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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_295/2022  
 
 
Urteil vom 21. Dezember 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 13. April 2022 (5V 21 374). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1963 geborene A.________ arbeitete seit 1. November 2008 als Sekretärin bei der B.________ GmbH. Am 22. Februar 2009 rutschte sie auf Eis aus und fiel auf das Gesäss; sie erlitt eine schräg verlaufende nicht-dislozierte distale Sakrumquerfraktur (S5) angrenzend an den sacrococcygealen Übergang unterhalb des gewichttragenden Sakrums. Am 7. April 2011 wurde sie von der Arbeitgeberin bei der IV-Stelle Luzern zur Früherfassung angemeldet. Am 25. Mai 2011 lehnte diese den Anspruch auf ein Stehpult ab. Am 8. November 2011 meldete sich A.________ bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Diese sistierte das Verfahren am 23. Mai 2012 bis zum Abschluss des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens. Der Unfallversicherer holte ein Gutachten der Gutachterstelle C.________, vom 10. Juli 2014 ein, von dem die IV-Stelle am 24. Juli 2014 Kenntnis erhielt. Mit Verfügung vom 26. September 2014 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren der A.________ ab. Hiergegen erhob die Versicherte beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde, worauf die IV-Stelle die Verfügung lite pendente aufhob. Am 16. Februar 2015 erklärte das Kantonsgericht Luzern das Verfahren als erledigt.  
 
A.b. Die IV-Stelle holte u.a. ein polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Interlaken Unterseen GmbH vom 22. März 2018 mit Ergänzung vom 31. Januar 2019 ein. Weiter zog sie Stellungnahmen der Dr. med. D.________, Fachärztin für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, vom 17. April 2018, 29. März 2019 und 23. April 2021 bei. Mit Verfügung vom 23. September 2021 verneinte sie einen Rentenanspruch.  
 
B.  
Die hiergegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 13. April 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Urteils sei ihr rückwirkend mindestens eine Viertelsrente zuzüglich 5 % Verzugszins seit dem geschuldeten Zeitpunkt zuzusprechen. Sämtliche zusätzlichen medizinischen Abklärungskosten nach dem Medas-Gutachten vom 22. März 2018 seien ihr von der IV-Stelle zurückzuerstatten (unter anderem betreffend hausärztliche Abklärungen und Bericht des Dr. med. F.________, neurologische Abklärungen durch Dr. med. G.________ etc.). Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der praxisgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7). 
 
2.  
Streitig ist, ob die vorinstanzliche Verneinung des Rentenanspruchs bundesrechtskonform ist. 
 
2.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1).  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 IVG) und den Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen (BGE 143 V 409 und 418, 141 V 281) und des Beweiswerts ärztlicher Berichte (vgl. E. 1 hiervor; BGE 125 V 351 E. 3b/bb). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, das polydisziplinäre (allgemein-internistische, neurologische, psychiatrische, neuropsychologische und rheumatologische) Gutachten der MEDAS Interlaken vom 22. März 2018 und ihre Stellungnahme vom 31. Januar 2019 seien voll beweiswertig. Auf dieses Gutachten könne in Übereinstimmung mit RAD-Ärztin Dr. med. D.________ abgestellt werden. Gestützt darauf sei die Beschwerdeführerin seit April 2011 (Anmeldung bei der IV-Stelle) in ihrer angestammten Tätigkeit als Sekretärin und in einer leidensangepassten Tätigkeit zu maximal 33 % eingeschränkt. Weiter begründete die Vorinstanz einlässlich, weshalb sämtliche Einwände der Beschwerdeführerin an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermöchten. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass eine mindestens 40%ige Arbeitsunfähigkeit während eines Jahres damit nicht ausgewiesen sei, womit das Wartejahr nicht erfüllt sei. Eine Berechnung des Invaliditätsgrads erübrige sich daher. Die IV-Stelle habe einen Rentenanspruch somit zu Recht verneint. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, Dr. med. D.________ sei als Fachärztin für Physikalische Medizin und Rehabilitation für die Beurteilung der vorliegenden Diagnosen fachlich nicht qualifiziert. Es erschliesse sich der Beschwerdeführerin nicht, weshalb die IV-Stelle im vorliegenden Fall nicht einen Facharzt für Neurologie beigezogen habe.  
 
4.2. Die Vorinstanz hat eingehend und schlüssig dargelegt, dass mit Blick auf den Aufgabenbereich der Facharztpersonen für Physikalische Medizin nicht einzusehen sei, weshalb Dr. med. D.________ nicht in der Lage gewesen sein soll, die Akten mit Bezug auf das Beschwerdebild - mit im Vordergrund stehendem Schmerzsyndrom - zu beurteilen. Die Beschwerdeführerin bringt keine substanziierten Einwände vor, die die vorinstanzliche Begründung umzustossen vermöchten. Soweit sie auf ihre Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde verweist, ist dies ohnehin unzulässig (BGE 143 V 168 E. 5.2.3, 134 II 244; Urteil 8C_150/2022 vom 7. November 2022 E. 6.1.2).  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe sich mit diversen ihrer Vorbringen nicht bzw. ungenügend auseinandergesetzt. Sie verweist insbesondere auf den Radiologiebericht der Klinik E.________ vom 17. Februar 2021, woraus ein verschlechterter Gesundheitszustand hervorgehe. Gleiches gelte betreffend ihren Einwand, dass die von der MEDAS geforderte EMG-Untersuchung nicht durchgeführt worden sei.  
 
5.2. Im Rahmen der aus dem Gehörsanspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden Begründungspflicht ist es nicht erforderlich, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiter ziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 142 II 49 E. 9.2, 138 I 232 E. 5.1; Urteil 8C_754/2021 vom 21. Dezember 2021 E. 5.2). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in allen Teilen. Insbesondere setzte sich die Vorinstanz auch mit dem Radiologiebericht der Klinik E.________ vom 17. Februar 2021 und mit der Frage einer erforderlichen Untersuchung mittels Elektromyographie (EMG) auseinander (vgl. auch E. 8.2 hiernach).  
 
6.  
 
6.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, auf das neuropsychologische MEDAS-Gutachten vom 19. Januar 2018 könne nicht abgestellt werden, da die entsprechende Untersuchung habe abgebrochen werden müssen.  
 
6.2.  
 
6.2.1. Das neuropsychologische MEDAS-Gutachten vom 19. Januar 2018 hält fest, die entsprechende Begutachtung habe abgebrochen werden müssen; es sei keine vollständige Untersuchung durchführbar gewesen. Einerseits habe die Beschwerdeführerin bei allen visuellen Aufgaben erhebliche Übelkeit und Schwindel angegeben mit der Unfähigkeit, visuelle Reize zu verarbeiten. Andererseits hätten sich innerhalb der angewendeten Verfahren deutlich invalide Ergebnisse gezeigt, weshalb weitere Tests keine neuen Ergebnisse mehr gebracht hätten. Die erhaltenen Testwerte mit defizitären Leistungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Neugedächtnis und Exekutivfunktionen seien nicht gültig. Eine differenzierte Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei aufgrund der invaliden Ergebnisse nicht möglich.  
 
6.2.2. Hieraus kann die Beschwerdeführerin indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn die neuropsychologische MEDAS-Gutachterin gab gleichzeitig an, es gebe keine schlüssige Ätiologie, die relevante kognitive Probleme begründen könnte. Innerhalb der 2 Std. 55 Min. hätten sich keine Hinweise auf eine verminderte zeitliche Belastbarkeit ergeben. Zudem sei zu beachten, das die Beschwerdeführerin selbstständig mit dem Auto angereist sei (ca. 40 Min. Fahrzeit) und am Ende der Untersuchung angegeben habe, ohne vorherige Pause die gleiche Strecke wieder zurückzufahren. Diesbezüglich erhebt die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Einwände. Somit ist es weder willkürlich noch anderweitig bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz die betreffende Abklärung nicht beanstandete, zumal die neuropsychologische Gutachterin der MEDAS die interdisziplinäre Beurteilung, wonach die Beschwerdeführerin in der angestammten Tätigkeit als Sekretärin und in einer leidensangepassten Tätigkeit zu maximal 33 % eingeschränkt sei, mitunterzeichnete (vgl. auch Urteil 8C_150/2022 vom 7. November 2022 E. 10.3).  
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerdeführerin macht erstmals vor Bundesgericht geltend, mit dem MEDAS-Gutachten vom 22. März 2018 seien die "Begutachtungsleitlinien Versicherungsmedizin, Fachspezifisch Neurologischer Teil", Version vom 28. April 2020 (publiziert auf der Homepage der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft [SNG], www.swissneuro.ch), verletzt worden. Sie bringt diesbezüglich im Wesentlichen vor, weder vom Kopf noch von der Lendenwirbelsäule (LWS) seien Bilder angefertigt worden. Der MEDAS-Rheumatologe habe in der Beurteilung vom 13. Juni 2018 eine zusätzliche EMG-Abklärung gefordert. Der MEDAS-Neurologe habe in der Stellungnahme vom 22. Dezember 2018 zu Unrecht auf die Anfertigung neuer Bildgebungen der LWS und der HWS sowie des Kopfes und auf die vom MEDAS-Rheumatologen geforderte EMG-Untersuchung verzichtet. Somit bleibe die rückwirkende Arbeitsfähigkeitsschätzung der MEDAS objektiv falsch. Die Progredienz der LWS-Situation habe im Zeitpunkt der Begutachtung bereits vorgelegen. Die MEDAS-Gutachter hätten sich unzulässigerweise auf Aggravation und Simulation berufen, die heute bildgebend widerlegt seien. Die Beschwerdeführerin ruft zudem diverse Arztberichte an, die nach ihrer Auffassung das Ergebnis des Gutachtens der MEDAS vom 22. März 2018 und ihrer Ergänzung vom 31. Januar 2019 in Frage stellten.  
 
7.2.  
 
7.2.1. Da die Frage, ob die "Begutachtungsleitlinien Versicherungsmedizin, Fachspezifisch Neurologischer Teil" verletzt wurden, eine Rechtsfrage beschlägt und die Beschwerdeführerin sich diesbezüglich auf bereits vorinstanzlich dargelegte Tatsachen beruft, ist diese Rüge zulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
7.2.2. Vorliegend datieren das MEDAS-Gutachten vom 22. März 2018 und die MEDAS-Stellungnahmen vom 13. Juni und 22. Dezember 2018 sowie 31. Januar 2019. Die von der Beschwerdeführerin angerufenen "Begutachtungsleitlinien Versicherungsmedizin, Fachspezifisch Neurologischer Teil" wurden erst am 28. April 2020 erstellt. Ein Gutachten verliert nicht automatisch seine Beweiskraft, wenn es sich nicht an Begutachtungsleitlinien anlehnt oder - wie hier - noch gar nicht anlehnen konnte. Der Nichtbefolgung von Begutachtungsleitlinien ist aber bei der Beurteilung des Beweiswerts des Gutachtens Rechnung zu tragen, wobei massgebend bleibt, ob dieses gesamthaft gesehen nachvollziehbar begründet und überzeugend ist (vgl. auch BGE 140 V 260 E. 3.2.2; SVR 2018 IV Nr. 27 S. 86, 8C_260/2017 E. 3.3). Dies trifft hier zu, wie sich aus Folgendem ergibt.  
 
8.  
 
8.1. Die RAD-Ärztin Dr. med. D.________ hat in den Stellungnahmen vom 17. April 2018, 29. März 2019 und 23. April 2021 eingehend aufgezeigt, weshalb dem Gutachten der MEDAS vom 22. März 2018 und deren Stellungnahme vom 31. Januar 2019 zu folgen sei (zur Aufgabe des RAD, die funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Person zu beurteilen vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2bis IVG; Art. 49 IVV; BGE 137 V 210 E. 1.2.1, 135 V 254 E. 3.3.2).  
 
8.2. Die Vorinstanz hat einlässlich und schlüssig dargelegt, weshalb auf die Verlautbarungen der Dr. med. D.________ abgestellt werden kann. Die Vorinstanz hat sich insbesondere auch mit den von der Beschwerdeführerin bei der IV-Stelle am 31. August 2021 eingereichten Berichten der Klinik E.________ vom 15. Februar 2021 betreffend MRT-Untersuchung der LWS ohne Kontrastmittel sowie vom 17. Februar 2021 betreffend MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule und Schädel ohne Kontrastmittel auseinandergesetzt. Sie hat gestützt auf die Aktenlage festgestellt, dass auf weitere Abklärungen - namentlich die von der Beschwerdeführerin verlangte EMG-Untersuchung, neurophysiologische Abklärung sowie Bildgebung der Halswirbelsäule und des Schädels - verzichtet werden könne, da davon keine entscheidwesentlichen Erkenntnisse betreffend ihre Arbeitsfähigkeit zu erwarten seien (vgl. auch E. 10 hiernach).  
Der Vorinstanz ist namentlich beizupflichten, dass es für die Bestimmung des Rentenanspruchs grundsätzlich unbesehen der Diagnose und der Ätiologie massgebend ist, ob und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit vorliegt (BGE 148 V 49 E. 6.2.2, 143 V 409 E. 4.2.1; Urteil 8C_317/2022 vom 7. September 2022 E. 4.2). 
 
8.3. Letztinstanzlich gibt die Beschwerdeführerin lediglich die eigene Sichtweise wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche Schlüsse daraus zu ziehen seien. Diese appellatorische Kritik genügt nicht, um das angefochtene Urteil in Frage zu stellen. Dies gilt namentlich auch für ihren pauschalen Einwand, die Bildgebungen in der Klinik E.________ seien ohne Kontrastmittel durchgeführt worden (vgl. E. 8.2 hiervor). Es wird nämlich nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, weshalb diese Untersuchungen deswegen nicht aussagekräftig sein sollten.  
Insgesamt zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen zu ihrer Arbeitsfähigkeit offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder die Beurteilung der Vorinstanz in anderer Hinsicht bundesrechtswidrig sein sollen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2; Urteile 8C_177/2022 vom 13. Juli 2022 E. 7.3.1 und 8C_689/2021 vom 3. Februar 2022 E. 8.1 f.). 
 
9.  
 
9.1. In psychischer Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz habe die im MEDAS-Gutachten vom 22. März 2018 festgestellten "Aggravationstendenzen" wiedergegeben. Die MEDAS-Gutachter hätten die Aggravation aber nicht rechtsgenüglich begründet und es bei pauschalen Ausführungen und Feststellungen belassen, unter anderem, dass die Beschwerdeführerin ohne Stock habe Treppen herabsteigen können. Indem die Vorinstanz diese Feststellungen geschützt habe und von einer Aggravation ausgegangen sei, habe sie den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Gleiches gelte hinsichtlich der vorinstanzlichen Argumentation, das psychiatrische MEDAS-Gutachten habe den Anforderungen gemäss BGE 141 V 281 genügt.  
 
9.2.  
 
9.2.1. Sowohl die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung haben sich bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu orientieren; die Gutachter im Idealfall gemäss der entsprechend formulierten Fragestellung (BGE 141 V 281 E. 5.2). Die Rechtsanwender prüfen die medizinischen Angaben frei, insbesondere daraufhin, ob die Ärztinnen und Ärzte sich an die massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben. Es stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf eine Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen, wie sie vom medizinisch-psychiatrischen Experten abschliessend eingeschätzt worden ist. Eine davon losgelöste Parallelüberprüfung "nach besserem juristischen Wissen und Gewissen" darf nicht stattfinden (BGE 145 V 361 E. 3.2.2 mit Hinweisen; Urteil 8C_202/2021 vom 17. Dezember 2021 E. 2.3).  
 
9.2.2. Das kantonale Gericht hat das MEDAS-Gutachten vom 22. März 2018 gemäss den obigen Leitlinien überprüft. Dabei war es nicht erforderlich, dass es die Indikatoren einzeln aufführte und festhielt, dass diese den normativen Vorgaben Rechnung tragen. Dies ist nur nötig, falls die Vorinstanz die medizinische Indikatorenprüfung nicht als schlüssig erachtet. Solchenfalls hat sie darzulegen, inwiefern sich der Gutachter nicht an die normativen Vorgaben gehalten hat (Urteil 8C_465/2019 vom 12. November 2019 E. 7.3). Demnach vermag die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden keine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Indikatorenfeststellungen aufzuzeigen. Ebenso wenig ist dargetan oder ersichtlich, dass diese unvollständig wären oder die Beurteilung durch das kantonale Gericht in anderer Hinsicht Bundesrecht verletzten würde (vgl. E. 8.3 hiervor).  
 
10.  
Da von weiteren medizinischen Abklärungen nach willkürfreier Einschätzung keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten sind, durfte die Vorinstanz davon absehen. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen die Ansprüche auf freie Beweiswürdigung sowie Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG) und rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; Urteil 8C_355/2022 vom 2. November 2022 E. 9.2). 
 
11.  
Die Beschwerdeführerin verlangt die Erstattung der zusätzlichen medizinischen Abklärungskosten (vgl. Sachverhalt lit. C). Unter dem Titel Parteientschädigung sind auch die notwendigen Kosten privat eingeholter Berichte bzw. Gutachten zu vergüten, soweit diese für die Entscheidfindung unerlässlich waren (Art. 45 Abs. 1 ATSG; BGE 115 V 62 E. 5c; Urteil 8C_11/2022 vom 18. März 2022 E. 12). Die von der Beschwerdeführerin angesprochenen medizinischen Abklärungen waren für die Beurteilung nicht erforderlich, weshalb es nicht bundesrechtswidrig ist, die Vorinstanz von einer entsprechenden Kostenüberbindung an die IV-Stelle absah. 
 
12.  
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr gewährt werden (Art. 64 BGG). Sie hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Marco Unternährer wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Dezember 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar