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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_730/2008 
 
Urteil vom 23. März 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Maillard, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Parteien 
G.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 30. Juni 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1970 geborene G.________ meldete sich am 23. März 2006 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte erwerbliche Abklärungen durch und holte u.a Berichte der behandelnden Psychiaterin, Frau Dr. med. E.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 17. Mai 2006 und des Hausarztes Dr. med. T.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, vom 17. Mai 2006, ein. Ausserdem veranlasste sie eine Begutachtung bei Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. September 2006. Unter Berücksichtigung einer Stellungnahme ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) verneinte die IV-Stelle verfügungsweise am 18. Dezember 2006 einen Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf Rente mangels Invalidität. 
 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen erhobene Beschwerde des G.________ mit Entscheid vom 30. Juni 2008 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlichen-rechtlichen Angelegenheiten lässt G.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zu neuer Abklärung und Entscheidung an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]). Wie die Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche Ermessensbetätigung im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu Art. 132 lit. a OG]) ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG und Art. 4 IVG), zutreffend dargelegt. Das Gleiche gilt für die vorinstanzlichen Ausführungen zu den Aufgaben der Ärztin und des Arztes bei der Festsetzung der Arbeitsfähigkeit (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen) sowie zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Hierauf wird verwiesen. 
Zur Annahme der Invalidität nach Art. 8 ATSG ist - auch bei psychischen Erkrankungen - in jedem Fall ein medizinisches Substrat unabdingbar, das (fach-)ärztlicherseits schlüssig festgestellt wird und nachgewiesenermassen die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Je stärker psychosoziale und soziokulturelle Faktoren wie beispielsweise Sorge um die Familie oder Zukunftsängste (etwa ein drohender finanzieller Notstand) im Einzelfall in den Vordergrund treten und das Beschwerdebild mitbestimmen, desto ausgeprägter muss eine fachärztlich festgestellte psychische Störung von Krankheitswert vorhanden sein. Das bedeutet, dass das klinische Beschwerdebild nicht einzig in Beeinträchtigungen, welche von den belastenden soziokulturellen Faktoren herrühren, bestehen darf, sondern davon psychiatrisch zu unterscheidende Befunde zu umfassen hat, zum Beispiel eine von depressiven Verstimmungszuständen klar unterscheidbare andauernde Depression im fachmedizinischen Sinne oder einen damit vergleichbaren psychischen Leidenszustand. Solche von der soziokulturellen Belastungssituation zu unterscheidende und in diesem Sinne verselbstständigte psychische Störungen mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sind unabdingbar, damit überhaupt von Invalidität gesprochen werden kann. Wo die begutachtende Person dagegen im Wesentlichen nur Befunde erhebt, welche in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen ihre hinreichende Erklärung finden, gleichsam in ihnen aufgehen, ist kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299). 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte an einer invalidisierenden Gesundheitsschädigung leidet, die Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung begründet. 
 
3.1 Zum psychischen Gesundheitszustand hat die Vorinstanz in umfassender Würdigung der medizinischen Aktenlage, namentlich gestützt auf das als beweiskräftig erachtete Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, und des lic. phil. R.________, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, vom 18. September 2006, festgestellt, der Beschwerdeführer leide an einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1). Ob zusätzlich ein somatisches Syndrom gegeben sei, wie im Gutachten diagnostiziert worden sei (mittelgradige depressive Störung mit eher schwach ausgebildetem somatischem Syndrom [ICD-10: F32.11]), könne ebenso offenbleiben, wie die Frage einer eventuell zusätzlich vorliegenden leichten kognitiven Störung (ICD-10: F06.7) und einer leichten Intelligenzminderung (ICD-10: F70), welche Verdachtsdiagnosen ebenfalls im Gutachten vom 18. September 2006 aufgeführt wurden. Diese Feststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig. 
 
3.2 Hinsichtlich des verbleibenden Leistungsvermögens gelangte das kantonale Gericht zum Schluss, der Beschwerdeführer sei trotz der festgestellten psychischen Beeinträchtigungen zumindest für die von ihm auch weiterhin noch - eigenen Angaben gemäss im Umfang von sechs Stunden pro Tag - ausgeübte Tätigkeit als selbstständiger Taxifahrer vollständig arbeitsfähig. Daran ändere nichts, wenn seitens des begutachtenden Psychiaters bei einem Angestelltenverhältnis aufgrund der eingeschränkten Konfliktbewältigung und -toleranz nur von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen werde. Aus sämtlichen medizinischen Akten ergäbe sich, dass der Versicherte als Reaktion auf den sich verschlechternden Geschäftsgang als selbstständiger Taxiunternehmer zunehmend mit Schlafstörungen, Reizbarkeit bis hin zur Aggressivität gegenüber der Familie reagiert habe. Weiter würden ihn Existenzängste plagen, er habe aber auch mangelndes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, Letzteres u.a. hervorgerufen durch die mehrmaligen, erfolglosen Versuche, die Lastwagenprüfung zu absolvieren. An das Gelingen dieser Prüfung habe die behandelnde Psychiaterin Frau Dr. med. E.________ im Bericht vom 17. Mai 2006 auch den Verlauf der weiteren gesundheitlichen Situation geknüpft. Der Hausarzt Dr. med. T.________, den der Versicherte allerdings seit 4. November 2005 nicht mehr aufsuchte, habe sodann mit dem Hinweis auf Herkunft und familiäre Probleme keine günstige Prognose gestellt (Bericht vom 17. Mai 2006). Das kantonale Gericht führte zusammenfassend aus, die depressive Störung sei zweifellos durch die Sorgen um den Unterhalt und das finanzielle Fortkommen der Familie, somit durch psychosoziale Probleme, ausgelöst und durch das mangelnde Selbstbewusstsein verstärkt worden. Daher könne nur eine ausgeprägte psychische Störung von Krankheitswert eine Invalidität begründen, welche nicht vorliege. 
3.3 
3.3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet letztinstanzlich erstmals die Beweistauglichkeit des psychiatrischen Gutachtens vom 18. September 2006, weil dieses nur durch den Psychologen lic. phil. R.________ unterzeichnet und vom Psychiater Dr. med. B.________ lediglich visiert worden sei. 
3.3.2 Soweit tatsächlicher Natur, ist der neue Einwand als unzulässiges Novum zu werten, welches bei gehöriger Sorgfalt ohne weiteres bereits vor Verwaltung, spätestens aber im vorinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. Ulrich Meyer, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N 18 ff., insb. N 40 zu Art. 99 Abs. 1; s. auch Urteile 4A_36/2008 vom 18. Februar 2008 E. 4.1 und 9C_235/2007 vom 8. Mai 2008 E. 3.2). 
Als (unter Vorbehalt von Treu und Glauben) grundsätzlich zulässiger rechtlicher Einwand dringt die Rüge nicht durch. Die IV-Stelle erteilte am 15. August 2006 Dr. med. B.________ den Gutachterauftrag. Es bestehen keine Anhaltspunkte zur Annahme, dass der beauftragte Experte bei der Begutachtung nicht mitgewirkt hat. Aus der in "wir-Form" abgefassten Expertise ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Begutachtung einzig durch den Fachpsychologen vorgenommen worden war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Facharzt und -psychologe die Begutachtung in ihrer Gemeinschaftspraxis zusammen durchführt haben, was der Verwertung des Gutachtens nicht entgegensteht. Das Gutachten trägt die Unterschrift beider Personen, wobei der Umstand, dass Dr. med. B.________ dieses lediglich visiert hat, seinen Beweiswert ohnehin nicht schmälert (vgl. Urteil I 142/07 vom 20. November 2007 E. 3.2.3). 
 
3.4 Sodann vermöchten bei diesem verbindlich feststehenden Sachverhalt auch weitere fachärztliche Abklärungen nichts daran zu ändern, dass es im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses an einem hinreichend ausgeprägten (psycho)pathologischen Substrat fehlt, um einen invalidisierenden psychischen Gesundheitsschaden bejahen zu können. Entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers besteht mithin kein Anlass für eine Rückweisung der Streitsache an die IV-Stelle zwecks Einholung eines neuropsychologischen Gutachtens, zumal sich in den medizinischen Akten keinerlei Hinweise auf eine neuropsychologische Störung mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit finden. Überdies wurde der Versicherte bereits wegen eines Hydrocephalus occlusivus bei Status nach Meningitis TBC 1977 neuropsychologisch untersucht, wobei leichtere Gedächtnisauffälligkeiten sowie eine verminderte kognitive Umstellfähigkeit festgestellt wurden. Laut den beigezogenen Vorakten des Kinderspitals X.________ von 1981 bestand seit jeher ein leicht reduziertes intellektuelles Niveau. Die Fahrtauglichkeit wurde jedoch trotz dieser Beeinträchtigungen aus neuropsychologischer Sicht bejaht (Bericht des Spitals Y.________, Neurologische Klinik und Poliklinik, vom 5. Oktober 2005). Mit Blick auf die beweisrechtlich bedeutsame Verschiedenheit von Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und Begutachtungsauftrag andererseits (vgl. BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; s. auch Urteil I 701/05 vom 5. Januar 2007 E. 2 in fine, mit zahlreichen Hinweisen) zutreffend entkräftet hat das kantonale Gericht im Weiteren den Einwand des Beschwerdeführers, die Feststellung einer 100%igen Restarbeitsfähigkeit als selbstständiger Taxifahrer stünde im Widerspruch zum Bericht der behandelnden Ärztin Frau Dr. med. E.________ vom 17. Mai 2006, die den Versicherten seit 15. September 2005 (Behandlungsbeginn) als vollständig arbeitsunfähig erachtete. Das kantonale Gericht hat auch überzeugend dargelegt, warum die Expertise hinsichtlich der unterschiedlichen Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit als selbstständiger Taxifahrer und als Hilfsarbeiter im Angestelltenverhältnis schlüssig und nachvollziehbar ist, weshalb darauf abgestellt werden kann. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen. Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Vorinstanz demnach ohne Verletzung der Beweisregeln oder des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) von weiteren Abklärungen Abstand nehmen. Damit bleibt es bei der Verneinung des Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung. 
 
4. 
Die zu erhebenden Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind ausgangsgemäss vom Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 23. März 2009 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Polla