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[AZA 0/2] 
5P.350/2001/bnm 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
20. Dezember 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Nordmann 
und Gerichtsschreiber Gysel. 
 
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In Sachen 
A.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
B.________, Beschwerdegegner, Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich alsoberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung undKonkurs, 
 
betreffend 
Art. 29 Abs. 2 BV,hat sich ergeben: 
 
A.- Am 4. April 2001 beschloss das Bezirksgericht Bülach (I. Abteilung) als untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unter anderem, dass die von A.________ gegen B.________, der im Nachlassstundungsverfahren gegen ihn als Sachwalter geamtet hatte, eingereichte Beschwerde infolge Gegenstandslosigkeit als erledigt abgeschrieben werde. 
 
Diesen Beschluss nahm A.________ am 30. Mai 2001 in Empfang. Er rekurrierte an das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde, wobei die Rekursschrift bei dieser Instanz einerseits als A-Post-Sendung mit dem Stempel des Postamtes Z.________ vom 12. (Monat unleserlich) 2001 sowie der Uhrzeit (wahrscheinlich) 9 und andererseits als am 12. Juni 2001, 17.53 Uhr, aufgegebene Lettre-Signature-Sendung einging. 
 
Durch Beschluss vom 29. August 2001 entschied die obere kantonale Aufsichtsbehörde, dass auf den Rekurs, da erst am 12., statt spätestens am 11. Juni, und damit verspätet aufgegeben, nicht eingetreten werde. 
 
B.- Diesen Entscheid nahm A.________ am 13. September 2001 in Empfang. Mit einer vom 10. Oktober 2001 datierten und am 11. Oktober 2001 zur Post gebrachten Eingabe führt er (rechtzeitig) staatsrechtliche Beschwerde, verbunden mit dem Gesuch, ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Der Beschwerdegegner B.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung ausdrücklich verzichtet. 
 
C.- Mit Eingabe vom 20. September 2001 hat der Beschwerdeführer ausserdem Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer erhoben. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Im Sinne der Regel von Art. 57 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 81 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde unter den hier gegebenen Umständen vor der bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer eingereichten Beschwerde zu behandeln. 
 
2.- Der Beschwerdeführer macht in verschiedener Hinsicht Verletzungen der Art. 6 und 14 EMRK sowie des UNO-Paktes II geltend. Die Rügen betreffen das Verfahren vor der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann neben dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz derjenige einer unteren Instanz nur dann mitangefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobenen Rügen hatten unterbreitet werden können oder wenn solche Rügen von der letzten kantonalen Instanz zwar beurteilt wurden, jedoch mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE 126 II 377 E. 8b S. 395 mit Hinweisen). Dass eine dieser Voraussetzungen hier gegeben wäre, ist nicht dargetan. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten. 
3.- a) Nach der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Feststellung des Obergerichts endete die Frist für die Beschwerde an die obere kantonale Aufsichtsbehörde (Art. 18 Abs. 1 SchKG) am 11. Juni 2001. Die kantonale Instanz weist auf die (der Lettre-Signature-Sendung beigefügte) Erklärung des Beschwerdeführers hin, wonach er die (vom Postamt Z.________ am 12. Juni 2001 abgestempelte) A-Post-Sendung "am späten Abend des 11. Juni 2001" aufgegeben habe. Sie entnimmt ihr das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe die Sendung zum angegebenen Zeitpunkt in Z.________ in den Briefkasten geworfen. 
Aus den angeführten Äusserungen schliesst sie weiter, der Beschwerdeführer habe unter den von ihm dargelegten Umständen damit rechnen müssen, dass die Sendung erst am 12. Juni 2001 durch die Post gestempelt werde. Wie auch in einem Urteil des Bundesgerichts vom 15. Juni 2001 festgehalten worden sei, habe der Beschwerdeführer bei einer Sachlage der gegebenen Art (von sich aus) den Nachweis für die Fristwahrung zu erbringen, indem er sich etwa durch eine Drittperson den rechtzeitigen Einwurf bestätigen lasse; entsprechende Beweismittel seien in der Rechtsschrift selbst oder zumindest auf dem Umschlag der Sendung zu bezeichnen; ein Beschwerdeführer könne nicht erwarten, dass er zu deren Nennung noch besonders aufgefordert werde. Die Ausführungen des Beschwerdeführers im Begleitschreiben vom 12. Juni 2001 würdigte das Obergericht als blosses Parteivorbringen, und es gelangte zum Schluss, es sei nicht dargetan, dass die Rekursschrift innert der Frist von Art. 18 Abs. 1 SchKG zur Post gegeben worden sei; auf den Rekurs sei daher nicht einzutreten. 
 
 
b) Im Nichteintreten auf seine Beschwerde erblickt der Beschwerdeführer hauptsächlich eine Verletzung der Art. 5, 9 und 29 BV: Auf Grund seiner Eingaben habe dem Obergericht ohne weiteres bewusst werden müssen, dass er den Beweis der rechtzeitigen Postaufgabe werde erbringen können. Wenn die kantonale Instanz davon ausgegangen sei, er hätte die entsprechenden Beweismittel gleich mit der Beschwerde einreichen müssen, habe sie ihr Ermessen krass überschritten und missbraucht und sei sie ausserdem in Willkür verfallen. Eine Bestätigung auf dem Briefumschlag ohne Nachweis, dass er sich auch tatsächlich (zum angegebenen Zeitpunkt) bei der Poststelle aufgehalten und den Umschlag eingeworfen habe, scheine ihm doch ein etwas vager Nachweis zu sein und er habe deshalb gehofft, er werde mit zwei Belegen, einer Postomat- und einer Konsumationsquittung, zusätzliche Beweismittel anbieten können. 
Das Vorgehen des Obergerichts hält der Beschwerdeführer zudem für krass unverhältnismässig und überspitzt formalistisch, habe er doch als juristischer Laie nicht erkennen können, wie er bezüglich der Bezeichnung der Beweismittel vorzugehen habe. Ferner habe sich das Obergericht unter anderem auch eine Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zuschulden kommen lassen. 
 
4.- a) Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien in einem Verfahren vor einer Gerichts- oder Verwaltungsinstanz Anspruch auf rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung; andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. 
Dazu gehört insbesondere das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56 mit Hinweis). 
In seiner Rechtsprechung zu Art. 4 aBV, aus dem der Gehörsanspruch vor der Verfassungsänderung abgeleitet wurde, hatte das Bundesgericht ausdrücklich auf den Anspruch des Rechtssuchenden hingewiesen, die aus dem Poststempel folgende Vermutung verspäteter Aufgabe des Rechtsmittels widerlegen zu können (BGE 115 Ia 8 E. 3a S. 12). 
 
b) Weist der Beschwerdeführer - wie hier - in seiner Rechtsschrift oder in einer unmittelbar damit zusammenhängenden Zuschrift darauf hin, dass er jene am Abend des letzten Tags der Frist in einen Briefeinwurf der Post gelegt habe, und trägt die Sendung den Stempel des nächsten Tages, geht es nach dem Gesagten nicht an, dass die angerufene Instanz ohne weiteres beschliesst, auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Entgegen der vom Obergericht vertretenen Auffassung ist diese gehalten, dem Rechtssuchenden die Gelegenheit zu geben, Beweise dafür einzureichen, dass die Rechtsschrift innert Frist der Post übergeben worden sei. Der angefochtene Nichteintretensbeschluss verstösst somit gegen Art. 29 Abs. 2 BV, so dass die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen ist. 
 
5.- a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, gegenstandslos. Eine Gerichtsgebühr ist weder dem Beschwerdegegner, der als Sachwalter in dem gegen den Beschwerdeführer angeordneten Nachlassverfahren amtlich tätig gewesen war, noch dem Kanton aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). 
 
b) Der Beschwerdeführer ist nicht durch einen Anwalt vertreten. Seine Eingabe ist weitschweifig. Das Abfassen einer angemessenen und ausreichenden Eingabe wäre, zumal für den sich als Rechtsberater ausgebenden Beschwerdeführer, nicht mit einem Aufwand verbunden gewesen, der die Zusprechung einer Entschädigung zu rechtfertigen vermöchte (dazu BGE 113 Ib 353 E. 6b S. 357 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 II 518 E. 5b S. 519 f.; 110 V 132 E. 7 S. 136). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichts (II. Zivil-kammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 29. August 2001 wird aufgehoben. 
 
2.- Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
 
3.- Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt. 
_________________ 
Lausanne, 20. Dezember 2001 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: