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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_829/2011 
 
Urteil vom 9. März 2012 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
I.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Räber, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 29. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die 1963 geborene I.________ war seit 16. März 1989 als Küchenmädchen im Hotel-Restaurant X.________ angestellt. Am 11. November 1989 erlitt sie als Beifahrerin einen Autounfall. Mit Verfügung vom 17. April 1996 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Aargau ab 1. November 1991 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad 70 %) zu. Mit Verfügung vom 10. Mai 2011 stellte die IV-Stelle die Rente nach Zustellung der Verfügung auf Ende des folgenden Monats revisionsweise ein. 
A.b Mit Verfügung vom 11. September 1996 gewährte die Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend Zürich) als obligatorischer Unfallversicherer der Versicherten eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad 70 %) und eine Integritätsentschädigung (Integritätseinbusse 15 %). Mit die Verfügung vom 3. Dezember 2010 bestätigendem Einspracheentscheid vom 1. April 2011 stellte sie die Rente per 31. Dezember 2010 ein. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau am 29. September 2011 ab. Diese Sache ist Gegenstand des Parallelverfahrens 8C_830/2011, das ebenfalls mit heutigem Urteil erledigt wurde. 
 
B. 
Die gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 10. Mai 2011 erhobene Beschwerde wies das kantonale Gericht mit Entscheid vom 29. September 2011 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des UV-Verfahrens vor Bundesgericht zu sistieren; die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Leistungen gemäss IVG weiter zu erbringen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; es sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Replikweise hält die Versicherte an den Beschwerdeanträgen fest. Mit Replikergänzung vom 2. März 2012 reicht sie einen Bericht des Dr. med. K.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, TZZ Therapiezentrum AG vom 19. Februar 2012 ein. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Eine Sistierung des vorliegenden Verfahrens bis zum Abschluss des unfallversicherungsrechtlichen Parallelverfahrens 8C_830/2011 erübrigt sich, da beide Prozesse gleichzeitig erledigt werden können. 
 
2. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die auf Grund medizinischer Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeitsfähigkeit ist Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397). Rechtsfragen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die konkrete Beweiswürdigung ist Tatfrage (nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]; Urteil 8C_594/2011 vom 20. Oktober 2011 E. 1). 
 
3. 
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 86ter-88bis IVV; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132, 133 V 108), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach dem Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 1 IVG; BGE 135 V 297 E. 5.1 f. S. 300 f.) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Da die Versicherte die Rente bei Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 bereits bezog, sind an sich die davor geltenden Rechtsnormen massgebend (Art. 82 Abs. 1 erster Satz ATSG; BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 446); doch zeitigt dies keine Folgen, da das ATSG bezüglich der Invaliditätsbemessung keine Änderungen brachte (BGE 135 V 215, 130 V 343 und 393; Urteil 8C_492/2011 vom 19. Oktober 2011 E. 2). 
 
4. 
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt, was von der Partei näher darzulegen ist (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194; SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63 E. 4 [8C_239/2008]). Die Versicherte legt neu den Bericht des Dr. med. K.________ vom 19. Februar 2012 auf, macht hierfür aber keine relevanten Gründe geltend (hierzu vgl. nicht publ. E. 2.3 des Urteils BGE 135 V 163, in SVR 2009 BVG Nr. 30 S. 109 [9C_920/2008]). Dieser Bericht ist somit unbeachtlich. 
 
5. 
Die Versicherte bringt vor, die IV-Stelle, die verpflichtet sei, ein eigenständiges Verfahren zu führen, habe unter Missachtung des Gehörsanspruchs keine eigenen Abklärungen getroffen, sondern diejenigen der Unfallversicherung einfach übernommen. Der Anspruch auf Mitwirkung an Sachverhaltsabklärungen sei demnach verweigert worden. 
 
Die Observation der Beschwerdeführerin (vgl. E. 7.2.1 hienach) wurde nicht von der IV-Stelle, sondern von der Zürich als obligatorischem Unfallversicherer veranlasst. Es war jedoch grundsätzlich zulässig, dass die IV-Stelle die Ergebnisse dieser Observation als Beweismittel zu den Akten nahm (vgl. nicht zur Publikation bestimmte E. 3.3 des Urteils BGE 8C_195/2011 betreffend Beizug der Akten einer von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers veranlassten Observation). Nicht zu beanstanden ist im Grundsatz auch, dass die IV-Stelle die von der Zürich eingeholten ärztlichen Berichte und Gutachten beizog (Art. 28 Abs. 3 ATSG; Urteil 9C_250/2009 vom 29. September 2009 E. 3.3, in Plädoyer 2009 S. 63). 
 
6. 
6.1 Die Versicherte macht geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 ATSG) sei verletzt worden, da ihr nach Abschluss der Observationen die geplante Durchführung des Aktengutachtens der Frau Dr. med. R.________, FMH Rheumatologie, FMH Physikalische Medizin und Rehabilitation, manuelle Medizin SAMM, zertifizierte medizinische Gutachterin SIM, Chefärztin Rheumatologie und Rehabilitation vom 28. Dezember 2009 (E. 7.2.1 und 7.2.3 hienach) nicht angezeigt, der Name der Gutachterin vorgängig nicht bekannt gegeben (Art. 44 ATSG) und dieses Gutachten vor Erlass des Vorbescheids vom 7. Januar 2011 nicht zur Stellungnahme zugestellt worden sei. Die Vorinstanz verneinte eine Verletzung des Gehörsanspruchs. 
 
6.2 Im heute ergangenen Urteil im unfallversicherungsrechtlichen Parallelverfahren 8C_830/2011 ?. 3 wurde entschieden, dass auf das von der Zürich in Auftrag gegebene Aktengutachten der Frau Dr. med. R.________ vom 28. Dezember 2009, insbesondere auch im Lichte von Art. 44 ATSG, abgestellt werden kann; auf die dortigen Erwägungen kann verwiesen werden (vgl. Urteil 8C_971/2009 vom 15. Dezember 2009 E. 4.2). 
 
Gründe für eine Nichtberücksichtigung dieses Gutachtens und der ihm zu Grunde liegenden Observationsunterlagen im vorliegenden IV-Verfahren bestehen nicht (vgl. auch E. 5 hievor). Die IV-Stelle war insbesondere nicht verpflichtet, diese Akten der Versicherten im Hinblick auf das rechtliche Gehör bereits vor dem Vorbescheid zuzustellen und sie zum diesbezüglichen Beweisergebnis anzuhören. Denn zur Gewährung des rechtlichen Gehörs dient das formlose Vorbescheidverfahren (Art. 57a IVG) vor Erlass der Verfügung (BGE 134 V 97 E. 2.6 f. S. 103 ff.; Urteile 2C_733/2010 vom 16. Februar 2011 E. 2.2 und 9C_176/2010 vom 4. Mai 2010 E. 1). Die IV-Stelle verwies in der Begründung des Vorbescheids vom 7. Januar 2011 explizit auf die durchgeführte Observation und das Aktengutachten der Frau Dr. med. R.________ vom 28. Dezember 2009. In der Folge verlangte die Versicherte Akteneinsicht, welche ihr die IV-Stelle am 27. Januar 2001 gewährte. Am 7. Februar 2011 nahm die Versicherte zum Vorbescheid Stellung, worauf die IV-Stelle am 10. Mai 2011 die streitige Verfügung erliess. Eine Verletzung des Gehörsanspruchs liegt damit nicht vor. 
 
7. 
Die Vorinstanz erwog, es sei zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand bzw. die Arbeitsfähigkeit der Versicherten zwischen der Rentenverfügung vom 17. April 1996 und der renteneinstellenden Verfügung vom 10. Mai 2011 verändert hat. Dies ist unbestritten und nicht zu beanstanden. 
 
7.1 Grundlage der Verfügung vom 17. April 1996 war das von der Zürich eingeholte und von der IV-Stelle beigezogene interdisziplinäre (rheumatologische, neurologische und psychiatrische) MEDAS-Gutachten vom 29. November 1994. Hierin wurden folgende Diagnosen mit möglicher Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gestellt: chronisches Schulter-Arm-Syndrom rechts mit Übergang in eine chronische Schmerzkrankheit (bei Status nach intraartikulärer distaler Radiusfraktur mit disloziertem Fragment im Radioulnar-Gelenk und Abriss des Prozessus styloideus ulnae am 11. November 1989, radiometakarpaler Plattenarthrodese, Spongiosaplastik und Ulnakopfresektion am 2. August 1994 [recte 8. März 1993] sowie Plattenentfernung und Implantation einer Ulnakopf-Prothese am 3. Januar 1994 [recte 1. März 1994]); ängstlich-hypochondrische depressive Reaktion bei neurotischer Fehlverarbeitung der Unfallfolgen. Die angestammte Tätigkeit als Küchenhilfe und jede andere ausserhäusliche Tätigkeit sei der Versicherten nur zu 30 % zumutbar. Im Vordergrund stehe eher der psychopathologische Befund. 
 
Falsch ist die vorinstanzliche Feststellung, die Verfügung vom 17. April 1996 habe auf dem von der Zürich eingeholten interdisziplinären MEDAS-Gutachten vom 11. Juli 1996 beruht; denn dieses wurde nach dieser Verfügung erstellt und befindet sich gar nicht in den IV-Akten. Ergänzend ist anzufügen, dass in diesem Gutachten ausgeführt wurde, die Arbeitsfähigkeit der Versicherten in ihrem Beruf als Küchenhilfe werde bleibend auf weniger als 30 % der Norm geschätzt, wobei vor allem die psychopathologischen und etwas weniger auch die somatischen Befunde limitierend seien. Für jede andere vergleichbare Tätigkeit sei sie auch zu weniger als 30 % arbeitsfähig. 
 
7.2 Im Hinblick auf die Renteneinstellung zog die IV-Stelle unter anderem folgende Akten bei: 
7.2.1 Die Zürich liess die Versicherte vom 2. August bis 15. September und vom 11. November bis 2. Dezember 2006 sowie vom 18. Juni bis 4. Juli und vom 4. bis 8. September 2008 durch die Firma W.________ observieren. Diese erstellte Videos sowie Fotos und schriftliche Berichte (vgl. E. 7.2.3 hienach betreffend die im Wesentlichen dokumentierten Tätigkeiten der Versicherten). 
7.2.2 Dr. med. B.________, Chirurgie FMH, spez. Handchirurgie, erstattete im Auftrag der Zürich am 12. September 2008 ein Gutachten. Er untersuchte die Versicherte am 9. September 2008, wobei er keine Kenntnis vom Observationsmaterial hatte. Er diagnostizierte Folgendes: Status nach intraartikulärer, dislozierter Radiusfraktur rechts mit Abriss der Ulnastyloidspitze (Unfall vom 11. November 1989) mit konsekutivem komplex-regionalem Schmerzsyndrom Typ I (CRPS, früher Sudeck´sche Algo-Dystrophie); Status nach dorsaler Handgelenks- und Handwurzel-Arthrodese rechts mit partieller Ulnakopfresektion am 8. März 1993 sowie Metallentfernung und Implantation einer Ulnakopf-Silikon-Prothese am 1. März 1994 (KSA); Progredienz des CRPS I zu einem vollständigen oberen Quadrantensyndrom rechts. Die Beeinträchtigungen der Versicherten als Küchenmädchen schätze er auf mindestens 80 %. Die Traglimite für die rechte Hand schätze er auf 3 bis max. 5 kg, das Tragen in waagrechter Haltung (rechts) auf 3 kg. Ausschliesslich sitzende Tätigkeit sei ungeeignet (Rücken-, Steissbeinschmerzen). Das ständige Stehen in unveränderter Stellung sei ungeeignet; geeigneter seien wechselnde Stellungen. Es bestehe eine zumutbare Gehstrecke von 1 km. Einhändige linksseitige Tätigkeiten seien zumutbar mit einer Gewichtslimite für das kurzfristige hängende Tragen von 10 kg, für das Halten und Heben von 5 kg unter Vermeidung von Hochstemmen und Überkopftätigkeiten, geltend für beiden Armseiten (Abspreizbewegungen führten rechts zu unmittelbaren Schmerzschüben mit sudo- und vasomotorischen Reaktionen; die Versicherte vergleiche das Gefühl am Arm mit einem "toten Glied", in der Literatur bekannt als "neglect like syndrome"). Zu vermeiden seien ruckartige Bewegungen gegen die rechte obere Extremität und die rechte Körperseite sowie Schläge und Vibrationen. Zumutbar seien optische und akustische Kontrollarbeiten, kombiniert mit abwechslungsreicher Körperhaltung und Bewegung, und überwiegend linkshändige Verrichtungen, zeitlich limitiert auf je 3-Stundeinsätze morgens und nachmittags, unterbrochen durch eine 2-3-stündige Mittagspause. Im Schreiben vom 13. Mai 2011 legte Dr. med. B.________ dar, es sei ihm nicht aufgefallen, dass die Versicherte anlässlich seiner Untersuchungen simuliert oder aggraviert habe. Ihre Reaktionen seien stets adäquat zu den applizierten mechanischen Reizen gewesen. Er halte aufgrund seiner vielfältigen objektiven Feststellungen an der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit vom 12. September 2008 fest. 
7.2.3 Frau Dr. med. R.________ führte im Aktengutachten zu Handen der Zürich vom 28. Dezember 2009 im Wesentlichen aus, aus den Videoaufnahmen der Jahre 2006 und 2008 könne zusammengefasst werden, dass in den beobachteten Alltagssituationen (Umhergehen, Einkaufen, Verrichtungen auf dem Balkon) in Diskrepanz zur gutachterlichen Beschreibung (des Dr. med. B.________) keine spezielle Schonung des rechten Arms und in keiner Weise eine Behinderung des gesamten rechten Arms, die einer Plexusparese gleichkommen würde, habe beobachtet werden können. In der Videodokumentation von September 2008 sei der rechte Arm nie in Schonhaltung gehalten worden. Beim Gehen schwinge er frei mit. Bei den leichten Tätigkeiten, wie Hantieren mit Bettdecken, die zum Trocknen über das Balkongeländer gehängt würden, aber auch beim Einkaufen werde die rechte Hand adäquat und z.T. auch bevorzugt eingesetzt. Wiederholt werden das Kurbeln einer Sonnenstore dokumentiert, wozu die rechte Hand die Kurbel bediene. Auch Überkopfarbeiten seien beim Einkaufen dokumentiert, wo mit der rechten Hand mit voll nach oben ausgestrecktem Arm auf dem obersten Regal Lebensmittel ergriffen würden. Feinmotorische Tätigkeit sei ebenfalls möglich, indem über 10 Min. das Hantieren einer Pinzette mit der rechten Hand zur Haarentfernung im Gesicht und den Augenbrauen dokumentiert worden sei. Beim Heben von Gegenständen werde die rechte Hand eingesetzt, um einen Stuhl zu verschieben. Im Widerspruch zur im Gutachten beschriebenen ausgeprägten Schmerzhaftigkeit stehe die Aufnahme, bei der sich die Versicherte gemütlich über beide Unterarme (ulnare Seite) auf dem Balkongeländer abstütze. Der von Dr. med. B.________ postulierte "Neglect" der rechten Hand und des rechten Arms könne anhand der Observation nicht bestätigt werden. Insgesamt handle es sich bei allen dokumentierten Tätigkeiten aber um körperlich leichte. Anhand der strukturellen Problematik mit arthrodesiertem Handgelenk und insbesondere bei möglicherweise nicht optimalen Verhältnissen von Seiten der Ulnakopfprothese (siehe Beschrieb Röntgenbild durch Dr. med. B.________) dürfte für mittelschwere und schwere manuelle Tätigkeiten von verminderter Belastungstoleranz ausgegangen werden. Hingegen könne eine funktionelle Einschränkung des gesamten rechten Arms und Schultergürtels anhand der Video-Beobachtung nicht dokumentiert werden. 
 
7.3 Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die Versicherte habe die auf öffentlichen Grund durchgeführte Observation zu Recht nicht gerügt (BGE 135 I 169, 132 V 241). Es sei auf das Aktengutachten der Frau Dr. med. R.________ vom 28. Dezember 2009 abzustellen. Demgemäss habe die Versicherte hinsichtlich leidensangepasster leichter Tätigkeiten als arbeitsfähig zu gelten. Im Vergleich zur ursprünglichen Verfügung vom 17. April 1996 leide sie nicht mehr an den vorab invalidisierenden psychischen Beschwerden (Schmerzsyndrom, psychische Fehlverarbeitung, depressive Entwicklung). Da sich der medizinische Sachverhalt geändert habe, liege ein Revisionsgrund nach Art. 17 ATSG vor. 
 
8. 
8.1 Die Versicherte macht geltend, vorinstanzlich habe sie die auf öffentlichem Grund durchgeführte Observation nicht beanstandet. Mit Erstaunen stelle sie hingegen fest, dass die Vorinstanz die auf privatem Grund durchgeführten Observationen ebenfalls als beweistauglich zugelassen habe. Aufgrund der Untersuchungsmaxime hätte sie diese nicht beachten dürfen. Selbst wenn eine Observation auf öffentlichem Grund stattfinde, sei dies ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre. Bekanntlich seien mehrere Observationen über längere Zeiträume und vor allem im Privatbereich durchgeführt worden; dabei sei sie gefilmt worden. Insbesondere die im Privatbereich erfolgten Observationen auf dem Balkon ihrer Wohnung, im Treppenhaus und in der Waschküche seien für die Beweiserhebung unzulässig. Da dadurch die Objektivität der Beurteilung beeinflusst werde, müsse das gesamte Observationsmaterial als nicht beweistauglich zurückgewiesen werden. 
 
8.2 Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 137 I 327 E. 5 entschieden, dass die privatdetektivliche Observation der versicherten Person in einem von jedermann ohne Weiteres frei einsehbaren Privatbereich (z.B. Balkon) erlaubt ist, soweit sie objektiv geboten sowie in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht zumutbar ist. Zulässig ist eine Observation, die Verrichtungen des Alltags ohne engen Bezug zur Privatsphäre (z.B. Putzen des Balkons, Einkaufstüten tragen) betrifft. Nach E. 6 dieses Urteils verletzen Videoaufnahmen der versicherten Person, die sie bei alltäglichen Verrichtungen (Haushaltsarbeiten) auf dem frei einsehbaren Balkon zeigen, Art. 179quater StGB nicht. 
 
8.3 Umstände, welche die Observation der Versicherten auf dem Balkon als unzulässig erscheinen liessen, werden nicht substanziiert geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus den Akten. Die in einem Mehrfamilienhaus sich befindende Wohnung der Versicherten und ihrer Familie ist gemietet. Aufgrund der Observationsberichte und der entsprechenden Fotos und Videos war ihr Balkon von der Strasse aus öffentlich frei einsehbar. Soweit und solange sie sich auf dem nicht abgeschirmten Balkon aufhielt, waren sämtliche Handlungen daher faktisch nicht mehr nur von nahe verbundenen Personen, sondern von jedermann ohne Weiteres wahrnehmbar. Es handelt sich dabei um Tatsachen, die ohne Überwindung einer physischen oder psychologischen Schranke zugänglich waren. Ausserdem liegen keine besonders persönlichkeitsträchtige Szenen, sondern freiwillig ausgeübte Alltagsverrichtungen vor; die Aufnahmen weisen keinen engen Bezug zur Privatsphäre auf, weshalb bei der Observation nicht gegen Art. 179quater StGB verstossen wurde (vgl. BGE 137 I 327 E. 6.2). 
 
8.4 Soweit die Versicherte die Überwachung im Treppenhaus und in der Waschküche beanstandet, ist Folgendes festzuhalten: Der Innenbereich des Hauses, in dem die versicherte Person wohnt, bildet keinen ohne Weiteres öffentlich frei einsehbaren Raum. Eine hierin erfolgte Observation ist grundsätzlich unzulässig. Denn in diesem Rahmen kann nicht mehr von einem vernünftigen Verhältnis zwischen dem Ziel der Verhinderung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs und dem durch die Observation erfolgten Eingriff in die Privatsphäre der versicherten Person ausgegangen werden (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.5 f. S. 334. f.). Derjenige Teil des Berichts, der sich auf die Observation im Treppenhaus und in der Waschküche bezieht, ist daher aus dem Recht zu weisen. 
 
8.5 Das Aktengutachten der Frau Dr. med. R.________ vom 28. Dezember 2009 kann uneingeschränkt berücksichtigt werden, da darin auf die im Observationsbericht erwähnten Tätigkeiten der Versicherten im Treppenhaus und in der Waschküche nicht abgestellt wurde (E. 7.2.3 hievor); diese Verrichtungen sind für die Würdigung des Sachverhalts auch entbehrlich (vgl. SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63 E. 6.4.1 am Ende [8C_239/2008]). 
 
9. 
9.1 Die Ergebnisse einer zulässigen Überwachung können zusammen mit einer ärztlichen Aktenbeurteilung grundsätzlich geeignet sein, eine genügende Basis für Sachverhaltsfeststellungen betreffend den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit der versicherten Person zu bilden (BGE 137 I 327 E. 7.1 S. 337; Urteil 8C_434/2011 vom 8. Dezember 2011 E. 4.2). 
 
9.2 Die Vorinstanz kam in einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen gestützt auf das Aktengutachten der Frau Dr. med. R.________ vom 28. Dezember 2009 zu Recht zum Schluss, dass die Versicherte in einer leichten Erwerbstätigkeit zu 100 % arbeitsfähig ist. Auf die vorinstanzlichen Erwägungen wird verwiesen. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Sie erhebt keine Rügen, die den angefochtenen Entscheid als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG oder die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit als offensichtlich unrichtig erscheinen lassen (vgl. E. 2 hievor). Im Rahmen der freien, pflichtgemässen Würdigung der Beweise durch die Vorinstanz ergab sich ein nachvollziehbares und schlüssiges Bild des Gesundheitszustandes, das nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit hinreichende Klarheit über den rechtserheblichen Sachverhalt vermittelt, weshalb ihre Sachverhaltsfeststellung bundesrechtskonform ist (Urteil 8C_768/2011 vom 7. Februar 2012 E. 5.2). 
 
Aus dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom 12. September 2008 - der immerhin von einer täglich sechsstündigen Arbeitsfähigkeit der Versicherten in einer leidensangepassten leichten Erwerbstätigkeit ausging (E. 5.2.2 hievor) - kann diese nichts zu ihren Gunsten ableiten, da es in Unkenntnis der Observationsunterlagen erstattet wurde. Zu diesen Unterlagen nahm Dr. med. B.________ im Schreiben vom 13. Mai 2011, worin er an seinem Gutachten festhielt, keine Stellung. Demgegenüber erstellte Frau Dr. med. R.________ ihr Gutachten vom 28. Dezember 2009 nach Sichtung des Observationsmaterials. Zudem setzte sie sich mit dem Gutachten des Dr. med. B.________ auseinander. Die - in der Tat sehr aussagekräftigen - Observationsunterlagen ergaben unter Berücksichtigung der übrigen Akten genügend Anhaltspunkte für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Versicherten. In diesem Lichte sind von weiteren medizinischen Abklärungen keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, weshalb davon abzusehen ist (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 137 V 64 E. 5.2 S. 69, 136 I 229 E. 5.3 S. 236). 
 
10. 
Gegen den vorinstanzlichen Einkommensvergleich, der zur Verneinung des Rentenanspruchs führt, bringt die Versicherte keine substanziierten Einwendungen vor, weshalb es damit sein Bewenden hat (Urteil 8C_768/2011 vom 7. Februar 2012 E. 6). Die revisionsweise Aufhebung der Invalidenrente erfolgte mithin zu Recht. 
 
11. 
Die unterliegende Versicherte trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege wird ihr gewährt, da ihre Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos und die Vertretung notwendig war. Sie hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
3. 
Rechtsanwalt Thomas Räber wird als unentgeltlicher Anwalt der Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 9. März 2012 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar