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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_258/2023  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8036 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Beschimpfung etc.; Revision, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 22. Dezember 2022 (SR220010-/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat sprach A.________ mit Strafbefehl vom 27. Mai 2020 der Beschimpfung und der Tätlichkeiten schuldig. A.________ erhob dagegen fristgerecht Einsprache. Die Staatsanwaltschaft lud A.________ mit Verfügung vom 15. April 2021 zur Einvernahme am 11. Mai 2021 vor. Am 21. April 2021 beantragte A.________ bei der Staatsanwaltschaft einen Widerruf der Vorladung vom 15. April 2021. Am 22. April 2021 teilte ihr die Staatsanwaltschaft mit, dass die Vorladung nicht widerrufen werde. Mit Schreiben vom 10. Mai 2021 beantragte A.________ die Verschiebung der Einvernahme vom 11. Mai 2021. Die Staatsanwaltschaft trat mit Verfügung vom 11. Mai 2021 auf die Einsprache von A.________ nicht ein und stellte fest, dass der Strafbefehl vom 27. Mai 2020 mit dem Rückzug der Einsprache in Rechtskraft erwachsen ist. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde am 4. März 2022 ab. Auch das Bundesgericht wies die von A.________ erhobene Beschwerde in Strafsachen mit Urteil vom 17. August 2022 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 6B_600/2022). Mit Eingaben vom 20. Januar 2023 und 22. Februar 2023 ersuchte A.________ um Revision des bundesgerichtlichen Urteils (vgl. separates Verfahren 6F_1/2023). 
 
B.  
Am 1. Dezember 2022 ersuchte A.________ beim Obergericht des Kantons Zürich um Revision des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 27. Mai 2020 und erhob "Beschwerde wegen Rechtsverzögerung". 
Das Obergericht trat am 22. Dezember 2022 sowohl auf das Revisionsgesuch als auch auf die Anträge von A.________ betreffend Anweisungen an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich nicht ein und auferlegte ihr die Gerichtsgebühr von Fr. 600.--. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Beschluss sei für nichtig zu erklären und aufzuheben, es sei gerichtlich festzustellen, dass der Strafbefehl vom 27. Mai 2020 nie in Rechtskraft erwachsen bzw. nichtig sei, eventualiter sei die Staatsanwaltschaft gerichtlich anzuweisen, das Verfahren gegen sie einzustellen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht wie bereits vor der Vorinstanz sinngemäss geltend, der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 27. Mai 2020 sei nicht rechtskräftig, da er ihr nicht persönlich hätte zugestellt werden dürfen. Sie habe zwar gegen jenen Strafbefehl fristgerecht Einsprache erhoben, die vorgängige Zustellung des Strafbefehls an sie persönlich sei indes unzulässig gewesen, da sie damals noch nicht verteidigt worden sei. Aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft ihr später einen amtlichen Verteidiger bestellt habe, sei zu schliessen, dass sie sich auch zuvor nicht alleine im Verfahren habe zu Recht finden können, weshalb ihr der Strafbefehl nicht persönlich habe zugestellt werden dürfen.  
 
1.2.  
Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin bringe keinen im Gesetz genannten Revisionsgrund vor. Zudem verkenne sie, dass sie selbständig in der Lage gewesen sei, fristgerecht und gültig Einsprache gegen den fraglichen Strafbefehl zu erheben und entsprechend nicht geltend machen könne, sie habe ihre Interessen nach Erhalt des Strafbefehls nicht selbständig wahrnehmen können. Im auf ihre Einsprache folgenden Einspracheverfahren sei die Beschwerdeführerin zudem durch eine amtliche Verteidigung unterstützt worden, weshalb sie ihre Rechte umfassend habe ausüben können. Der Umstand, dass der Strafbefehl in der Folge in Rechtskraft erwachsen sei, da die Beschwerdeführerin unentschuldigt nicht zu einer Einvernahme erschienen sei, sei durch das Obergericht und das Bundesgericht geprüft und bestätigt worden. Die entsprechenden Ausführungen hätten nach wie vor Geltung, weshalb kein Anlass bestehe, an der Rechtskraft des Strafbefehls zu zweifeln. Da kein Revisionsgrund im Sinne von Art. 410 StPO zu erkennen sei, erweise sich das Revisionsgesuch der Beschwerdeführerin als offensichtlich unbegründet, weshalb im Sinne von Art. 412 Abs. 2 StPO nicht darauf einzutreten sei. Da sie (die Vorinstanz) nicht Aufsichtsbehörde der Oberstaatsanwaltschaft sei, könne sie dieser keine Anweisungen erteilen, weshalb auf die diesbezüglichen Anträge der Beschwerdeführerin nicht einzutreten sei. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Wer als verurteilte Person durch einen rechtskräftigen Strafbefehl beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung herbeizuführen (lit. a), wenn der Strafbefehl mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b) oder wenn sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist (lit. c).  
Revisionsrechtlich neu sind Tatsachen, wenn sie zum Zeitpunkt des früheren Urteils zwar bereits bestanden haben, das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung aber keine Kenntnis von ihnen hatte, sie ihm mithin nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen. Die neuen Tatsachen müssen zudem erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 und E. 5.1.4; 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_891/2022 vom 15. Februar 2023 E. 1.3.2; 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). Möglich ist eine Änderung des früheren Urteils aber nur dann, wenn sie sicher, höchstwahrscheinlich oder wahrscheinlich ist (BGE 120 IV 246 E. 2b; 116 IV 353 E. 5a; Urteile 6B_891/2022 vom 15. Februar 2023 E. 1.3.2; 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). 
Das Revisionsverfahren dient indes nicht dazu, rechtskräftige Entscheide erneut in Frage zu stellen oder gesetzliche Vorschriften über die Rechtsmittelfristen bzw. die Zulässigkeit von neuen Tatsachen im Rechtsmittelverfahren zu umgehen oder frühere prozessuale Versäumnisse zu beheben (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 130 IV 72 E. 2.2; 127 I 133 E. 6; je mit Hinweisen). Ein Gesuch um Revision eines Strafbefehls muss als missbräuchlich qualifiziert werden, wenn es sich auf Tatsachen stützt, die der verurteilten Person von Anfang an bekannt waren, die sie ohne schützenswerten Grund verschwieg und die sie in einem ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, welches auf Einsprache hin eingeleitet worden wäre. Demgegenüber kann die Revision eines Strafbefehls in Betracht kommen wegen wichtiger Tatsachen oder Beweismittel, die die verurteilte Person zum Zeitpunkt, als der Strafbefehl erging, nicht kannte oder die schon damals geltend zu machen für sie unmöglich waren oder keine Veranlassung bestand. Rechtsmissbrauch ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu dient, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 130 IV 72 E. 2.2 f.). 
 
1.3.2. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwieweit dieser gegen das Recht verstossen soll, wobei für die Rüge der Verletzung von Grundrechten qualifizierte Begründungsanforderungen bestehen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Begründung muss sachbezogen sein und erkennen lassen, dass und weshalb nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt ist (BGE 142 I 99 E. 1.7.1; 140 III 86 E. 2; 139 I 306 E. 1.2). Die Begründung muss im bundesgerichtlichen Verfahren in der Beschwerde selbst enthalten sein (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG). Verweise auf andere Rechtsschriften oder die Akten reichen nicht aus (BGE 144 V 173 E. 3.2.2; 143 II 283 E. 1.2.3; 143 IV 122 E. 3.3; Urteile 6B_1242/2020 vom 24. Oktober 2022 E. 2.1; 6B_3/2021 vom 24. Juni 2022 E. 3.3; je mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
1.4. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit den Erwägungen im angefochtenen Beschluss nicht auseinander und legt nicht dar, dass und inwiefern dieser gegen Bundesrecht verstossen könnte. Sie behauptet insbesondere nicht, sie habe im kantonalen Verfahren entgegen der Vorinstanz neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO oder einen anderen Revisionsgrund vorgebracht. Vielmehr scheint sie der Vorinstanz vorzuwerfen, diese habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie nicht auf den Einwand eingehe, wonach aus dem Umstand, dass ihr eigenständig eingeholter Strafregisterauszug keinen Eintrag enthalte, zu schliessen sei, dass sie nicht vorbestraft sei bzw. der Strafbefehl nicht rechtskräftig sei. Dieser Vorwurf erweist sich als offensichtlich unbegründet. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, haben sich das Obergericht und das Bundesgericht im Beschluss vom 4. März 2022 bzw. Urteil vom 17. August 2022 mit der Frage, ob die Einsprache der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 355 Abs. 2 StPO aufgrund deren unentschuldigten Fernbleibens von der Einvernahme als zurückgezogen gilt und der Strafbefehl vom 27. Mai 2020 folglich in Rechtskraft erwachsen ist, auseinandergesetzt und die Beschwerden der Beschwerdeführerin abgewiesen (vgl. Urteil 6B_600/2022 vom 17. August 2022). Die Beschwerdeführerin hätte die Zulässigkeit der persönlichen Zustellung des Strafbefehls in diesen Verfahren in Frage stellen können und müssen. Ihr prozessuales Versäumnis kann sie im Revisionsverfahren nicht nachholen (vgl. E. 1.3.1 mit Hinweisen). Sollte die Verurteilung tatsächlich noch nicht im Strafregister eingetragen sein, liesse sich hieraus jedenfalls nichts zur Frage der Rechtskraft des Strafbefehls ableiten. Jedenfalls ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz festhält, es bestehe kein Anlass, an der Rechtskraft des Strafbefehls vom 27. Mai 2020 zu zweifeln. Inwiefern die Vorinstanz hierzu sachlich und örtlich nicht zuständig sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Staatsanwaltschaft vor ihrem Entscheid nicht zur Vernehmlassung eingeladen hat (vgl. Urteil 6B_733/2021 vom 31. August 2021 E. 3.3). Soweit die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht andeutet, sie sei bereits zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen, ist darauf grundsätzlich nicht einzutreten, da sie dies - soweit ersichtlich - erstmals vor Bundesgericht geltend macht (vgl. Art. 80 Abs. 1 und Art. 99 Abs. 1 BGG). Im Übrigen legt sie nicht dar, worauf sie ihre Behauptung stützt bzw. verweist auf ihre Eingabe im Verfahren 6F_1/2023, was unzulässig ist (vgl. E. 1.3.2).  
Zusammenfassend zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, dass der Strafbefehl an einem Revisionsgrund leiden könnte bzw. die Vorinstanz einen solchen zu Unrecht verneint haben soll. Als unbegründet erweist sich der Gehörsverletzungsvorwurf. 
 
2.  
Da im Verfahren 6F_1/2023 ebenfalls mit heutigem Urteil entschieden wird, erübrigt sich die Frage, ob das vorliegende Verfahren zu sistieren ist (vgl. Beschwerde S. 3). 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der verhältnismässig geringe Aufwand ist bei der Bemessung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Mai 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres