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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_316/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. Februar 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln, 
Bahnhofstrasse 4, Postfach 128, 8832 Wollerau, 
vertreten durch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, Postfach 1201, 6431 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; ärztliche Schweigepflicht, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 14. August 2015 des Kantonsgerichtspräsidenten des Kantons Schwyz. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Strafbefehl vom 25. Mai 2012 erkannte die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln A.________ schuldig der Drohung, des Hausfriedensbruchs und der Tätlichkeit. Sie auferlegte ihm eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 220.-- sowie eine Busse von Fr. 2'400.--. 
Dem Strafbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 2. November 2011 habe die Psychiaterin Dr. B.________ bei ihrem Patienten A.________ einen fürsorgerischen Freiheitsentzug verfügt. Da sich A.________ geweigert habe, die Arztpraxis zu verlassen, habe die Polizei beigezogen werden müssen. Mit Schreiben vom 9. November 2011 habe Dr. B.________ A.________ ein Hausverbot für ihre Arztpraxis erteilt. Am 13. Dezember 2011 habe A.________ die Arztpraxis aufgesucht, da er der Meinung gewesen sei, Dr. B.________ habe ein medizinisches Gutachten über ihn unzureichend verfasst. Dr. B.________ habe ihn unter Hinweis auf das Hausverbot aufgefordert, die Liegenschaft unverzüglich zu verlassen. Entgegen dieser Aufforderung sei A.________ ca. 30 Minuten im Treppenhaus vor dem Eingang der Arztpraxis sitzen geblieben. Als Dr. B.________ versucht habe, die Eingangstüre zur Arztpraxis von innen zu verschliessen, habe A.________ die Türe gewaltsam aufgedrückt. Er habe die Türe gegen Dr. B.________ gedrückt, wodurch diese nach hinten gestossen worden sei. Dadurch habe sie leichte Schmerzen an der rechten Schulter erlitten. Beim Verlassen der Arztpraxis habe A.________ zu Dr. B.________ drohend gesagt: "Sie wissen nicht, auf was Sie sich jetzt einlassen." 
 
B.   
A.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. 
Die Staatsanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest und überwies diesen am 22. März 2013 als Anklageschrift dem Einzelrichter am Bezirksgericht Höfe zur Durchführung des Hauptverfahrens. 
Am 27. März 2015 lud der Einzelrichter A.________ zur Hauptverhandlung vom 5. August 2015 vor. 
Am 19. Juni 2015 stellte A.________ dem Einzelrichter unter anderem den Beweisantrag, Dr. B.________ einzuvernehmen. 
Mit Verfügung vom 1. Juli 2015 lud der Einzelrichter Dr. B.________ als Auskunftsperson zur Hauptverhandlung vom 5. August 2015 vor. Dabei wies er Dr. B.________ darauf hin, sie sei durch den Beweisantrag von A.________ vom Berufsgeheimnis entbunden. 
Hiergegen erhob A.________ am 13. Juli 2015 Beschwerde beim Kantonsgericht Schwyz mit dem Antrag, die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht aufzuheben. 
Am 28. Juli 2015 zitierte der Einzelrichter die Hauptverhandlung vom 5. August 2015 ab; es werde zu einem späteren Zeitpunkt neu vorgeladen. 
Am 14. August 2015 trat der Präsident des Kantonsgerichts auf die Beschwerde nicht ein. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die einzelrichterliche Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht sei aufzuheben. 
 
D.   
Der Kantonsgerichtspräsident und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
E.   
Mit Verfügung vom 2. Oktober 2015 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer nahm den angefochtenen Entscheid am 18. August 2015 in Empfang. Die Beschwerdefrist von 30 Tagen (Art. 100 Abs. 1 BGG) lief somit am 17. September 2015 ab.  
Am 14. September 2015, eingegangen am 15. September 2015, reichte der Beschwerdeführer dem Bundesgericht eine 10-seitige Beschwerdeschrift ein, welche das Datum vom 17. September 2015 trägt. Mit separatem Schreiben vom 14. September 2015 ersucht er um "Wiederherstellung der Beschwerdefrist". Er bringt vor, er habe wegen seines Gesundheitszustands die Beschwerdeschrift nicht fertigstellen können. Er hoffe, dass er diese später vervollständigen dürfe. Falls das Gesuch um Wiederherstellung der Frist abgewiesen werde, stelle die dem Bundesgericht eingereichte Beschwerdeschrift die Beschwerde dar. 
Mit Eingabe vom 17. September 2015, die der Beschwerdeführer am selben Tag - also noch innerhalb der Beschwerdefrist - der Post übergab, ergänzte er die Beschwerde bzw. das Fristwiederherstellungsgesuch. 
 
1.2. Ist eine Partei oder ihr Vertreter bzw. ihre Vertreterin durch einen anderen Grund als die mangelhafte Eröffnung unverschuldeterweise abgehalten worden, fristgerecht zu handeln, so wird gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG die Frist wiederhergestellt, sofern die Partei unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.  
Krankheit kann nach der Rechtsprechung ein unverschuldetes Hindernis nach Art. 50 Abs. 1 BGG darstellen, sofern sie derart ist, dass sie den Rechtsuchenden davon abhält, innert Frist zu handeln oder dafür einen Vertreter beizuziehen (BGE 119 II 86 E. 2a S. 87 mit Hinweis). 
Der Beschwerdeführer hat dem Bundesgericht zwei ärztliche Zeugnisse eingereicht. Daraus ergibt sich, dass er vom 7. bis zum 10. September 2015 wegen einer Hüftoperation hospitalisiert und vom 7. September bis zum 12. Oktober 2015 zu 100 Prozent arbeitsunfähig war. Zudem befand er sich in psychiatrischer Behandlung. 
Seine gesundheitlichen Probleme haben den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, dem Bundesgericht am 14. September 2015 eine von ihm persönlich verfasste umfangreiche Beschwerdeschrift mit zahlreichen Rügen sowie ein separates Fristwiederherstellungsgesuch einzureichen und diese Eingaben in der Folge zu ergänzen. Damit musste er erst recht in der Lage sein, einen Vertreter beizuziehen, da dies einen deutlich geringeren Aufwand darstellt. Dass die Erarbeitung einer noch eingehenderen Beschwerdeschrift für ihn schwierig werden könnte, war für ihn spätestens absehbar, als er sich der Hüftoperation unterziehen musste. Spätestens dann hätte er einen Rechtsvertreter beiziehen können und müssen. Wenn der Beschwerdeführer das unterlassen hat, hat er sich das selber zuzuschreiben. Hätte er rechtzeitig einen Rechtsvertreter beigezogen, hätte dieser genügend Zeit gehabt, eine Rechtsschrift zu verfassen, da der Fall weder umfangreich - die Begründung des angefochtenen Entscheids umfasst 2 ½ Seiten - noch rechtlich komplex ist. Ein unverschuldetes Hindernis kann damit nicht angenommen werden, weshalb die Fristwiederherstellung nicht bewilligt werden kann. 
 
2.  
 
2.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er stellt einen Zwischenentscheid dar. Dieser betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Es handelt sich somit um einen "anderen Zwischenentscheid" nach Art. 93 BGG. Dagegen ist die Beschwerde gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig: a. wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann; oder b. wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.  
 
2.2. Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht.  
Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG im Bereich der Beschwerde in Strafsachen um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann. Die blosse Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 80; 139 IV 113 E. 1 S. 115; je mit Hinweisen). 
Art. 321 StGB stellt die Verletzung des Berufsgeheimnisses unter Strafe. Gemäss Ziffer 2 dieser Bestimmung ist der Täter nicht strafbar, wenn er das Geheimnis aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat. 
Mit dem angefochtenen Entscheid bleibt die Verfügung des Einzelrichters vom 1. Juli 2015 bestehen. Dieser ging davon aus, mit dem Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme von Dr. B.________ habe dieser die Einwilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses nach Art. 321 Ziff. 2 StGB erteilt. Wie sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt, steht es dem Beschwerdeführer nach den Ausführungen des Einzelrichters in der Vernehmlassung an die Vorinstanz offen, die Einwilligung an der - neu anzusetzenden - Hauptverhandlung zu widerrufen. Darauf hat die Vorinstanz den Einzelrichter behaftet (angefochtener Entscheid S. 4). Der Einzelrichter wird einen Widerruf der Einwilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses demnach beachten und insoweit auf die Verfügung vom 1. Juli 2015 zurückkommen, was zulässig ist (ADRIAN JENT, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 65 StPO). Mit dem Widerruf des Beschwerdeführers läge keine Einwilligung des Berechtigten nach Art. 321 Ziff. 2 StGB mehr vor. Da die vorgesetzte Behörde oder Aufsichtsbehörde auch keine schriftliche Bewilligung nach dieser Bestimmung erteilt hat, wäre Dr. B.________ an das Berufsgeheimnis gebunden. Der Beschwerdeführer hat es somit selber in der Hand, für die Aufrechterhaltung des Berufsgeheimnisses zu sorgen. Unter diesen Umständen droht dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid kein nicht wieder gutzumachender Nachteil. 
Die Beschwerde ist daher unzulässig. 
 
3.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Das Wiederherstellungsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln und dem Kantonsgerichtspräsidenten des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Februar 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri