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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_324/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Januar 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Vettiger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel.  
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Wangenschleimhautabstrich und Erstellung eines DNA-Profils, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt vom 30. Juli 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 6. Juni 2013 nahm die Kantonspolizei Basel-Stadt den serbischen Staatsangehörigen X.________ wegen des Verdachts der Vorbereitungshandlungen zu Raub fest. 
Gleichentags ordnete sie die Abnahme eines Wangenschleimhautabstrichs (WSA) zur Erstellung eines DNA-Profils an. 
Mit Verfügung vom 8. Juni 2013 versetzte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt X.________ in Untersuchungshaft. 
Am 17. Juni 2013 entliess ihn die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt aus der Haft. 
Gleichentags erhob X.________ Beschwerde beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Er beantragte, es sei festzustellen, dass die Anordnung des WSA widerrechtlich gewesen sei, und das DNA-Profil sei zu vernichten. 
Am 30. Juli 2013 wies die Appellationsgerichtspräsidentin die Beschwerde ab. 
 
B.  
Dagegen führt X.________ Beschwerde in Strafsachen mit verschiedenen Anträgen. 
 
C.  
Die Appellationsgerichtspräsidentin und die Staatsanwaltschaft beantragen unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 23. Oktober 2013 hat der bundesgerichtliche Instruktionsrichter das Gesuch von X.________ um Sistierung des Beschwerdeverfahrens abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.  
 
1.2. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 BGG zulässig.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.  
 
1.4. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Dies spricht dafür, ihn als Zwischenentscheid zu betrachten. Bei der hier streitigen Massnahme geht es um die Erhebung eines Beweises. Nach der Rechtsprechung entsteht dem Betroffenen dadurch kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Er kann den Zwischenentscheid mit dem Endentscheid anfechten. Erachtet das Gericht dann den Beweis als unzulässig, wird ihm keine Rechnung mehr getragen und ist damit für den Betroffenen jeder Rechtsnachteil behoben.  
Der Fall weist allerdings eine Besonderheit auf. Bei der angeordneten Beweismassnahme geht es nicht darum, den Beschwerdeführer jener Straftat zu überführen, deren er im laufenden Strafverfahren beschuldigt wird. Vielmehr sollen damit allfällige weitere, auch zukünftige Delikte des Beschwerdeführers bewiesen werden können. Dem angefochtenen Entscheid kommt damit eine über das laufende Strafverfahren hinausgehende, eigenständige Bedeutung zu. Deshalb ist er als Endentscheid anzusehen (ebenso BGE 128 II 259 E. 1.4 S. 264; Urteil 1B_57/2013 vom 2. Juli 2013 E. 1.5 mit Hinweisen). 
Die Beschwerde ist daher nach Art. 90 BGG zulässig. 
 
1.5. Es geht um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme. Nach der Rechtsprechung ist insoweit Art. 98 BGG, der eine Beschränkung der Beschwerdegründe vorsieht, nicht anwendbar (BGE 137 IV 340 E. 2.4 S. 346 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf Art. 241 StPO vor, weder die Abnahme des WSA noch die Erstellung des DNA-Profils seien ihm eröffnet worden, so dass er dagegen keine Beschwerde habe führen können. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Die Nichteröffnung der Massnahme verletze zudem Art. 199 StPO.  
 
2.2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde insoweit den Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) genügt. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind jedenfalls nicht geeignet, eine Bundesrechtsverletzung darzutun.  
Ist eine Zwangsmassnahme schriftlich anzuordnen und ist sie nicht geheim zu halten, so wird gemäss Art. 199 StPO den direkt betroffenen Personen gegen Empfangsbestätigung eine Kopie des Befehls und eines allfälligen Vollzugsprotokolls übergeben. 
Gemäss Art. 241 Abs. 1 StPO schriftlich anzuordnen sind Durchsuchungen und Untersuchungen. Diese sind im 4. Kapitel des 5. Titels der Strafprozessordnung geregelt. Die DNA-Analysen sind dagegen im 5. Kapitel geregelt. Art. 241 StPO ist insoweit nicht anwendbar. Die Bestimmungen des 5. Kapitels (Art. 255-259 StPO) sehen keine schriftliche Anordnung vor. Folglich mussten die Behörden dem Beschwerdeführer gemäss Art. 199 StPO keine Kopie eines schriftlichen Befehls übergeben. 
Gemäss Art. 255 Abs. 2 lit. a StPO kann die Polizei die nicht invasive Probenahme (also den WSA) bei Personen anordnen. Das hat sie hier getan. Dagegen und gegen die anschliessende Erstellung des DNA-Profils konnte der Beschwerdeführer gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO bei der Vorinstanz Beschwerde erheben. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wenn er einwendet, er habe keine Beschwerde führen können. In der Beschwerde an die Vorinstanz konnte der Beschwerdeführer alles vorbringen, was aus seiner Sicht gegen den WSA und die Erstellung des DNA-Profils sprach und die Vorinstanz hat dazu Stellung genommen. Inwiefern unter diesen Umständen der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt worden sein könnte, ist nicht auszumachen und legt er nicht dar. Offensichtlich unbehelflich ist sein Einwand, es sei nicht dargetan, dass er dem WSA und der Erstellung des DNA-Profils zugestimmt habe. Da es sich dabei um eine Zwangsmassnahme handelt, war seine Zustimmung nicht erforderlich. 
Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt demnach abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht in der Sache geltend, der WSA und die Erstellung des DNA-Profils stellten einen unverhältnismässigen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV) und auf Familienleben (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) dar.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Art. 255-258 StPO enthalten Bestimmungen zu den DNA-Analysen. Art. 259 StPO erklärt im Übrigen das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz; SR 363) für anwendbar.  
Gemäss Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens von der beschuldigten Person eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. 
Nach Art. 1 Abs. 2 DNA-Profil-Gesetz bezweckt dieses Gesetz insbesondere die Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung; diese soll namentlich erreicht werden, indem: a. mit Hilfe des Vergleichs von DNA-Profilen: 1. verdächtige Personen identifiziert und weitere Personen vom Tatverdacht entlastet werden, 2. durch systematische Auswertung biologischen Materials Tatzusammenhänge und damit insbesondere organisiert operierende Tätergruppen sowie Serien- und Wiederholungstäter rascher erkannt werden, 3. die Beweisführung unterstützt wird. 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommen die Probenahme und Erstellung eines DNA-Profils gemäss Art. 255 Abs. 1 StPO nicht nur in Betracht zur Aufklärung jenes Delikts, welches dazu Anlass gegeben hat, oder zur Zuordnung von bereits begangenen und den Strafverfolgungsbehörden bekannten Delikten. Wie aus Art. 1 Abs. 2 lit. a DNA-Profil-Gesetz klarer hervorgeht, muss die Erstellung eines DNA-Profils es auch erlauben, den Täter von Delikten zu identifizieren, die den Strafverfolgungsbehörden noch unbekannt sind. Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln. Das DNA-Profil kann so Irrtümer bei der Identifikation einer Person und die Verdächtigung Unschuldiger verhindern. Es kann auch präventiv wirken und damit zum Schutz Dritter beitragen (Urteile 1B_57/2013 vom 2. Juli 2013 E. 2.3; 1B_685/2011 vom 23. Februar 2012 E. 3.4, publ. in: SJ 2012 I S. 440). 
Diese Rechtsprechung entspricht der herrschenden Lehre (Niklaus Schmid, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 255 StPO; derselbe, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, S. 472 N. 1093 und Fn. 347; Christoph Fricker/Stefan Maeder, in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, N. 7 f. zu Art. 255 StPO; Thomas Hansjakob, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, N. 10 zu Art. 255 StPO; Jo Pitteloud, Code de procédure pénale suisse, Commentaire, 2012, S. 398 f. N. 605; Paolo Bernasconi, in: Commentario CPP, 2010, N. 1 f. zu Art. 255 StPO; je mit Hinweisen). 
 
3.2.2. Erkennungsdienstliche Massnahmen und die Aufbewahrung der Daten stellen nach der Rechtsprechung einen leichten Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit, auf informationelle Selbstbestimmung und auf Familienleben dar (BGE 134 III 241 E. 5.4.3 S. 247; 128 II 259 E. 3.3 S. 269 f.; Urteil 1B_57/2013 vom 2. Juli 2013 E. 3.2).  
Einschränkungen von Grundrechten müssen nach Art. 36 Abs. 3 BV verhältnismässig sein. Dies konkretisiert für den vorliegenden Bereich Art. 197 StPO. Danach können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). 
Nach der Rechtsprechung ist die Abnahme eines WSA und die Erstellung eines DNA-Profils möglich, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Betroffene in andere - auch künftige - Verbrechen oder Vergehen verwickelt sein könnte (Urteile 1B_57/2013 vom 2. Juli 2013 E. 3.2; 1B_685/2011 vom 23. Februar 2012 E. 3.4, publ. in: SJ 2012 I S. 440, mit Hinweis). 
 
3.3. Nach dem Rapport der Polizei vom 6. Juni 2013 beobachtete diese am 3. und 4. Juni 2013, wie der Beschwerdeführer und sein serbischer Mitbeschuldigter, die sich nach ihren Angaben ferienhalber in der Schweiz aufhielten, in Basel bei verschiedenen Schmuckgeschäften nebst den Auslagen in den Schaufenstern die Sicherungsvorkehren (Alarmanlagen) begutachteten und die Umgebung auskundschafteten. Der Beschwerdeführer und der Mitbeschuldigte fielen dabei an zwei aufeinanderfolgenden Tagen aufgrund ihres verdächtigen Verhaltens verschiedenen Polizisten unabhängig voneinander auf. Anlässlich der Durchsuchung der vom Beschwerdeführer benutzten Wohnung wurde unter anderem ein Elektroschockgerät und ein Uhrenkatalog mit markierten Modellen beschlagnahmt. Die Polizei stellte sodann in einem vom Beschwerdeführer benutzten Fahrzeug einen Stahlstift sicher, der zum Einschlagen von Scheiben bzw. zum Brechen von Sicherheitsglas verwendet werden kann.  
Bei Raub und Einbruchdiebstählen in Schmuckgeschäfte handelt es sich häufig um Wiederholungstaten. Unter den dargelegten Umständen bestand damit eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer in andere - auch künftige - Verbrechen oder Vergehen verwickelt sein könnte. An der Aufklärung entsprechender Taten besteht aufgrund ihrer Schwere ein erhebliches öffentliches Interesse. Die Erstellung des DNA-Profils kann, wie dargelegt, zudem der Verhinderung der Verdächtigung Unschuldiger und der Deliktsvorbeugung dienen. Dem kommt ebenfalls Gewicht zu. Der Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers ist demgegenüber leichter Natur. Wiegt man diese Interessen gegeneinander ab, ist die Massnahme als verhältnismässig anzusehen. Dass der verfolgte Zweck mit milderen Massnahmen hätte erreicht werden können, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. 
Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt danach unbegründet. 
 
4.  
Die Vorinstanz hat dem amtlichen Verteidiger für das kantonale Beschwerdeverfahren ein Honorar von Fr. 900.--, einschliesslich Auslagen, zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer von Fr. 72.--, aus der Gerichtskasse zugesprochen. 
In der Beschwerde wird sinngemäss vorgebracht, das Honorar sei zu tief. Der Beschwerdeführer ist mit Blick auf seine allfällige Pflicht zur Rückzahlung gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO an einem möglichst tiefen Honorar interessiert. Ob man annehmen kann, dass der Verteidiger insoweit in eigenem Namen Beschwerde führt, kann dahingestellt bleiben. Auf die Beschwerde kann im vorliegenden Punkt schon deshalb nicht eingetreten werden, weil nicht dargelegt wird, inwiefern der angefochten Entscheid in Bezug auf die Festsetzung des Honorars Bundesrecht verletzen soll. Die Beschwerde genügt insoweit den Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nicht. 
 
5.  
Dies gilt ebenso, soweit der Beschwerdeführer die Zusprechung einer Genugtuung an ihn beantragt. Er begründet nicht, weshalb ihm eine solche zustehen soll. 
 
6.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Der Beschwerdeführer trägt damit die Kosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Januar 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri