Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_690/2017  
 
 
Urteil vom 22. März 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Patricia Jucker, 
 
gegen  
 
B.________, 
c/o Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Taormina, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 9. November 2017 (TB170132-O/U/BEE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Schreiben vom 14. August 2017 erstattete A.________ Strafanzeige gegen B.________, Leiterin der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) "...", wegen Ehrverletzung gemäss Art. 173 ff. StGB. Er beanstandete Äusserungen von B.________, welche diese anlässlich ihrer Einvernahme als Auskunftsperson (mutmassliches Opfer) am 16. Februar 2017 im Rahmen des gegen A.________ geführten Strafverfahrens betreffend Gewalt und Drohung gegen Beamte etc. gemacht hatte. Gegenstand des Strafverfahrens gegen A.________ bildete der Vorwurf, er habe B.________ bedroht, als sie am 15. Februar 2017 an einer öffentlichen Veranstaltung in ihrer Funktion als Leiterin der KESB Uster einen Vortrag gehalten hatte. Das Strafverfahren gegen A.________ wurde in der Zwischenzeit eingestellt, nachdem B.________ darauf verzichtet hatte, einen Strafantrag zu stellen. 
Mit Verfügung vom 28. August 2017 überwies die Staatsanwaltschaft See/Oberland die Strafanzeige von A.________ dem Obergericht des Kantons Zürich mit dem Ersuchen, über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung gegen B.________ zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Ermächtigung sei nicht zu erteilen, da nach summarischer Prüfung kein deliktsrelevanter Verdacht vorliege. Mit Beschluss vom 9. November 2017 erteilte das Obergericht der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Strafverfolgung von B.________ nicht. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. Dezember 2017 beantragt A.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen B.________ sei zu erteilen. 
Die Staatsanwaltschaft, die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Stellungnahmen. B.________ beantragt die Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hält an seinem Standpunkt und an seinen Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272), gegen den die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht nach Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d sowie Art. 90 BGG grundsätzlich zulässig ist. Eine Ausnahme von der Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 83 BGG besteht nicht, zumal Art. 83 lit. e BGG nur auf die obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden anwendbar ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S. 272 f. mit Hinweis) und die Beschwerdegegnerin nicht in diese Kategorie fällt. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und könnte sich in einem allfälligen Strafverfahren gegen die Beschwerdegegnerin voraussichtlich als Privatkläger beteiligen (vgl. Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 115 StPO), sodass ihm im Falle des Obsiegens vor Bundesgericht ein praktischer Nutzen entstünde. Damit ist er nach Art. 89 Abs. 1 BGG beschwerdeberechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten. 
 
2.   
Nach Art. 7 Abs. 1 StPO sind die Strafbehörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone allerdings vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen oder richterlichen Behörde abhängt. 
Nach § 148 des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 (GOG/ZH; LS 211.1) setzt im Kanton Zürich die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen Beamte im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB - dazu gehören die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KESB und damit auch die Beschwerdegegnerin - wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen eine Ermächtigung des Obergerichts voraus. Vorbehalten bleibt § 38 Abs. 1 des Kantonsratsgesetzes des Kantons Zürich vom 5. April 1981 (KRG/ZH; LS 171.1), wonach die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen ein Mitglied des Regierungsrats oder eines obersten kantonalen Gerichts wegen eines in Ausübung seines Amtes begangenen Verbrechens oder Vergehens eine Ermächtigung des Kantonsrats voraussetzt. Mit diesen kantonalen Bestimmungen, die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung den bundesrechtlichen Anforderungen (namentlich Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO) Rechnung tragen, sollen Staatsbedienstete vor mutwilliger Strafverfolgung geschützt werden (BGE 137 IV 269 E. 2.2 f. S. 276 f.). 
In verfassungskonformer Auslegung von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO dürfen in solchen Ermächtigungsverfahren - ausser bei obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden - nur strafrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Über die Ermächtigung zur Strafverfolgung darf insbesondere nicht nach Opportunität entschieden werden (BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 277 f.). Das schliesst aber nicht aus, für die Erteilung der Ermächtigung genügende minimale Hinweise auf strafrechtliches Verhalten zu verlangen. Nicht jeder behördliche Fehler begründet eine Pflicht, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen. Vielmehr darf dafür vorausgesetzt werden, dass ein strafrechtlich relevantes Verhalten in minimaler Weise glaubhaft erscheint, mithin genügende Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorliegen (Urteil 1C_587/2015 vom 10. März 2016 E. 2.4 mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer stuft zwei, von der Beschwerdegegnerin anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 16. Februar 2017 als Auskunftsperson im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens betreffend Gewalt und Drohung gegen Beamte gemachte Äusserungen als ehrverletzend i.S.v. Art. 173 ff. StGB ein. Einerseits habe die Beschwerdegegnerin wider besseres Wissen behauptet, er (der Beschwerdeführer) habe sie zum Rücktritt aufgefordert und gesagt, "sonst passiere etwas". Andererseits habe sie wahrheitswidrig ausgesagt, es sei vor zwölf Jahren zu häuslicher Gewalt zwischen ihm (dem Beschwerdeführer) und der Mutter des gemeinsamen Kindes gekommen.  
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die Beschwerdegegnerin zum Rücktritt aufgefordert zu haben, stellt jedoch in Abrede, die Rücktrittsforderung mit der Drohung verbunden zu haben, "sonst passiere etwas". 
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, das heisst, sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Für die Frage, ob eine Äusserung ehrenrührig ist, ist massgebend, welchen Sinn ihr ein unbefangener Adressat unter den konkreten Umständen beimisst (BGE 137 IV 313 E. 2.1.3 S. 315 f.). Der Vorwurf, jemand habe eine strafbare Handlung begangen, ist grundsätzlich ehrverletzend (vgl. Urteil 6B_522/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 2.2 mit Hinweis). Eine Drohung, insbesondere eine solche gegen Beamte, stellt eine strafbare Handlung dar. Insoweit wird, wie von der Vorinstanz ausgeführt, die Ehre des Beschwerdeführers tangiert.  
 
3.2.2. Indessen verhält sich gemäss Art. 14 StGB rechtmässig, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, auch wenn die Tat nach dem Strafgesetzbuch oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.  
Einem Anzeigeerstatter ist es erlaubt, das als strafrechtlich relevant betrachtete Verhalten näher zu umschreiben, selbst wenn seine Äusserungen allenfalls ehrenrührig sind. Andernfalls liefe er Gefahr, dass seine Anzeige wegen ungenügender Substantiierung nicht behandelt würde. Er kann sich grundsätzlich auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB berufen, auch wenn sich der Verdacht in der Folge nicht erhärtet (vgl. Franz Riklin, in: Marcel Alexander Niggli / Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar StGB II, 3. Aufl. 2013, Art. 173 StGB N. 32 ff.). Gleiches gilt für die polizeilich oder richterlich einvernommene Auskunftsperson im Sinne von Art. 178 ff. StPO (BGE 135 IV 177 E. 4 S. 178 f.; Riklin, a.a.O., vor Art. 173 StGB N. 58). Die Berufung auf Art. 14 StGB durch einen Anzeigeerstatter oder eine Auskunftsperson in Bezug auf ehrenrührige Äusserungen setzt jedoch voraus, dass die Äusserungen nicht über das Notwendige hinausgehen, mithin nicht unnötig ehrverletzend sind, und Behauptungen nicht wider besseres Wissen aufgestellt werden (Riklin, a.a.O., vor Art. 173 StGB N. 56). 
 
3.2.3. Diese Rechtslage wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Strittig ist einzig, ob die Voraussetzungen von Art. 14 StGB deshalb nicht erfüllt sind, weil die Beschwerdegegnerin ihre Aussagen "wider besseres Wissen" gemacht hat.  
Ob jemand wider besseres Wissen gehandelt hat, ist eine Tatfrage und damit eine Frage der Beweiswürdigung und keine Rechtsfrage (Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, S. 208). 
 
3.3.  
 
3.3.1. Die Vorinstanz ist nach Würdigung der Aussagen der Beschwerdegegnerin zum Schluss gekommen, diese habe in ihrer Einvernahme vom 16. Februar 2017 die Ereignisse des Vortags aus ihrer Sicht geschildert. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass sie wider besseres Wissen ausgesagt hätte; insbesondere seien keine Übertreibungen in ihren Schilderungen erkennbar. Diese Beweiswürdigung der Vorinstanz ist ohne Weiteres haltbar. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung kann der Vorinstanz entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht angelastet werden.  
Ebenso ist die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der willkürlichen antizipierten Beweiswürdigung nicht stichhaltig. Die Vorinstanz konnte auf den Beizug der weiteren Akten des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer verzichten, da das relevante Aktenstück, auf welches sich der Vorwurf der Ehrverletzung ausschliesslich stützte, bereits bei den Akten war. Aus dem gleichen Grund erweist sich dieser Aktenbeizug auch im bundesgerichtlichen Verfahren als entbehrlich. 
Hat die Beschwerdegegnerin ihre Behauptung nicht wider besseres Wissen aufgestellt, so kann sie sich mit Erfolg auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB berufen. 
 
3.3.2. In Bezug auf den Vorwurf der häuslichen Gewalt ist unbestritten, dass sich 2006 ein Vorfall zwischen dem Beschwerdeführer und der Mutter des gemeinsamen Kindes ereignete, zu dem die Polizei gerufen wurde. Nicht strittig ist auch, dass dieser Vorfall für keine der beteiligten Personen strafrechtliche Konsequenzen hatte.  
Die Vorinstanz hat unter anderem erwogen, selbst wenn die Aussage der Beschwerdegegnerin, wonach es zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindsmutter zu häuslicher Gewalt gekommen sei, ehrverletzend sein sollte, sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin ausdrücklich zu ihrem beruflichen Verhältnis zum Beschwerdeführer befragt worden sei. Sie sei deshalb gestützt auf Art. 14 StGB berechtigt gewesen, diese Frage zu beantworten und über die Umstände zu berichten, unter welchen sie das erste Mal mit dem Beschwerdeführer zu tun gehabt habe. 
Das Ereignis, von welchem die Beschwerdegegnerin aus ihrer freien Erinnerung heraus berichtete, liegt rund zwölf Jahre zurück. Vor diesem Hintergrund konnte die Vorinstanz, ohne in Willkür zu verfallen, im Ergebnis den Schluss ziehen, die Aussage sei nicht wider besseres Wissen erfolgt. Folglich findet auch insoweit der Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB Anwendung. 
 
3.3.3. Zusammenfassend hat die Vorinstanz zu Recht gefolgert, die Beschwerdegegnerin sei gestützt auf Art. 14 StGB berechtigt gewesen, die vom Beschwerdeführer beanstandeten Aussagen zu machen, womit es an einem hinreichenden Anfangsverdacht für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Beschwerdegegnerin fehle.  
 
4.   
Nach dem Ausgeführten durfte die Vorinstanz die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung verweigern, ohne Art. 7 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 7 Abs. 1 StPO oder sonst im Sinne von Art. 95 BGG Recht zu verletzen. Damit ist die Beschwerde abzuweisen. 
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. März 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner