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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_112/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. September 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Thurgau, 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung EU/EFTA, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 30. November 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1970) ist italienischer Staatsangehöriger. Er kam am 18. März 1982 im Familiennachzug in die Schweiz und verfügt hier seither über eine Niederlassungsbewilligung. Von 1990 bis Mitte Februar 2017 beging A.________ im Zusammenhang mit seiner Drogenabhängigkeit zahlreiche Straftaten (Beschaffungskriminalität). Insgesamt wurde er rund 30 Mal zu Bussen, Geld- sowie Freiheitsstrafen (von insgesamt 17 Monaten) verurteilt. Vom 29. Mai 1991 bis zum 29. Juli 1994 sowie vom November 1994 bis Februar 1995 befand er sich in einer Arbeitserziehungsanstalt, nachdem ihn die Kriminalkammer des Kantons Thurgau unter anderem wegen bandenmässigen, teils versuchten Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Betrugs und mehrfacher Entwendung sowie (teilweise) schwerer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen hatte. Ein erstes Entzugsprogramm (Methadon) scheiterte und A.________ wurde wegen weiterer Delikte belangt. 
 
B.  
Am 20. Oktober 2014 erklärte das Bezirksgericht Frauenfeld A.________ unter anderem wegen Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Beschimpfung, mehrfacher Drohung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, versuchter Nötigung, mehrfachen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, Fahrens ohne Berechtigung sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (bedingt). Am 5. Juni 2015 widerrief das Migrationsamt des Kantons Thurgau die Niederlassungsbewilligung von A.________ und hielt ihn an, das Land zu verlassen. Trotz dreier ausländerrechtlicher Verwarnungen (1990, 1993 und 2006) habe er unbeeindruckt weiter und immer schwerer gegen die hiesige Rechtsordnung verstossen. Aufgrund seines jahrzehntelangen ununterbrochenen deliktischen Verhaltens müsse davon ausgegangen werden, dass er die hiesige öffentliche Sicherheit und Ordnung nach wie vor gefährde und eine nicht zu unterschätzende Rückfallgefahr bestehe; eine Rückkehr nach Italien sei ihm zumutbar, nachdem er sich weder sozial noch beruflich integriert und hier von der öffentlichen Hand gelebt habe bzw. seinen Lebensunterhalt heute gestützt auf eine IV-Rente und entsprechende Ergänzungsleistungen bestreite. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben im Wesentlichen ohne Erfolg: Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau wies den Rekurs von A.________ am 10. Dezember 2015 ab. Das Verwaltungsgericht hiess die hiergegen gerichtete Beschwerde am 30. November 2016 insofern teilweise gut, als das Departement das Gesuch von A.________ um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen hatte; in der Sache selber bestätigte es den Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die damit verbundene Ausreisepflicht von A.________. 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau aufzuheben und ihm die Niederlassungsbewilligung EU/EFTA zu belassen. Er macht geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) finde in seinem Fall keine Anwendung. Sämtliche deliktischen Vorfälle seien auf seine Betäubungsmittelabhängigkeit sowie seine kombinierten Persönlichkeitsstörungen zurückzuführen. Im Lichte der freizügigkeitsrechtlichen Rechtsbeschränkungen könne nicht von einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gesprochen werden. Die aufenthaltsbeendende Massnahme sei unverhältnismässig und mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich aufenthaltsbeendender Massnahmen gegenüber sog. "Secondos" ("Ausländer der zweiten Generation") unvereinbar. Für den Fall des Unterliegens ersucht A.________ darum, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Das Verwaltungsgericht, das Departement für Justiz und Sicherheit sowie das Migrationsamt des Kantons Thurgau beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) als beschwerdebefugte Bundesbehörde hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 1. Februar 2017 hat der Abteilungspräsident der Eingabe antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist auf dem Gebiet des Ausländerrechts gegen Entscheide betreffend Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Gegen den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung kann ohne weitere Voraussetzungen an das Bundesgericht gelangt werden, da diese zeitlich unbeschränkt gilt (vgl. Art. 34 Abs. 1 AuG [SR 142.20]) und ohne den Widerruf weiterhin Rechtswirkungen entfalten würde (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).  
 
1.2.  
 
1.2.1. Der Beschwerdeführer beruft sich als italienischer Staatsangehöriger bezüglich des Widerrufs seiner Bewilligung auch auf Art. 5 Anhang I FZA, wonach die aufgrund dieses Abkommens eingeräumten Rechte nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden dürfen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau ist davon ausgegangen, dass Art. 5 Anhang I FZA vorliegend nicht zur Anwendung komme, da der Beschwerdeführer nach dem Inkrafttreten des FZA am 1. Juni 2002 keine relevante Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und seinen Lebensunterhalt in erster Linie durch Sozialhilfeleistungen und hernach durch IV-Renten und Ergänzungsleistungen bestritten habe. Zu keinem Zeitpunkt habe er die Voraussetzungen erfüllt, um sich gestützt auf das FZA als Erwerbstätiger in der Schweiz aufhalten zu können; es bestehe auch keinerlei Anknüpfungspunkt für ein Verbleiberecht nach Art. 4 Anhang I FZA.  
 
1.2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er seit seinem Familiennachzug 1982 über eine Niederlassungsbewilligung verfüge, welche wesensgemäss unbefristet und bedingungsfeindlich sei (Art. 34 AuG). Da ihm unabhängig von der Erwerbstätigkeit bzw. -fähigkeit wegen seiner dauernden Arbeitsunfähigkeit ein Verbleiberecht zustehe, gälten die Regeln des FZA auch, wenn die Anwesenheitsberechtigung landesrechtlich vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsrecht erlangt worden sei und erst in der Folge ein Bewilligungsentzug unter dem günstigeren neuen Recht zur Diskussion stehe. Eine andere Auslegung erscheine rechtsdogmatisch offensichtlich inkonsistent und mit den "Implikationen des Familiennachzugs" unvereinbar.  
 
1.2.3. Wie es sich damit verhält (vgl. auch ASTRID EPINEY, Zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des FZA bei Doppelbürgerschaften, in: dSKR publiziert am 10. Mai 2017 N.12), kann dahin gestellt bleiben, da der angefochtene Entscheid - wie zu zeigen sein wird - auch dann nicht zu beanstanden ist, wenn die aufenthaltsbeendende Massnahme auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben von Art. 5 Anhang I FZA hin geprüft wird, wie dies das Migrationsamt und das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau noch getan haben.  
 
1.3. Auf die rechtzeitig und formgerecht eingereichte Eingabe ist einzutreten, nachdem der Beschwerdeführer durch die aufenthaltsbeendende Massnahme unmittelbar betroffen ist (vgl. Art. 82 ff. und insbesondere Art. 42, 89 Abs. 1, 90 und 100 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seiner Beurteilung den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), da der Beschwerdeführer nicht darlegt, dass und inwiefern dieser klar und eindeutig mangelhaft ermittelt worden wäre (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). In rechtlicher Hinsicht prüft es nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige andere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Das Bundesgericht ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich potentiell stellenden Fragen zu beantworten, wenn diese in seinem Verfahren nicht oder nicht mehr formell korrekt (Begründungs- und Mitwirkungspflicht) problematisiert werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
2.  
 
2.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, (1) wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist; dabei spielt keine Rolle, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32; Urteile 2C_679/2015 vom 19. Februar 2016 E. 5.1); (2) oder wenn der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat bzw. er diese gefährdet (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG). Die aufenthaltsbeendende Massnahme muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 96 AuG; Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Zu berücksichtigen sind dabei namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie allgemein die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.). Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall (vgl. das Urteil 2C_846/2014 vom 16. Dezember 2014 E. 2.4 mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich - wie der Beschwerdeführer - schon seit langer Zeit im Land aufhält, soll praxisgemäss nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit ist dies jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Ausländer hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. das Urteil 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3 [Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines hier geborenen 43-jährigen Türken] und die Entscheide des EGMR i.S.  Saljia gegen Schweiz vom 10. Januar 2017 [Nr. 55470/10] §§ 36 ff. [Anwesenheit von 20 Jahren und Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung] sowie  Trabelsi gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011 [Nr. 41548/06] §§ 53 ff. [Ausweisung eines in Deutschland geborenen, wiederholt straffällig gewordenen Tunesiers]).  
 
2.3. Das Bundesgericht trägt bei der Interessenabwägung im Rahmen des den einzelnen Signatarstaaten der EMRK zustehenden Beurteilungsspielraums den verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 121 Abs. 3 BV ("Ausschaffungsinitiative") insofern Rechnung, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht - insbesondere der EMRK - führt. Nach der entsprechenden Verfassungsnorm sollen gewisse schwere Delikte, wozu der qualifizierte Drogenhandel aus rein finanziellen Motiven, Vergehen gegen die sexuelle Integrität sowie Gewaltdelikte und Raubtaten zählen (vgl. das Urteil 2C_361/2014 vom 22. Oktober 2015 E. 3.2 mit Hinweisen ["Schönenwerd 2"]; BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19 f.), grundsätzlich unabhängig von der Anwesenheitsdauer zum Verlust des Aufenthaltsrechts und zu weiteren ausländerrechtlichen Sanktionen führen (vgl. BGE 139 I 16 E. 5.3 S. 31, 31 E. 2.3.2; Urteil 2C_368/2015 vom 15. September 2015 E. 2.2).  
 
2.4. Bei gewichtigen Straftaten und bei Rückfall sowie bei wiederholter (unverbesserlicher) Delinquenz besteht regelmässig ein wesentliches öffentliches Interesse daran, die weitere Anwesenheit der Täterin oder des Täters zu beenden, da und soweit sie hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr gebracht haben bzw. sich von straf- und ausländerrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken liessen und damit zeigen, dass sie auch künftig weder gewillt noch fähig erscheinen, sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten (BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18 f., 31 E. 2.1 S. 32 f.; 137 II 297 E. 3.3 S. 304; Urteile 2C_1086/2014 vom 11. Juni 2015 E. 2.1; 2C_843/2014 vom 18. März 2015 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
2.5.  
 
2.5.1. Die entsprechenden Widerrufs- bzw. Erlöschensgründe (vgl. Art. 51 AuG) gelten auch für ausländische Personen, die seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz leben (vgl. Art. 63 Abs. 2 AuG). Sie bilden ebenfalls Grundlage für den   Widerruf der Niederlassungsbewilligung von EU/EFTA-Bürgern (Vertragsausländer), da diese Bewilligungsart durch das Freizügigkeitsabkommen nicht geregelt wird und nach Massgabe des nationalen Rechts zu beurteilen ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 AuG; Art. 5 und 23 Abs. 2 VEP [SR 142.203]; vgl. das Urteil 2C_831/2010 vom 27. Mai 2011 E. 2.2). Nach den gemäss Art. 5 Anhang I FZA anwendbaren Grundsätzen ist für eine aufenthaltsbeendende Massnahme freizügigkeitsrechtlich erforderlich, dass von der betroffenen Person eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung ausgeht, die ein grundlegendes Schutzinteresse der Gesellschaft berührt; ausschliesslich generalpräventive oder wirtschaftliche Überlegungen genügen für eine aufenthaltsbeendende Massnahme in Anwendung des Freizügigkeitsabkommens nicht (vgl.  EPINEY/BLASER, in: Amarelle/ Nguyen [Hrsg.], Code annoté de droit des migrations, Band III: FZA, 2014, N. 15 ff. zu Art. 4 FZA).  
 
2.5.2. Eine (frühere) strafrechtliche Verurteilung darf im Rahmen von Art. 5 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens mitberücksichtigt werden, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Die entsprechende Regelung schliesst nicht aus, den Grad der fortbestehenden Bedrohung aufgrund des bisherigen Verhaltens abzuschätzen. Eine Rückfallgefahr besteht nicht nur, wenn ein Straftäter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder delinquieren wird; umgekehrt ist nicht erforderlich, dass überhaupt kein entsprechendes Restrisiko mehr besteht (vgl. das Urteil 2C_270/2015 vom 6. August 2015 E. 4.1 u. 4.2). Je schwerer die befürchtete bzw. vernünftigerweise absehbare Rechtsgutsverletzung wiegt, umso weniger ist die Möglichkeit eines Rückfalls freizügigkeitsrechtlich hinzunehmen (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125 f.; 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 4.3.1 S. 185 f. mit Hinweisen; Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015 E. 4.2). Als schwerwiegend gelten Beeinträchtigungen der physischen, psychischen und sexuellen Integrität Dritter, der qualifizierte Drogenhandel aus rein pekuniären Motiven und die organisierte Kriminalität sowie Terrorismus oder Menschenhandel (BGE 139 II 121 E. 6.3 S. 130 f.). Je nach den Umständen, gibt es Delikte, die allein aufgrund ihrer Begehung eine spätere Rückfallgefahr - auch für weniger schwere Straftaten - nicht ausschliessen. Mit Blick auf die nur teilweise überwundene Drogenabhängigkeit des kinderlos geschiedenen Beschwerdeführers ist im Hinblick auf seine berufliche, gesundheitliche und finanzielle Situation bzw. seiner mangelhaften Integration die Gefahr einer künftigen (schwereren) Straffälligkeit nicht auszuschliessen (vgl. das Urteil 2C_236/2013 vom 19. August 2013 E. 6.4).  
 
3.  
 
3.1. Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass ein gewisser Teil seiner Delikte von untergeordneter Bedeutung sind (Bussen wegen unterlassenem Anleinen seines Hundes, Konsumation von weichen Drogen, Hausfriedensbrüche nach gegen ihn ausgesprochenen Hausverboten von Geschäften usw.). Indessen hat sich ein anderer Teil seiner Delikte auch gegen Leib und Leben bzw. die Gesundheit Dritter gerichtet, wobei sein Verhalten jeweils von einer nicht zu unterschätzenden Droh- und Gewaltbereitschaft zeugte (vgl. die E. 2.4 des angefochtenen Entscheids zugrundeliegenden Sachverhaltselemente) : Am 13. März 2008 stritt der Beschwerdeführer sich vorerst verbal mit einem Dritten; in der Folge brachte er diesem mit seinem Taschenmesser fünf Stichwunden im linken Rückenbereich, eine Stichverletzung am linken Ellbogen und am linken Oberschenkel sowie Schürfwunden und Prellungen bei. Am 15. April 2011 kam es zwischen ihm und den Enkeln einer Nachbarin zu einer weiteren Auseinandersetzung; er hatte die ältere Dame zwei Tage zuvor mit den Worten "du fetti Sau, etz piss i dir as Bei" beschimpft und war dabei provokativ mit heraushängendem Penis auf sie zugegangen. Nach dem verbalen Streit mit den Enkeln, die ihn bedrohend dazu bringen wollten, sich bei ihrer Grossmutter zu entschuldigen, ging der Beschwerdeführer in sein Schlafzimmer und holte dort eine geladene und gespannte Doppelflinte, mit der er die anderen Beteiligten bedrohte und sie aufforderte, sich zu entfernen. Schliesslich gab er über die Brüstung des offenen Korridors vor seiner Wohnungstür einen Warnschuss ab, welcher wenige Meter vor der Liegenschaft in den Boden drang; dabei wurde glücklicherweise niemand konkret gefährdet oder verletzt. Dies ergibt sich aus dem von der Vorinstanz übernommenen Sachverhalt des Departements für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau; der Beschwerdeführer bestreitet die Taten als solche denn auch nicht, sondern begnügt sich damit, sie in appellatorischer Weise zu beschönigen. Am 22. August 2011 stiess der Beschwerdeführer einen Dritten in einer Bahnhofsunterführung gegen eine Treppe und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, sodass dieser eine Kontusion am linken Auge und am linken Schulterblatt erlitt und aus der Nase blutete. Einer Person, welche schlichten wollte, schlug er auf den Rücken, sodass sie aus Angst vor ihm die Flucht ergriff. Zu ähnliche Vorkommnissen kam es auch am 30. Mai 2012 sowie am 29. Juni 2012, als er einen seiner Nachbarn eine metallene Hundeleine schwingend bedrohte und ihm einen Stein auflesend zuschrie, er werde ihn umbringen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer wurde zwischen 1990 und 2014 insgesamt 29 Mal verurteilt: Dabei ging es insgesamt um Freiheitsstrafen von mehr als 17 Monaten, Bussen im Gesamtwert von Fr. 4'750.-- sowie Geldstrafen in der Höhe von Fr. 750.--. Ins Gewicht fällt zu seinen Ungunsten nicht in erster Linie die Strafhöhe, nachdem keine gegen ihn ausgesprochene Sanktion über 9 Monate hinausging und auch die Straffälligkeit gesamthaft - unter vergleichendem Beizug der zwei Jahresregel der "Reneja"-Praxis (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.3 S. 148) - im unteren Bereich liegt, sondern seine sich über Jahre hinziehende Delinquenzbereitschaft, die sich auch gegen die körperliche Integrität Dritter richtete. Weder sein jahrelanger Aufenthalt in einer Arbeitserziehungsanstalt noch die Strafverfahren und die drei ausländerrechtlichen Verwarnungen (1990, 1993 und 2006) vermochten ihn eines Besseren zu belehren bzw. ihn zur Einsicht zu bringen, dass er seinen Lebenswandel ändern musste, wollte er in der Schweiz bleiben. Alle Massnahmen liessen den Beschwerdeführer unbeeindruckt; er legte über Jahre hinweg eine vollständige Gleichgültigkeit und Respektlosigkeit der hiesigen Rechtsordnung und der physischen Integrität anderer Personen gegenüber an den Tag. Soweit er geltend macht, mit seiner Mutter und seiner Schwester hier in einem sozial gefestigten Umfeld zu leben, vermochten diese familiären Bindungen ihn bereits bisher nicht davon abzuhalten, immer wieder und nicht nur in Bagatellbereichen zu delinquieren, weshalb nicht ersichtlich ist, inwiefern ihn das Verhältnis zu seinen hier lebenden Angehörigen nunmehr so stabilisieren sollte, dass mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, es bestehe bei ihm keine aktuelle Rückfallgefahr mehr. Eine "biographische Kehrtwende" ist beim Beschwerdeführer nicht auszumachen. Straf- und Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele; ist es Zweck des Strafrechts, verschuldensabhängig bestimmte Verhaltensweisen zu sanktionieren und den Täter zu resozialisieren, steht ausländerrechtlich der Sicherheitsaspekt im Vordergrund, in dessen Rahmen auch bei geringer bis mittlerer Strafhöhe eine - wie hier - über Jahre hinweg erfolgte Straffälligkeit nicht mehr hingenommen werden muss.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer hat es nicht verstanden, die ihm gebotenen Chancen zu nutzen und sich hier (doch noch) zu integrieren. Zu seinen Gunsten spricht einzig der Umstand, dass er sich nach einem Bericht vom 22. Juni 2015 psychotherapeutisch behandeln liess, umgekehrt blieb eine entsprechende Massnahme bereits einmal ohne Erfolg. Noch nach dem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung wurde er trotz Behandlung erneut straffällig und hielt er sich weiterhin im drogennahen Umfeld auf (Hausfriedensbruch). Die Annahme der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer nicht willens oder nicht in der Lage scheint, sich künftig an die hiesige Rechtsordnung zu halten, verletzt deshalb kein Bundesrecht. Der Beschwerdeführer bildet im Hinblick auf seine bisher gezeigte Gewalt- und Drohbereitschaft eine aktuelle Gefahr für wichtige Rechtsgüter im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 5 Anhang I FZA (körperliche Integrität Dritter), auch wenn er in den letzten drei Jahren unter dem Druck des ausländerrechtlichen Verfahrens nur noch einen Strafeintrag erwirkt hat. Soweit der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des EGMR verweist, verkennt er, dass es dort in erster Linie jeweils um Jugendkriminalität ging, er indessen als Erwachsener wiederholt straffällig geworden ist.  
 
3.4.  
 
3.4.1. Seine privaten Interessen an einem Verbleib in der Schweiz vermögen unter diesen Umständen die öffentlichen, dass er das Land verlässt, nicht zu überwiegen: Zwar hält er sich inzwischen seit über 30 Jahren in der Schweiz auf, doch entfällt ein Teil seiner Anwesenheit auf den Aufenthalt in einer Arbeitserziehungsanstalt, ohne dass es ihm anschliessend gelungen wäre, straffrei zu leben. Während seiner ersten elf Jahre ist er in Italien sozialisiert worden. Sein Vater ist inzwischen wieder in die gemeinsame Heimat zurückgekehrt, sodass der Beschwerdeführer sich dort nicht auf sich selber gestellt sieht. Zwar macht er geltend, dass die Beziehungen zwischen seinem Vater und ihm belastet seien; das schliesst indessen nicht aus, dass er sich mit ihm aussöhnt und in seiner Heimat soziale Beziehungen knüpft, nachdem ihm dies in der Schweiz nur in der Drogenszene gelungen ist.  
 
3.4.2. Die hier gemachte Ausbildung wird es ihm ermöglichen, auch in Italien leben zu können, zumal er weiterhin in den Genuss der IV-Rente kommen wird. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, mit der Sprache und den Gebräuchen seiner Heimat vertraut zu sein, auch wenn er das Land "seit Jahrzehnten" nicht mehr besucht haben will. Dass und wie er dort der "totalen Verwahrlosung" ausgesetzt wäre, ist   nicht ersichtlich und wird in der Beschwerdeschrift nicht weiter belegt; im Übrigen ist jeder Wechsel in ein anderes Land mit gewissen Belastungen verbunden. Diese werden für den Beschwerdeführer durch die Sozialversicherungsleistungen relativiert. Zwar empfehlen die Externen Psychiatrischen Dienste Thurgau, von der Wegweisung des Beschwerdeführers abzusehen und ihm die Chance "für eine weitere Resozialisierung zu ermöglichen"; dem entsprechenden Schreiben kommt indessen nur eine beschränkte Bedeutung zu, nachdem sämtliche Hilfestellungen und Warnungen zu keiner grundsätzlichen und glaubwürdigen Änderung der Einstellung bzw. des Verhaltens des Beschwerdeführers geführt haben. Dieser hat seine Chancen gehabt; bewährt er sich in seiner Heimat, ist eine freizügigkeitsrechtliche Rückkehr in die Schweiz zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. Erforderlich ist, dass von ihm dannzumal keine aktuelle Gefahr für wichtige Rechtsgüter mehr ausgeht, wie dies gesamthaft in Berücksichtigung seiner Persönlichkeitsstruktur derzeit noch der Fall ist.  
 
3.4.3. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, gesundheitlich und - insbesondere im Hinblick auf die drohende Wegweisung - psychisch verunsichert und angeschlagen zu sein, können seine entsprechenden Probleme in Italien behandelt werden. Die dortigen Pflegemöglichkeiten und allgemeinen Lebensbedingungen unterscheiden sich nicht wesentlich von den hiesigen. Die Externen Psychiatrischen Dienste Thurgau weisen zwar darauf hin, dass bei einer Ausreise des Beschwerdeführers die Fortsetzung des Methadonprogramms nicht gesichert erscheine, doch kann ein solches - wie sie einräumen - mit den italienischen Ärzten geplant werden. Dem Umstand, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers "unter Umständen bis hin zu suizidalen Gedanken" verschlechtern könnte, ist bei der Ansetzung der Ausreisefrist und der Vorbereitung des Wegweisungsvollzugs angemessen Rechnung zu tragen.  
 
3.4.4. Die schweizerischen Behörden sind gehalten, im Rahmen der konkreten Rückkehrmassnahmen alles ihnen Zumutbare vorzukehren, um medizinisch bzw. betreuungsmässig sicherzustellen, dass das Leben und die Gesundheit einer rückkehrpflichtigen Person möglichst nicht beeinträchtigt wird; sie sind verfassungsrechtlich jedoch nicht verpflichtet, im Hinblick auf eine kritische psychische Situation in Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben dem Gesuch auf Erteilung einer Anwesenheitsberechtigung bzw. auf den Verzicht des Widerrufs einer Bewilligung zu entsprechen (vgl. BGE 139 II 393 E. 5.2.2 S. 403 und die Urteile 2C_300/2016 vom 19. August 2016 E. 4.4.5; 2C_856/2015 vom 10. Oktober 2015 E. 3.2.1 sowie 2C_573/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 4.3). Die Vollzugsbehörden können dem Beschwerdeführer nötigenfalls eine längere Ausreisefrist ansetzen (vgl. Art. 64d Abs. 1 AuG [Fassung vom 18. Juni 2010]) und sich, falls erforderlich, auch darum bemühen, seine weitere Behandlung im Heimatstaat grenzüberschreitend zu organisieren. Seit dem erstinstanzlichen Wegweisungsentscheid sind über zwei Jahre verstrichen; dieser   Zeitraum dürften es dem Beschwerdeführer und seinen Therapeuten ermöglicht haben, die Pflicht zur Rückkehr nach Italien, die dem Beschwerdeführer schwerfällt, angemessen aufzuarbeiten. Auch von Italien aus ist es möglich die Kontakte zu Mutter und Schwester regelmässig zu pflegen; es kann im Übrigen nicht gesagt werden, dass diesbezüglich über die normalen familiären Kontakte hinaus ein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis bestünde. Seine Angehörigen können ihm, soweit nötig, über die Grenze hinweg psychisch wie wirtschaftlich zur Seite stehen. Dies gilt umso mehr, als sie im vorliegenden Verfahren anerboten haben, im Rahmen von Art. 24 Anhang I FZA (Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit) gegebenenfalls künftig für die Ergänzungsleistungen aufzukommen, falls der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers an fehlenden Mitteln scheitern sollte; dies ist indessen nicht der Fall, da der Beschwerdeführer nicht wegen seiner finanziellen Situation angehalten wird, das Land zu verlassen, sondern wegen seines bisherigen, unverbesserlichen strafrechtlich relevanten Verhaltens.  
 
4.  
Die Beschwerde ist nach dem Dargelegten abzuweisen. Da der Beschwerdeführer bedürftig ist und seine Eingabe nicht als zum Vornherein aussichtslos gelten konnte (vgl. Art. 64 BGG; BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f. mit Hinweisen), ist dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu entsprechen. Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Marc Spescha, Zürich, als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben und dieser mit Fr. 2'500.-- aus der Gerichtskasse entschädigt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. September 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar