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[AZA] 
I 290/99 Tr 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiberin Keel 
 
Urteil vom 20. April 2000  
 
in Sachen 
 
S.________, 1962, Beschwerdeführerin, vertreten durch Für- 
sprecher Dr. W.________, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegne- 
rin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Die 1962 geborene S.________, Fürsprecherin, er- 
litt 1977 einen Sportunfall, welcher zu einer Tetraplegie 
führte. Seit Mai 1996 ist sie als Juristin beim Bundesamt 
für Sozialversicherung tätig, wo sie ein 80 %-Pensum be- 
kleidet. 
    Die Invalidenversicherung erteilte S.________ seit 
Jahren Kostengutsprache für ambulante Physiotherapie, 
letztmals mit Verfügung vom 25. Oktober 1995 für die Zeit 
vom 1. Juni 1995 bis 31. Mai 2000. Am 9. Oktober 1998 hob 
die IV-Stelle Bern ihre Verfügung vom 25. Oktober 1995 wie- 
dererwägungsweise auf mit der Begründung, bei der Versi- 
cherten liege kein stabiler Gesundheitszustand vor. 
 
    B.- Die von S.________ hiegegen gerichtete Beschwerde 
mit dem Antrag, es sei die Verfügung aufzuheben und die 
IV-Stelle zu verpflichten, ihr weiterhin die Kosten für die 
Physiotherapie zu vergüten, wies das Verwaltungsgericht des 
Kantons Bern mit Entscheid vom 24. März 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ 
das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren 
erneuern. 
    Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung 
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden 
Bestimmungen über den Anspruch auf medizinische Massnahmen 
physiotherapeutischer Art bei Lähmungen und anderen motori- 
schen Funktionsausfällen (Art. 8, Art. 12 IVG und Art. 2 
Abs. 1 und 3 IVV) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für 
die hiezu ergangene Rechtsprechung (BGE 120 V 279 Erw. 3a, 
115 V 194 Erw. 3, 112 V 349 Erw. 2, je mit weiteren Hinwei- 
sen; vgl. auch AHI 1999 S. 125), insbesondere zum Aus- 
schluss der nicht unmittelbar auf die Beeinflussung der 
motorischen Funktionen, sondern auf die Behandlung eines 
auf die Lähmung zurückgehenden sekundären Krankheitsgesche- 
hens (wie beispielsweise Zirkulationsstörungen, Skelettde- 
formitäten oder Kontrakturen) gerichteten Massnahmen (BGE 
108 V 218). Ebenso zutreffend sind die Ausführungen, wonach 
rechtsprechungsgemäss ein stationärer, nicht aber stabiler 
Zustand vorliegt, wenn therapeutische Vorkehren dauernd 
notwendig sind, um Rezidiven vorzubeugen und den Status quo 
einigermassen zu bewahren, weshalb in diesem Falle Physio- 
therapie nicht als medizinische Eingliederungsmassnahme im 
Sinne von Art. 12 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 IVV 
qualifiziert werden kann (vgl. AHI 1999 S. 125). 
 
    2.- a) Dr. med. K.________, Spezialarzt FMH für Innere 
Medizin, führte in seinem Bericht vom 4. September 1995 
aus, dass die Beschwerdeführerin als Tetraplegikerin mit 
Restfunktion im Bereich beider Arme und Hände sowie im 
Bereich der Rumpfmuskulatur unbedingt auf regelmässige 
physiotherapeutische Massnahmen zur Erhaltung ihrer musku- 
lären Restfunktionen angewiesen sei. Trotz ihrer schwersten 
Behinderung habe sie bis heute ihre Arbeit als Juristin im 
Büro aufrechterhalten können. Die ausgeprägte Motivation 
zur Erhaltung der Restfunktionen mit intensiver Physiothe- 
rapie sei für die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit entschei- 
dend. Die damit erzielte Rumpfstabilisierung erlaube ihr 
das mit der Arbeit im Büro verbundene Sitzen über Stunden. 
Ebenso könne durch die Erhaltung der Restfunktionen im Be- 
reich beider Arme die Mobilität im Rollstuhl über kurze 
Strecken aus eigener Kraft erhalten werden. Zusammenfassend 
sei bei ihr eine dauernde regelmässige Physiotherapie unum- 
gänglich. 
 
    b) Gestützt auf diese ärztliche Stellungnahme ist mit 
Vorinstanz, IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherung 
davon auszugehen, dass die bei der Beschwerdeführerin seit 
Jahren durchgeführte Physiotherapie voraussichtlich dauernd 
weiter benötigt wird, um den Status quo einigermassen zu 
bewahren, weshalb die in Frage stehenden Vorkehren nicht 
auf stabile Folgen der Lähmungen und damit nicht auf einen 
zumindest relativ stabilisierten Zustand gerichtet sind. 
Vielmehr liegt ein im Sinne der Rechtsprechung stationärer, 
nicht aber stabiler Zustand vor. Schon aus diesem Grunde 
kann die streitige Physiotherapie nicht als medizinische 
Massnahme im Sinne von Art. 12 IVG in Verbindung mit Art. 2 
Abs. 3 IVV qualifiziert werden (AHI 1999 S. 125). Die Argu- 
mentation der Beschwerdeführerin, welche sich auf das nicht 
veröffentlichte Urteil L. vom 21. August 1995, I 360/94, 
(vgl. auch BGE 100 V 37) stützt, beruht dabei offenbar auf 
der früheren, seit längerem überholten Rechtsprechung (vgl. 
insbesondere AHI 1999 S. 125), sodass sie insofern nichts 
zu ihren Gunsten abzuleiten vermag. Zu keiner anderen Beur- 
teilung gibt Anlass, dass die vorgenommenen Behandlungen 
sich günstig auf die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit auswir- 
ken bzw. für die Erhaltung derselben wesentlich sind, wie 
die Beschwerdeführerin unter Berufung auf den Abschlussbe- 
richt der Physiotherapie des Paraplegiker-Zentrums 
X.________ vom 30. Oktober 1996 geltend macht und auch aus 
dem Bericht des Dr. med. K.________ vom 4. September 1995 
hervorgeht. Denn ein - in der Regel mit jeder Therapie ver- 
bundener - Eingliederungserfolg ist nicht entscheidend da- 
für, ob eine medizinische Vorkehr als Eingliederungsmass- 
nahme im Sinne des Art. 12 Abs. 1 IVG anerkannt werden kann 
(BGE 120 V 279 Erw. 3a, 115 V 194 Erw. 3, 112 V 349 
Erw. 2). Unter diesen Umständen erweist sich die ursprüng- 
liche - d.h. die Physiotherapie bewilligende - Verfügung 
vom 25. Oktober 1995 als zweifellos unrichtig, wovon die 
IV-Stelle zu Recht ausgegangen ist. Da die Berichtigung der 
genannten Verfügung auch von erheblicher Bedeutung ist, 
lässt sich die mit der angefochtenen Verfügung vom 9. Okto- 
ber 1998 vorgenommene Wiedererwägung nicht beanstanden. Es 
muss daher bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass 
die Invalidenversicherung die anbegehrte, an sich zweckmäs- 
sige und sinnvolle Physiotherapie gleichwohl nicht zu über- 
nehmen hat, indem die Massnahme in den Bereich der Kranken- 
versicherung gehört. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
    richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
    Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern, und 
    dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 20. April 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: