen Ausführungen geht hervor (E. 2.2 oben), dass sich der Spruchkörper nach der Verfügbarkeit zusammensetzt. Dieses Kriterium ist sachlicher Natur und gewährleistet eine beförderliche Behandlung, indem es die Rücksichtnahme auf Abwesenheiten der Richter und Richterinnen zulässt (vgl. BGE 144 I 70 E. 6.2 S. 78 f.). Zusätzlich erfolgt die Kammerbildung laut kantonalem Gericht nach dem Zufallsprinzip durch das Sekretariat, welches der Aufsicht des Abteilungspräsidenten untersteht. Vom Zufallsprinzip abweichen kann nach den Ausführungen der Vorinstanz lediglich der Abteilungspräsident (vgl. Urteil 1B_182/2018 vom 8. Mai 2018 E. 4.5). Nach dem Gesagten ist aufgrund der vorgebrachten Rügen mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht ersichtlich, dass das Zustandekommen des vorinstanzlichen Spruchkörpers konventionswidrig sein soll.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV) und macht geltend, das kantonale Gericht sei nicht auf alle ihre Vorbringen eingegangen. Sie habe in ihrer Klage unter Verweis auf die EMRK ihren Anspruch auf eine volle Witwenrente begründet, wozu jedoch eine Stellungnahme im vorinstanzlichen Entscheid fehle.  
 
3.2. Das kantonale Gericht legte ausführlich dar, weshalb es die Klage abwies und zum Schluss kam, für die Ausrichtung der beantragten Hinterlassenenrente bestehe bei allem Verständnis für die schwierige Situation der Klägerin mangels entsprechender gesetzlicher Grundlagen keine Handhabe. Insbesondere ging es dabei auch auf die von A.________ geltend gemachte Ungleichbehandlung von geschiedenen gegenüber verheirateten Witwen ein. Rechtsprechungsgemäss darf sich die Vorinstanz auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken, ohne sich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen zu müssen (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236; 134 I 83 E. 4.1 S. 8; 133 I 270 E. 3.1 S. 277; je mit Hinweisen). Es sind denn auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids nicht möglich war, weshalb eine Verletzung der Begründungspflicht zu verneinen ist. Soweit die Beschwerdeführerin im Vorgehen der Vorinstanz ausserdem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK erblickt, kommt sie der qualifizierten Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweisen) in keiner Weise nach, weshalb darauf nicht einzugehen ist.  
 
3.3. In materieller Hinsicht trägt die Beschwerdeführerin keine Rügen vor. Die Beschwerde ist unbegründet und der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen.  
 
4.   
Die Beschwerde erschöpft sich im Grunde darin, unabhängig von der Person der beteiligten Richter in genereller Weise eine EMRK-widrige Besetzung des bundesgerichtlichen Spruchkörpers geltend zu machen. Die gleichen Rügen werden von Rechtsanwalt Oliver Lücke seit längerem in den Beschwerden systematisch vorgebracht, wobei sich das Bundesgericht nach dem Gesagten insbesondere in BGE 144 I 37 (vgl. E. 2 oben) ausführlich dazu äusserte. Angesichts dieser Ausgangslage und vor dem Hintergrund, dass unnötige Kosten zu tragen hat, wer sie veranlasst (Art. 66 Abs. 3 BGG), sind die Gerichtskosten nicht der Beschwerdeführerin, sondern vielmehr dem Rechtsvertreter aufzuerlegen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden Rechtsanwalt Oliver Lücke auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. November 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber