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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.178/2005 /bnm 
 
Urteil vom 11. Juli 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Bütikofer, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12 A, 8500 Frauenfeld, 
 
Konkursamt des Kantons Thurgau, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Konkurseröffnung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. April 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Gerichtspräsidium Kreuzlingen eröffnete am 18. März 2005 auf Begehren der Y.________ AG in der Betreibung Nr. xxxx des Betreibungsamtes Kemmental für den Betrag von Fr. 496.95 nebst Zinsen und Kosten den Konkurs über die X.________ GmbH mit Sitz in S.________. 
B. 
Dagegen erhob die X.________ GmbH am 26./30. März 2005 Rekurs an das Obergericht des Kantons Thurgau. Sie wies darauf hin, dass sie fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben habe, weshalb es nie zur Konkursandrohung und schon gar nicht zur Konkurseröffnung hätte kommen dürfen. Zwar habe sie zeitweise Liquiditätsprobleme gehabt, sei aber nicht überschuldet, was aus den Auszügen aus dem Betreibungsregister und der Bilanz hervorgehe. Ihre Buchhalterin sei derzeit infolge einer Niederkunft nicht arbeitsfähig; indes könne eine aktuelle Bilanz bei Bedarf in einigen Wochen nachgereicht werden. Der Präsident des Obergerichts erteilte dem Rekurs am 6. April 2005 aufschiebende Wirkung und holte von Amtes wegen einen aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister ein. Im Anschluss an eine Vereinbarung mit der X.________ GmbH über den in Betreibung gesetzten Betrag und die Kosten erklärte die Y.________ AG am 13. April 2005, auf die Durchführung des Konkurses über ihre Schuldnerin zu verzichten. 
Mit Beschluss vom 18. April 2005 wies das Obergericht den Rekurs ab und eröffnete gleichentags den Konkurs über die X.________ GmbH. 
C. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 13. Mai 2005, ergänzt am 30. Mai 2005, beantragt die X.________ GmbH die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses. Ferner verlangt sie die Aufhebung des vom Obergericht und vom Bezirksgericht erlassenen Konkursdekrets sowie der Konkursandrohung des Betreibungsamtes Kemmental in der Betreibung Nr. xxxx. Die Y.________ AG beantragt ebenfalls die Gutheissung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Thurgau schliesst auf deren Abweisung. 
Der Präsident der II. Zivilabteilung gewährte der Beschwerde am 1. Juni 2005 aufschiebende Wirkung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Angefochten wird ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, der ein Konkurserkenntnis bestätigt, womit die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist (Art. 86 OG; BGE 119 III 49 E. 2). Soweit die Beschwerdeführerin das erstinstanzliche Konkurserkenntnis mit anficht, erweist sich ihr Begehren als unnötig. 
Über das Begehren um Aufhebung der Konkursandrohung ist im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden. Die Überprüfung dieser Betreibungshandlung sowie die Feststellung einer allfälligen Nichtigkeit steht ausschliesslich den kantonalen Aufsichtsbehörden im Rahmen einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG und anschliessend der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer aufgrund eines Weiterzugs gemäss Art. 19 SchKG zu (Ottomann, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 6 zu Art. 160 SchKG; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., 1997/99, N. 6 zu Art. 159 SchKG; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., 2003, S. 285 Rz. 8; Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 110 zu Art. 22 SchKG). Zwar hat sich das Obergericht in der vorliegenden Betreibung zum Fehlen eines Rechtsvorschlags und damit zur Berechtigung der Gläubigerin, der Beschwerdeführerin eine Konkursandrohung zuzustellen, geäussert. Dies ändert jedoch nichts daran, dass im vorliegenden Verfahren nur über die Rügen gegen die Konkurseröffnung zu befinden ist. Damit erübrigt sich eine Prüfung des Vorwurfs, das Obergericht habe das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt, als es die Einvernahme ihres ehemaligen Mitarbeiters zur Frage, ob er den Rechtsvorschlag der Post übergeben habe, verweigerte. 
1.2 Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) können grundsätzlich keine neuen Vorbringen und Beweise geltend gemacht werden (BGE 129 I 49 E. 3). Die Möglichkeit der Parteien, neue Tatsachen vorzubringen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind, beschränkt sich gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 174 Abs. 1 SchKG auf den Weiterzug des Konkurserkenntnisses an das obere kantonale Gericht. 
Nicht berücksichtigt werden damit die von der Beschwerdeführerin erstmals vor Bundesgericht eingereichte Bilanz per 31. März 2005, die Erfolgsrechnung vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005, die Liste der Kreditoren vom 21. Mai 2005 und der Auszug aus dem Betreibungsregister vom 2. Mai 2005. Dies gilt auch für die neuen sich teilweise auf diese Unterlagen beziehenden Vorbringen zur finanziellen Lage der Beschwerdeführerin. Ebenso wenig hört das Bundesgericht die von ihr beantragten Zeugen an. 
Das Obergericht hat im vorliegenden Verfahren unvollständige Akten eingereicht; namentlich fehlen diverse mit dem kantonalen Rekurs von den Parteien hinterlegten Dokumente. Einer entsprechenden Aufforderung des Bundesgerichts, diese nachzureichen, ist das Obergericht innert angesetzter Frist nicht nachgekommen. Nach Fristablauf liess die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht diverse Belege zugehen, die offenbar zu den kantonalen Akten gehören. Das Obergericht wird darauf aufmerksam gemacht, dass es für die fristgerechte Zustellung seiner vollständigen und authentischen Akten selbst verantwortlich ist. Es ist nicht Aufgabe der Parteien, für die Zusammenstellung der amtlichen Akten zu sorgen, und es liegt auch nicht in deren Belieben, Belege einzureichen oder eventuell zu ergänzen. 
2. 
Gemäss Art. 174 Abs. 2 SchKG kann das obere Gericht die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner mit der Einlegung des Rechtsmittels seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen die Schuld einschliesslich Zinsen und Kosten getilgt ist, der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist oder der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich eindeutig, dass die Zahlungsfähigkeit glaubhaft zu machen ist und die Aufhebung des Konkurses nur in Frage kommt, wenn zusätzlich eine der drei weiteren Voraussetzungen durch Urkunden bewiesen ist. Wird ein Konkurserkenntnis bei der oberen kantonalen Instanz angefochten, so können unechte Noven unbeschränkt (Art. 174 Abs. 1 SchKG) und echte Noven im Rahmen der Konkurshinderungsgründe (Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1-3 SchKG) angeführt werden. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht in freier Überprüfung der Vorbringen zum Schluss gelangt, dass sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zutrifft, auch wenn es noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 120 II 393 E. 4c; 130 III 321 E. 3.3, beide mit Hinweisen). Konkret heisst dies im Hinblick auf die Aufhebung der Konkurseröffnung, dass die Zahlungsfähigkeit des Konkursiten wahrscheinlicher sein muss als die Zahlungsunfähigkeit. In diesem Bereich dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (Giroud, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG II, N. 26 zu Art. 174 SchKG). 
2.1 Nach Auffassung des Obergerichts hätte die Beschwerdeführerin umfassende Angaben über den gegenwärtigen Vermögensstand machen müssen, um ihm die Beurteilung ihrer Zahlungsfähigkeit zu ermöglichen. Offenbar sei die Buchhalterin zur Zeit infolge Mutterschaft nicht arbeitsfähig, was indes an dieser Pflicht nichts ändere. Zumindest hätte der Geschäftsführer eine aktuelle Zusammenstellung der Debitoren und Kreditoren einreichen müssen. Es komme nicht in Frage, das Verfahren so lange zu sistieren, bis die Buchhalterin ihre Arbeit wieder aufnehme. Aus dem Kontoauszug vom 9. März 2005 ergebe sich zwar, dass mit den vorhandenen Mitteln sämtliche offenen Betreibungen erledigt werden können. Indessen sei unklar, ob und in welcher Höhe weitere Forderungen bestünden, die noch nicht in Betreibung gesetzt worden seien. Angesichts der regelmässigen Betreibungen könne aber kein Zweifel bestehen, dass eine ganze Anzahl offener Rechnungen mit teilweise hohen Beträgen vorliegen würden. Der Saldo des Bankguthabens von Fr. 42'023.30 vom 9. März 2005 vermöge nichts Entscheidendes zu Gunsten der Beschwerdeführerin auszusagen, habe dieser Betrag in der Bilanz per Ende 2003 schliesslich noch Fr. 200'000.-- betragen. Zudem sei bemerkenswert, dass viele kleinere Beträge unter Fr. 1'000.-- in Betreibung gesetzt würden und sich diese Vorgänge in jüngerer Zeit häuften. Es erscheine daher zweifelhaft, ob die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen künftig wieder aus eigenen Mitteln nachkommen könne. Entsprechend sei ihre Zahlungsfähigkeit nicht glaubhaft gemacht. 
2.2 Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Beschluss in verschiedener Hinsicht als willkürlich. 
2.2.1 Ihrer Ansicht nach hätte das Obergericht ihr mitteilen müssen, dass es die eingereichten Unterlagen im Hinblick auf die Klärung der finanziellen Verhältnisse als ungenügend erachte. Folgerichtig hätte es das Verfahren bis zur Vorlage der vollständigen Buchhaltung sistieren oder weitere aus seiner Sicht notwendige Unterlagen anfordern müssen. 
Dem ist entgegenzuhalten, dass das Obergericht in Anbetracht der konkreten Umstände statt der Bilanz per Ende 2004 wenigstens eine Zusammenstellung der aktuellen Debitoren und Kreditoren gefordert hat. Damit fällt der Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Verfahren hätte nötigenfalls sistiert werden müssen, von vornherein ins Leere. Zwar lässt die Gerichtspraxis in einzelnen Kantonen zu, dass die Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und innert einer vom Gericht angesetzten Frist nachgereicht werden. Eine Verpflichtung dazu besteht gemäss dem Wortlauf von Art. 174 Abs. 2 SchKG ("mit Einreichung des Rechtsmittels") indes nicht (Urteil 5P.146/2004 vom 14. Mai 2004 E. 2). Die Beschwerdeführerin behauptet zudem nicht einmal, dass ihr das kantonale Prozessrecht, welches die Einzelheiten des Weiterzugsverfahrens regelt, den Anspruch auf eine Nachfrist einräume (vgl. dazu: Giroud, a.a.O., N. 32 zu Art. 174 SchKG). Damit ist vorliegend weder Willkür in der Anwendung von eidgenössischem oder von kantonalem Recht dargetan noch ist eine Verletzung des ebenfalls angerufenen rechtlichen Gehörs ersichtlich. Im Übrigen hat das Obergericht die Zahlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin anhand der eingereichten Unterlagen gleichwohl geprüft. 
2.2.2 Im Hinblick auf die Glaubhaftmachung ihrer Zahlungsfähigkeit führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie zwischenzeitlich sämtliche Betreibungen erledigt habe. Mit Ausnahme einer Rechnung der Assista TCS in der Höhe von Fr. 728.--, deren allfällige Begleichung aufgrund des Novenverbotes im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht berücksichtigt wird, ergibt sich dieser Umstand ohne Weiteres aus den beiden im kantonalen Verfahren ins Recht gelegten Auszügen. Das Obergericht hält in diesem Zusammenhang lediglich fest, dass das Guthaben der Beschwerdeführerin bei der Crédit Suisse gemäss Auszug vom 9. März 2005 in der Höhe von Fr. 42'023.30 tatsächlich bei weitem gereicht hätte, sämtliche damals offenen Betreibungen zu erledigen. Seiner Ansicht nach besteht aber kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin weitere nicht in Betreibung gesetzte Forderungen zu erfüllen habe. Es begründet dies mit dem Umstand, dass regelmässige Betreibungen ausgewiesen seien, womit bei der Beschwerdeführerin angesichts ihrer Tätigkeit im Autohandel zumindest teilweise beträchtliche Verbindlichkeiten bestehen würden. 
Diese Begründung wird von der Beschwerdeführerin als willkürlich kritisiert, da sie nicht belegt sei und sogar im Widerspruch zu den Auszügen aus dem Betreibungsregister stehe, wo keine Betreibungen über hohe Beträge auftauchten. In der Tat bewegen sich die in Betreibung gesetzten Beträge - wie das Obergericht selber auch festhält - seit Anfang 2002 immer unter der Grenze von Fr. 1'000.--. Wie das Obergericht gleichwohl zum Schluss kommen kann, dass offene Rechnung in teilweise ansehnlicher Höhe vorliegen müssten und die Zahlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin daher nicht gegeben sei, ist nicht nachvollziehbar und damit willkürlich. Dies führt bereits zur Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde, ohne dass die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin noch geprüft werden müssen. 
2.3 Nach dem Gesagten ist der staatsrechtlichen Beschwerde Erfolg beschieden. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werden dem Kanton Thurgau keine Kosten auferlegt (Art. 156 Abs. 2 OG). Hingegen schuldet er der obsiegenden Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.--. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. April 2005 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Thurgau hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau sowie dem Konkursamt des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Juli 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: