Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_325/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. Oktober 2013  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Lanz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Engler, 
 
gegen  
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Gessler, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland,  
Postfach, 8610 Uster, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich.  
 
Gegenstand 
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 27. Februar 2013 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Am 24. September 2012 reichte X.________ bei der Staatsanwaltschaft See/Oberland Strafanzeige gegen Y.________ ein. Zur Begründung führte X.________ an, sie sei bis zum Scheidungsurteil vom 28. August 2007 mit Z.________ verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe seien drei Töchter entsprungen. Zwischen ihr und ihrem ehemaligen Gatten sei derzeit ein Verfahren betreffend Unterhaltszahlungen hängig. Aufgrund falscher Angaben von Z.________ habe die Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern ein Verfahren betreffend Kindesschutz/Obhut eröffnet. Im Rahmen dieses Verfahrens habe die Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern die Vormundschaftsbehörde Zumikon um Auskunft ersucht. Y.________ habe als Sekretärin der Vormundschaftsbehörde Zumikon am 21. Juni 2012 per E-Mail und telefonisch gegenüber der Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern Aussagen über sie gemacht, welche ihre Ehre verletzten und den Tatbestand der üblen Nachrede nach Art. 173 StGB, eventuell der Beschimpfung nach Art. 177 StGB, erfüllten. 
 
B.  
 
 Die Strafanzeige wurde mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, es sei über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung gegen Y.________ zu entscheiden, an das Obergericht des Kantons Zürich weitergeleitet. Dieses gab X.________ und Y.________ Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Beschluss vom 27. Februar 2013 erteilte die III. Strafkammer des Obergerichts der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Strafuntersuchung nicht. 
 
C.  
 
 X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und der Staatsanwaltschaft See/Oberland sei die Ermächtigung zum Entscheid über die Untersuchungseröffnung gegen Y.________ zu erteilen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 Y.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft See/Oberland und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Vernehmlassung. Mit einer weiteren Stellungnahme hält X.________ an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272), gegen den die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht nach Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG grundsätzlich zulässig ist. Eine Ausnahme von der Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 83 BGG besteht nicht, zumal Art. 83 lit. e BGG, wonach Entscheide über die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Behördenmitgliedern oder von Bundespersonal von der Beschwerdemöglichkeit ausgenommen sind, nur auf die obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden anwendbar ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S. 272 f. mit Hinweis). Die übrigen Voraussetzungen für das Eintreten auf die Beschwerde sind ebenfalls erfüllt. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Diese Bestimmung bietet den Kantonen die Möglichkeit, die Strafverfolgung sämtlicher Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden von einer Ermächtigung abhängig zu machen (BGE 137 IV 269 E. 2.1 S. 275).  
 
 Im Kanton Zürich entscheidet nach § 148 des Gesetzes vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG; LS 211.1) in Bezug auf Beamte gemäss Art. 110 Abs. 3 StGB - vorbehältlich der hier nicht gegebenen Zuständigkeit des Kantonsrates - das Obergericht über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen. Dabei handelt es sich um eine zulässige Ermächtigungsregelung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO (BGE 137 IV 269 E. 2.2 f. S. 276 f.). 
 
2.2. Das Ermächtigungserfordernis soll Behördenmitglieder und Beamte namentlich vor mutwilliger Strafverfolgung schützen und damit das reibungslose Funktionieren staatlicher Organe sicherstellen (Urteil 1C_382/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 3.1; vgl. auch BGE 137 IV 269 E. 2.3 S. 277). In verfassungskonformer Auslegung von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO ist in solchen Ermächtigungsverfahren - ausser bei obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden - nicht nach Opportunität, sondern einzig nach strafrechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 277 f.). Das schliesst aber nicht aus, für die Erteilung der Ermächtigung genügende minimale Hinweise auf strafrechtliches Verhalten zu verlangen (Urteil 1C_167/2013 vom 6. August 2013 E. 5 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
 Die Beschwerdegegnerin untersteht im Rahmen ihrer Tätigkeit als Sekretärin der Vormundschaftsbehörde Zumikon unstreitig der dargelegten Ermächtigungsregelung (vgl. auch BGE 137 IV 269 E. 2.7.2 S. 279). In der Strafanzeige vom 24. September 2012 wurde ihr vorgeworfen, sie habe sich der üblen Nachrede nach Art. 173 StGB, eventuell der Beschimpfung nach Art. 177 StGB, schuldig gemacht, indem sie sich per E-Mail und Telefonat vom 21. Juni 2012 gegenüber der Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern ehrverletzend dahin gehend geäussert habe, das Verhalten der Beschwerdeführerin weise auf eine psychiatrische Störung hin, die Beschwerdeführerin sei psychisch auffällig und die Beschwerdeführerin drohe ihren Kindern. 
 
3.1. Die Vorinstanz hat die Ermächtigung zur Strafuntersuchung mit der Begründung verweigert, es fehle am hiefür erforderlichen Anfangsverdacht. Die Beschwerdegegnerin habe nicht in Frage gestellt, dass sie das fragliche E-Mail verfasst und die Beschwerdeführerin als psychisch auffällig bezeichnet habe. Sie habe ebenso wenig in Frage gestellt, dass die Vorwürfe einer psychiatrischen Störung und der Drohung grundsätzlich ehrverletzend sein könnten. Der Beschwerdegegnerin sei aber darin beizupflichten, dass ihr Verhalten durch ihre Amtspflicht als Sekretärin der Vormundschaftsbehörde Zumikon geboten und damit rechtmässig im Sinne von Art. 14 StGB gewesen sei. Das fragliche Mail sei ausschliesslich von Amtsstelle zu Amtsstelle gegangen. Es drücke lediglich knapp und zurückhaltend den Verdacht auf eine psychische Störung aus und gebe dafür stichwortartig einige wenige Beispiele. Der Verdacht werde somit weder in diffamierender Absicht verwendet noch werde er dazu missbraucht, die Beschwerdeführerin als verschroben, abnorm oder als asozialen Sonderling darzustellen. Auch das als ehrverletzend betrachtete Wort "drohen" könne, aus dem Zusammenhang betrachtet, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht als Vorwurf strafbaren Verhaltens im Sinne von Art. 180 StGB gesehen werden. Es sei offensichtlich, dass die Beschwerdegegnerin damit lediglich auf einen aus ihrer Sicht zu wenig konsequenten Erziehungsstil der Beschwerdeführerin habe hinweisen wollen, in dem Sinne, dass diese den Kindern gegenüber abwechselnd zu streng und dann wieder zu milde sei.  
 
 Die Beschwerdeführerin hält daran fest, die betreffenden Äusserungen der Beschwerdegegnerin seien ehrverletzend. Es liege ein hinreichender Tatverdacht vor, welcher die Ermächtigung zur Strafverfolgung gebiete. 
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen nach ständiger Rechtsprechung den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt (BGE 137 IV 313 E. 2.1.1 S. 315; 132 IV 112 E. 2.1 S. 115, je mit Hinweis; 117 IV 27 E. 2c S. 28 f. mit Hinweisen). Die Äusserung, jemand sei psychisch krank, rührt an sich nicht an die Ehre, weil sie kein moralisches Werturteil gegenüber dem für seine abnormen Reaktionen nicht Verantwortlichen enthält. Der Ehrverletzung macht sich indessen schuldig, wer psychiatrische Fachausdrücke nach laienhaftem Sprachgebrauch dazu missbraucht, jemanden als charakterlich minderwertig hinzustellen und dadurch in seiner persönlichen Ehre herabzuwürdigen (BGE 98 IV 90 E. 3a S. 93 mit Hinweisen; vgl. auch Franz Riklin, Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 26 vor Art. 173 StGB).  
 
 Von einem solchen Missbrauch kann hier keine Rede sein. Die Beschwerdegegnerin hat lediglich ihren Verdacht auf eine psychische Störung geäussert und das Verhalten der Beschwerdeführerin als psychisch auffällig geschildert. Mit dem Obergericht sind jegliche Anhaltspunkte dafür zu verneinen, dass damit der Charakter der Beschwerdegegnerin in Frage gestellt oder gar negativ qualifiziert werden sollte. Ein Verdacht auf Ehrverletzung liegt daher klarerweise nicht vor. Dass die Staatsanwaltschaft bei der Überweisung - gestützt auf eine summarische Prüfung und ohne Begründung - einen Anfangsverdacht bezüglich dieser Aussagen noch bejaht hatte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. 
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin erneuert sodann ihr Vorbringen, die Beschwerdegegnerin habe ihr vorgeworfen, den Kindern gedroht und sich damit der Drohung nach Art. 180 StGB schuldig gemacht zu haben.  
 
 Zwar kann der Vorwurf eines strafbaren Verhaltens ehrverletzend sein (BGE 118 IV 248 E. 2b S. 250 f.). Die Aussage der Beschwerdegegnerin, das Verhalten der Beschwerdeführerin gegenüber den Kindern bestehe u.a. in "abwechselnd drohen und verwöhnen", bezog sich aber, wie das Obergericht zutreffend erkannt hat, auf den als problematisch empfundenen Erziehungsstil und kann nicht als Vorwurf, eine Drohung im Sinne von Art. 180 StGB begangen zu haben, verstanden werden. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung bestehen keine Anhaltspunkte, welche auch nur ansatzweise eine andere Betrachtungsweise zu begründen vermögen. Eine Ehrverletzung ist daher hier ebenfalls von vornherein auszuschliessen. 
 
3.3. Bei der vorn in Ziff. 3.2 geschilderten Sachlage braucht die Frage, ob sich die Beschwerdegegnerin gegebenenfalls auf einen Rechtfertigungsgrund berufen könnte, nicht beantwortet werden. Es muss auch nicht auf die diesbezüglichen Einwände in der Beschwerde eingegangen werden.  
 
 Festzuhalten ist aber immerhin, dass die Beschwerdegegnerin aufgrund ihrer amtlichen Funktion berechtigt, ja verpflichtet war, auf die Anfrage der aktuell mit der Frage des Kindesschutzes resp. der Obhut innerhalb der betreffenden Familie befassten Vormundschaftsbehörde hin auf eine aus ihrer Sicht mögliche Gefährdung des Kindeswohls hinzuweisen. Bei summarischer Betrachtung kann nicht gesagt werden, die fraglichen Äusserungen seien nicht sachbezogen, gingen eindeutig über das Notwendige hinaus, seien unnötig verletzend oder aber wider besseres Wissen erfolgt. Das würde für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes sprechen (vgl. BGE 123 IV 97 E. 2c/aa S. 98). Abschliessend muss dies aber, wie erwähnt, nicht beurteilt werden. 
 
3.4. Es bestehen demnach keine auch nur minimalen Hinweise für ein strafbares Verhalten. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung wurde daher zu Recht verweigert. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
4.  
 
 Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
 Lausanne, 7. Oktober 2013 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Lanz