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[AZA 3] 
4P.85/2000/sch 
 
I. ZIVILABTEILUNG 
******************************* 
 
24. Juli 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, 
Präsident der I. Zivilabteilung, Rottenberg Liatowitsch, 
Nyffeler und Gerichtsschreiberin Zähner. 
 
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In Sachen 
Othmar Berger, Hauptstrasse 81, 4702 Oensingen, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Dr. Stephan Müller, Dornacherstrasse 10, 4600 Olten, 
 
gegen 
Thomas Stutz, Rotmattstrasse 3, 6045 Meggen, Beschwerdegegner, Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, 
 
betreffend 
Art. 9 BV (Zivilprozess; Beweiswürdigung), hat sich ergeben: 
 
A.- Othmar Berger fügte Thomas Stutz am 20. Juli 1993 im Laufe einer tätlichen Auseinandersetzung verschiedene Körperverletzungen zu. Aufgrund dieser Verletzungen war Thomas Stutz während insgesamt 42,9 Tagen erwerbsunfähig. 
 
B.- Am 29. November 1997 reichte Thomas Stutz beim Amtsgericht Thal-Gäu Schadenersatz- und Genugtuungsklage gegen Othmar Berger ein. Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatz von insgesamt Fr. 1'921. 80 nebst Zins setzte sich zusammen aus Fr. 1'481. 35 für Erwerbsausfall, Fr. 340. 45 für verschiedene Selbstbehalte und Fr. 100.-- für eine zerrissene Jeanshose. Zusätzlich verlangte er eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 5'000.--. Mit Urteil vom 18. Mai 1999 verpflichtete das Amtsgericht Thal-Gäu den Beklagten zur Zahlung von Fr. 1'742. 30 (Fr. 1'401. 85 Erwerbsausfall und Fr. 340. 45 Selbstbehalte) nebst Zins von 3,5 % seit 19. Juli 1994 sowie Fr. 1'000.-- Genugtuung. 
 
 
Die vom Beklagten gegen dieses Urteil, namentlich gegen die Festsetzung des Erwerbsausfalles und der Selbstbehaltentschädigung erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 2. März 2000 abgewiesen. 
 
C.- Der Beklagte führt gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde. Der Kläger beantragt deren Abweisung. Das Obergericht des Kantons Solothurn verzichtet auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde, beantragt jedoch ebenfalls deren Abweisung. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Der Beschwerdeführer hält es für qualifiziert falsch und willkürlich, dass das Obergericht bei der Berechnung des Einkommens des Beschwerdegegners, von welchem für die Ermittlung der Erwerbseinbusse auszugehen ist, die Privatbezüge des Beschwerdegegners miteinbezogen hat. 
 
a) Das Obergericht berücksichtigte zur Berechnung des Einkommens neben dem Betriebsgewinn auch die Privatbezüge des Beschwerdegegners und ermittelte so dessen Verdienstausfall auf der Grundlage seines bisherigen Einkommens (BGE 89 II 222 E. 6 S. 232): 
 
Betriebsgewinn 91/92 Fr. 17'004. 45 
Privatbezüge 91/92 Fr. 19'216. 65 
Jahreslohn 91/92 Fr. 36'221. 10 
 
Betriebsgewinn 92/93 Fr. 19'951. 50 
Privatbezüge 92/93 Fr. 56'499. 30 
Jahreslohn 92/93 Fr. 76'450. 80 
 
Durch Division der Summe der beiden Jahreseinkommen (Fr. 112'671. 40) mit 720 Tagen erhielt das Obergericht den in der Periode 1991/92/93 durchschnittlich erzielten Tageslohn von Fr. 156. 50. Der in der Periode 1993/94 erlittene Verdienstausfall belief sich nach der Berechnung des Obergerichts somit auf Fr. 6'713. 85 (42, 9 Tage Erwerbsausfall à Fr. 156. 50). 
 
b) Der Beschwerdeführer beruft sich auf das in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot. Die neue, auf den 
1. Januar 2000 in Kraft getretene Bundesverfassung ist auf die Beurteilung des angefochtenen Entscheides vom 2. März 2000 anzuwenden. Ein Verstoss gegen das Willkürverbot liegt nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV, die insoweit auch für Art. 9 BV Gültigkeit besitzt, nicht bereits dann vor, wenn eine andere als die vom kantonalen Gericht gewählte Lösung ebenfalls vertretbar oder gar vorzuziehen ist. Das Bundesgericht schreitet erst ein, wenn der angefochtene Entscheid nicht nur unrichtig, sondern schlechthin unhaltbar ist, insbesondere wenn er eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt (BGE 125 II 129 E. 5b S. 134; 122 III 130 E. 2a S. 131). Erforderlich ist zudem, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5; 122 I 61 E. 3a S. 66). Nach der Rechtsprechung verfällt eine Behörde in Willkür, wenn sie ihrem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. 
 
Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt das Sachgericht allerdings einen weiten Ermessensspielraum (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40 mit Hinweisen). Verfassungswidrig ist daher eine Beweiswürdigung bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder sonstwie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkürlich ist insbesondere eine Beweiswürdigung, welche einseitig einzelne Beweise berücksichtigt oder Sachvorbringen als unbewiesen annimmt, obgleich sie aufgrund des Verhaltens der Gegenpartei offensichtlich als zugestanden zu gelten hätten (BGE 118 Ia 28 E. 1b S. 30). Dagegen reicht nicht bereits aus, dass die vom Sachgericht gezogenen Schlüsse mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei nicht übereinstimmen oder die Verfassungsinstanz bei freier Prüfung möglicherweise nicht zu überzeugen vermöchten. 
2.- a) Im Einzelnen hält der Beschwerdeführer, der die Elemente der Berechnung des Obergerichtes unangefochten lässt, die Aufrechnung der Privatbezüge deshalb für willkürlich, weil sie nicht durch den Betrieb, sondern durch Kreditaufnahmen finanziert worden seien. Der Betrieb des Beschwerdegegners habe sich wegen der Privatbezüge verschuldet, was sich auch mit dem als Folge der Privatbezüge eingetretenen Passivenüberschuss per 30.9.1993 beweisen lasse. 
Durch Dritte finanzierte Privatbezüge könnten nicht dem Lohn zugerechnet werden. 
 
b) Gemäss Art. 43 Abs. 1 OR bestimmt das Gericht Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden, wobei sowohl die Umstände als auch die Grösse des Verschuldens zu würdigen sind. Mit dem Verweis auf die Umstände gesteht das Gesetz dem Richter einen Ermessensspielraum zu (Art. 4 ZGB). Bei der Überprüfung solcher richterlicher Ermessensentscheide auferlegt sich das Bundesgericht - selbst bei der nicht auf Willkür beschränkten Rechtskontrolle - Zurückhaltung. In Ermessensentscheide wird eingegriffen, wenn diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erscheinen (BGE 123 III 274 E. 1a/cc S. 279 f.; 122 III 262 E. 2a/bb S. 267 mit Hinweisen). 
Eine Verletzung des Willkürverbotes ist demnach nur bei einem krassen Ermessensmissbrauch anzunehmen. 
 
c) Nicht eindeutig ist, ob der Beschwerdeführer dem Obergericht willkürliche Beweiswürdigung vorwerfen oder eine Verletzung von Bundesrecht rügen will. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde kann, sofern es sich um eine nicht berufungsfähige Streitsache handelt, auch gerügt werden, die urteilende Behörde habe Bundesrecht willkürlich angewendet (Art. 84 Abs. 2 OG). Allerdings ist dabei zu beachten, dass in der Beschwerdeschrift genau anzugeben ist, welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Ab. 1 OG). Diesem Rügeprinzip wird die Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers jedoch nicht gerecht, da sie einzig den pauschalen Vorwurf enthält, es sei Sache des nach Art. 41 ff. OR Geschädigten, den Schaden nachzuweisen. Auf die Rüge der willkürlichen Anwendung von Bundesrecht kann daher nicht eingetreten werden. 
 
d) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Berücksichtigung der Privatbezüge des Beschwerdegegners für die Berechnung des Einkommens sei willkürlich, insbesondere wegen deren Finanzierung durch Kreditaufnahmen und deren Höhe. 
 
Das Obergericht liess sich bei der Berechnung des Schadens des Beschwerdegegners auch vom Verbrauch des Geschädigten leiten. Es stellte nicht nur auf das erwirtschaftete Betriebsergebnis ab, sondern berücksichtigte auch die Vermögensbestandteile, die der Beschwerdegegner zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes brauchte. Im Ergebnis führte diese Berechnung dazu, dass das Obergericht dem Beschwerdegegner ein monatliches Einkommen von rund Fr. 4'700.-- anrechnete. 
Ein Einkommen in diesem Umfang entspricht ungefähr dem schweizerischen Durchschnitt, so dass es kaum als übermässig bezeichnet werden kann. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Privatbezüge hätten allein schon wegen ihrer Höhe nicht zur Anrechnung gelangen dürfen, ist jedenfalls unbegründet. 
 
Die Ausführungen des Beschwerdeführers in Bezug auf die buchhalterische Behandlung von Privatbezügen sind zwar grundsätzlich richtig, im vorliegenden Fall jedoch nicht von Bedeutung. Ob der Beschwerdegegner diese Bezüge korrekt, d.h. erfolgsneutral, verbucht hat, ist nicht ersichtlich, allerdings insoweit auch nicht beachtlich, als die Schadensberechnung nur zu beanstanden wäre, wenn sie sich auf übersetzte Privatbezüge stützte, nicht bereits dann, wenn sie auf unkorrekt verbuchten Bezügen basiert. Im Übrigen ist es in der Praxis häufig, dass Einzelunternehmer ihren Lebensunterhalt durch Privatbezüge finanzieren und diese Bezüge direkt dem Aufwand belasten und somit den erzielten Unternehmenserfolg beeinflussen. 
 
Worauf sich die Einkommens- und damit zusammenhängend die Schadensberechnung stützt, wird vom Obergericht teilweise nicht explizit dargelegt. Damit ist allerdings weder erwiesen, dass die Begründung willkürlich sei, noch dass der Entscheid im Ergebnis gegen das Willkürverbot verstösst. 
Die Schadensberechnung des Obergerichtes ist im Ergebnis nicht völlig unhaltbar. Das Obergericht hat somit das ihm gemäss Art. 43 Abs. 1 OR zustehende Ermessen bei der Schadensberechnung nicht willkürlich ausgeübt. 
 
3.- Da die Beschwerde abzuweisen ist, wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig und hat die Gerichtsgebühr zu bezahlen. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet, da ein Honorarersatz für den ohne Anwalt prozessierenden Beschwerdegegner von vornherein entfällt. Der Beschwerdegegner hat zwar sinngemäss einen Ersatz für seinen eigenen Zeitaufwand verlangt, doch müsste dieser nach der Praxis besonders erheblich und nachgewiesen sein, damit er eine Entschädigung zu rechtfertigen vermag, was vorliegend nicht der Fall ist (BGE 113 Ib 353 E. 6b S. 356; 115 Ia 12 E. 5 S. 21). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 24. Juli 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Die Gerichtsschreiberin: