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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_312/2011 
 
Urteil vom 8. September 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Litigation Hauptbranchen, 8085 Zürich 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
G.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Kempf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente, Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. März 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1947 geborene G.________ war bei mehreren Arbeitgebern, unter anderem bei der X.________ AG, bei welcher Firma sie obligatorisch bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (Zürich) gegen die Folgen von Unfällen versichert war, als Raumpflegerin tätig, als sie am 3. Januar 2006 auf einer vereisten Fläche ausrutschte und sich dabei eine mehrfragmentäre distale intraartikuläre Radiusfraktur links zuzog. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), und später zuständigkeitshalber die Zürich, erbrachten Heilbehandlung und leisteten Taggeldzahlungen. Die Versicherte musste sich mehreren operativen Eingriffen unterziehen. Nach medizinischer Abklärung und einer Evaluation der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit EFL am Zentrum Y.________ AG (Gutachten vom 9. November 2009), sprach die Zürich G.________ ab 1. November 2009 eine Invalidenrente bei einer Erwerbsunfähigkeit von 33 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu (Verfügung vom 5. Januar 2010). Mit Entscheid vom 12. August 2010 erkannte die Unfallversicherung auf einen Invaliditätsgrad von 36 % und wies die gegen die Verfügung erhobene Einsprache im Übrigen ab. 
 
B. 
Die dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich teilweise gut, indem es G.________ eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 44 % zusprach. Im weiteren wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 28. März 2011). 
 
C. 
Die Zürich erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei der Einspracheentscheid vom 12. August 2010 zu bestätigen. 
G.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; Urteil 8C_277/2009 vom 19. Juni 2009 E. 1). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist die Höhe der Invalidenrente. Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache wurden im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
3.1 Die Parteien sind sich darin einig, dass die Versicherte als Folge des erlittenen Sturzes mit linksseitiger Radiusfraktur nach osteosynthetischer Versorgung, wobei Osteosynthesematerial in Form einer Schaube über den Knochen vorsteht und dabei eine Reizung der Muskulatur mit Schmerzen im Bereich der Handinnenfläche und verminderter Bewegungsfähigkeit und Extension im Handgelenk bewirkt, an einem chronischem Schmerzsyndrom der linken Hand leidet. Ebenso steht unstreitig fest, dass mit Blick auf die Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit auf die Angaben im Gutachten des Zentrums Y.________ AG vom 9. November 2009 abzustellen ist, wonach aufgrund der Tatsache, dass die Versicherte nicht mehr in der Lage ist, mit der linken Hand eine Greifbewegung zu machen, in der angestammten Tätigkeit als Raumpflegerin höchstens noch eine Arbeitsfähigkeit von 50 % besteht. Als ganztags zumutbar erachteten die Untersuchenden hingegen eine leichte Tätigkeit, bei welcher die linke Hand als blosse Hilfshand zum Einsatz kommt. Bei einer solchen optimal angepassten Tätigkeit würde die Leistungsfähigkeit wegen der Schmerzen nur noch um 10 % vermindert. Gemäss angefochtenem Entscheid schöpft die Versicherte ihre Restarbeitsfähigkeit nicht optimal aus, da sie weiterhin in der angestammten Branche, bloss in einem reduzierten Pensum, arbeitet. Das Invalideneinkommen wurde daher mittels statistischer Werte (Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2008 [LSE]) ermittelt. Weiter besteht Einigkeit darüber, dass das Valideneinkommen mit Fr. 71'932.- zu beziffern ist. 
 
3.2 Die Beschwerde führende Unfallversicherung wirft dem kantonalen Gericht einzig vor, es habe bei der Bemessung des Invalideneinkommens vom tabellarischen Medianwert für Tätigkeiten mit Anforderungsniveau 4 zu Unrecht neben einer Reduktion von 10 % aus medizinischen Gründen noch einen sogenannten leidensbedingten Abzug von 15 % vorgenommen. 
 
Die Beschwerdeführerin argumentiert, das kantonale Gericht habe den Abzug insbesondere mit dem Alter der Versicherten begründet. Es habe dabei missachtet, dass nach konstanter Rechtsprechung Hilfsarbeiten auf dem massgebenden hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt grundsätzlich altersunabhängig nachgefragt werden und sich das Alter bei Hilfsarbeitstätigkeiten im hier relevanten Anforderungsniveau 4 im Alterssegment von 50 bis 63 Jahren sogar lohnerhöhend auswirke. Die Vorinstanz habe ihr Ermessen somit rechtsfehlerhaft betätigt. Ein leidensbedingter Abzug infolge Alters sei auch aufgrund des aktuellen statistischen Materials nicht zu begründen. Das kantonale Gericht habe zwar angedeutet, dass das Alter als Hauptgrund für den gewährten Leidensabzug gelte, weitere Kriterien jedoch nicht ausdrücklich genannt. 
 
4. 
4.1 Mit einem Abzug vom Tabellenlohn soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad (vgl. dazu SVR 2010 IV Nr. 28 S. 87, 9C_708/2009 E. 2.5.2; Urteil 9C_17/2010 vom 22. April 2010 E. 3.3.2 mit Hinweisen) Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323) und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa in fine S. 80). Der Abzug ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Er darf 25 Prozent nicht übersteigen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80). 
 
4.2 Die Frage, ob ein Abzug nach Massgabe der Grundsätze von BGE 126 V 75 vorzunehmen sei, ist rechtlicher Natur, die Bestimmung eines solchen Abzuges dagegen Ermessensfrage, die im Gegensatz zum früheren Recht (vgl. Art. 104 lit. c OG) nicht zu prüfen ist (Art. 95 und 97 BGG). Gerügt werden kann nur die Höhe des Abzuges im Hinblick auf Ermessensüberschreitung oder -missbrauch als Formen rechtsfehlerhafter (Art. 95 lit. a BGG) Ermessensbetätigung (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C_382/2007 E. 4.1). Die freie gerichtliche Ermessensprüfung im Sinne der Angemessenheitskontrolle, welche unter anderem im Bereich der Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen nach UVG gemäss dem bis am 31. Dezember 2006 gültig gewesenen Art. 132 Abs. 1 lit. a OG letztinstanzlich zulässig war, bleibt mit Inkrafttreten des BGG zum 1. Januar 2007 nunmehr auch auf dem Gebiet der Geldleistungen der Militär- und Unfallversicherung ausgeschlossen (ULRICH MEYER, Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N 31 zu Art. 105 BGG; MARKUS SCHOTT, Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N 26 zu Art. 97 BGG; Urteile 8C_1050/2009 vom 28. April 2010 E. 4.2 und 8C_664/2007 vom 14. April 2008 E. 8.1, je mit Hinweisen). 
 
Ermessensmissbrauch im Besonderen ist gegeben, wenn die Behörde zwar im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Erwägungen leiten lässt oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Verbot von Willkür und von rechtsungleicher Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt (BGE 130 III 611 E. 1.2 S. 615 und 123 V 150 E. 2 S. 152, Urteil 8C_61/2009 vom 25. März 2009 E. 5.1, je mit Hinweisen). 
 
5. 
5.1 Das kantonale Gericht begründet den vom ihm vorgenommenen Leidensabzug damit, dass der Versicherten als gesundheitlich beeinträchtigter Person nur noch ein beschränktes Tätigkeitsspektrum offen stehe. Insbesondere wegen ihres fortgeschrittenen Alters sei ein angemessener leidensbedingter Abzug auf dem Tabellenlohn von 15 % vorzunehmen. Worin damit eine rechtsfehlerhaft Ermessensbetätigung im Sinne eines Missbrauchs, einer Über- oder Unterschreitung bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Eine blosse Unangemessenheit der Höhe des Abzuges kann, wie dargelegt, nicht gerügt werden. 
 
5.2 Die vom kantonalen Gericht angeführte Begründung, der Versicherten stünden angesichts des Umstandes, dass die linke Hand nurmehr als Hilfshand ohne Grifffunktion zur Verfügung stehe, nur noch ein beschränktes Tätigkeitsspektrum offen, was - ohne dass dies von der Vorinstanz explizit ausgeführt wird, aber offensichtlich gemeint ist - eine Reduktion des potenziell angebotenen Lohnes zur Folge hat, erscheint weder als willkürlich, noch als unverhältnismässig. Tätigkeiten des Anforderungsniveaus 4, bei welchen weder Führungsqualitäten noch intellektuelle Fähigkeiten oder eine eigentliche Ausbildung gefragt sind, können auch als eigentliche manuelle Arbeiten umschrieben werden. Dass eine erhebliche Einschränkung in der Funktionalität einer Hand eine erschwerte Verwertbarkeit der trotz des Gesundheitsschadens noch zumutbaren Arbeitsfähigkeit bewirkt, ist offensichtlich. Diesem Umstand kann mit einem Abzug vom durchschnittlichen statistischen Lohn Rechnung getragen werden. Darin liegt keine Rechtsverletzung. Das Bundesgericht hat in einem vergleichbaren Fall, bei dem ein Versicherter mit der linken Hand noch Gewichte von 1 kg heben konnte, die Greiffunktion und die Feinmotorik indessen gestört waren, bei einer vollschichtig zumutbaren angepassten Tätigkeit sogar den maximal zulässigen Abzug von 25 % vom Tabellenlohn bestätigt (Urteil 8C_390/2011 vom 10. August 2011). 
 
5.3 Da der Abzug in Würdigung der Umstände im Einzelfall gesamthaft zu schätzen ist, geht es nicht an, einzelne Kriterien zu addieren. Es kann daher offen bleiben, ob das von der Vorinstanz ebenfalls erwähnte Kriterium "Alter" zu berücksichtigen wäre. 
 
6. 
Infolge ihres Unterliegens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG) und der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 8. September 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer