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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_269/2020  
 
 
Urteil vom 25. Juni 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Abteilung für schwere Gewaltkriminalität, Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 29. April 2020 (UB200056-O/U/HON). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich führt gegen A.A.________ und weitere Personen ein Strafverfahren wegen des Verdachts der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung bzw. versuchten Tötung zum Nachteil der Brüder B.B.________ und C.B.________, begangen in der Nacht auf den 11. Oktober 2019 in U.________. 
A.A.________ wurde am 13. Oktober 2019 festgenommen. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Dietikon versetzte ihn am 16. Oktober 2019in Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht Zürich verlängerte in der Folge die Untersuchungshaft und wies die dagegen gerichteten Haftentlassungsgesuche von A.A.________ ab. Mit Verfügung vom 13. März 2020 wies es ein erneutes Haftentlassungsgesuch abermals ab und verlängerte die Untersuchungshaft bis zum 13. Juni 2020. Dabei ging es sowohl von Kollusions- als auch von Wiederholungsgefahr aus. 
Eine von A.A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 29. April 2020 ab. Es bejahte die Wiederholungsgefahr und liess offen, ob darüber hinaus auch Kollusionsgefahr bestehe. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 28. Mai 2020 beantragt A.A.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und er selbst sei sofort aus der Haft zu entlassen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anordnung von Untersuchungshaft. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich nach wie vor in Haft: Mit Verfügung vom 18. Juni 2020 hat das Zwangsmassnahmengericht Zürich die Untersuchungshaft bis zum 18. September 2020 verlängert. Er ist deshalb gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
Zum betreffenden Vorfall in der Nacht auf den 11. Oktober 2019 hält das Obergericht fest, der Beschwerdeführer werde dringend verdächtigt, beim Club "D.________" in U.________ mit weiteren mutmasslichen Tätern, darunter sein Bruder E.A.________ und dessen Kollege F.________, in eine Schlägerei mit den Brüdern B.B.________ und C.B.________ verwickelt gewesen zu sein. Zuvor solle es zwischen den vier Letztgenannten bereits im und vor dem Club zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sein. Der Beschwerdeführer sei von seinem Bruder telefonisch herbeigerufen worden und habe sich daraufhin mit zwei noch unbekannten Männern zum Tatort begeben. Dort angekommen, hätten sie die Geschädigten zu Fall gebracht und zusammen mit E.A.________ und F.________ mit Faustschlägen und Fusstritten unter anderem gegen den Kopf bis zur (vorübergehenden) Bewusstlosigkeit malträtiert. Selbst als die Geschädigten regungslos am Boden gelegen hätten, seien sie weiter heftig gegen den Kopf getreten und geschlagen worden. Beide seien in der Tatnacht hospitalisiert worden, hätten das Spital indes am Folgetag wieder verlassen können. Gemäss der körperlichen Untersuchung hätten die Geschädigten insbesondere im Kopf- und Gesichtsbereich zahlreiche frische Verletzungen aufgewiesen, die durch stumpfe bzw. tangential-schürfende Gewalteinwirkungen, beispielsweise Faustschläge und Fusstritte, entstanden sein könnten. Die medizinischen Gutachter hätten in Bezug auf beide Geschädigte festgehalten, angesichts der Ausdehnung der Verletzungen sei es lediglich dem Zufall zu verdanken gewesen, dass es zu keinen Schädelfrakturen, Blutungen im Kopfinnern oder Hirngewebsverletzungen und damit zu lebensgefährlichen schwersten Verletzungen gekommen sei. Ausserdem hätten Prellungen der Augen zu Verletzungen im Augeninnern und zur Ablösung der Netzhaut mit daraus resultierender Erblindung führen können. Von der Schlägerei gebe es eine Videoaufnahme, die den Beschwerdeführer belaste. Es bestehe gestützt darauf der dringende Tatverdacht der versuchten schweren Körperverletzung bzw. Tötung (Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 122 bzw. Art. 111 StGB). Unbedeutend sei, dass die genauen Tatumstände umstritten seien, namentlich ob der Beschwerdeführer in Notwehr (-hilfe) gehandelt haben könnte und inwieweit er mit Vorsatz gehandelt habe. Zudem seien die Voraussetzungen für die Annahme von Wiederholungsgefahr einstweilen als erfüllt anzusehen. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er ist jedoch der Auffassung, es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Weiter wirft er dem Obergericht vor, den Sachverhalt willkürlich festgestellt zu haben (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei er nicht darlegt, inwiefern dies der Fall sein soll (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Ob von Wiederholungsgefahr auszugehen ist, stellt eine Frage der Rechtsanwendung dar. Das Bundesgericht prüft diese Frage frei und nicht lediglich auf Willkür hin (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, Art. 95 lit. a BGG). 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO liegt Wiederholungsgefahr vor, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat. Nach der Rechtsprechung kann sich Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch aus Vortaten ergeben, die dem Beschuldigten im hängigen Strafverfahren erst vorgeworfen werden, wenn die Freilassung des Ersttäters mit erheblichen konkreten Risiken für die öffentliche Sicherheit verbunden wäre. Erweisen sich die Risiken als untragbar hoch, kann vom Vortatenerfordernis sogar ganz abgesehen werden. Aufgrund einer systematisch-teleologischen Auslegung von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO kam das Bundesgericht zum Schluss, es habe nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, mögliche Opfer von schweren Gewaltdelikten einem derart hohen Rückfallrisiko auszusetzen (BGE 137 IV 13 E. 2-4 S. 15 ff.; Urteil 1B_556/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die Verhütung weiterer schwerwiegender Delikte ist ein verfassungs- und grundrechtskonformer Massnahmenzweck: Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK anerkennt ausdrücklich die Notwendigkeit, Beschuldigte im Sinne einer Spezialprävention an der Begehung schwerer strafbarer Handlungen zu hindern (BGE 143 IV 9 E. 2.2 S. 11 mit Hinweisen; zur Publ. vorgesehenes Urteil 1B_6/2020 vom 29. Januar 2020 E. 2.2).  
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist restriktiv zu handhaben und setzt eine ungünstige Rückfallprognose voraus (BGE 143 IV 9 E. 2.9 f. S. 17; zur Publ. vorgesehenes Urteil 1B_6/2020 vom 29. Januar 2020 E. 2.2). Seine Anwendung über den gesetzlichen Wortlaut hinaus auf Ersttäter muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben und erfordert eine massive und ernsthafte Wiederholungsgefahr. Nötig ist nicht nur ein hinreichender Tatverdacht, sondern es müssen erdrückende Belastungsbeweise gegen den Beschuldigten vorliegen, die einen Schuldspruch als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Die ungünstige Rückfallprognose muss sich zudem auf Delikte beziehen, die "die Sicherheit anderer erheblich" gefährden. Im Vordergrund stehen dabei Delikte gegen die körperliche und sexuelle Integrität (zum Ganzen: Urteil 1B_556/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 2.2 mit Hinweisen; zur Wiederholungsgefahr bei Vermögensdelikten siehe zur Publ. vorgesehene Urteile 1B_6/2020 vom 29. Januar 2020 E. 2 und 1B_595/2019 vom 10. Januar 2020 E. 4; je mit Hinweisen). 
 
4.2. Das Obergericht hält fest, der Beschwerdeführer zeige eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber der physischen Integrität anderer. Er sei gegenüber zwei Personen massiv gewalttätig geworden. Davon, dass im Moment seines Einschreitens eine unmittelbare Bedrohungslage für ihn oder seinen Bruder bestanden hätte, könne jedenfalls gestützt auf die vorläufigen Untersuchungsergebnisse nicht ausgegangen werden. Die Gründe für den Gewaltausbruch schienen nicht restlos geklärt und es stehe zumindest auch der Verdacht im Raum, es könnten allenfalls geschäftliche Angelegenheiten dahintergestanden haben. Nach Aussagen des Beschwerdeführers selbst müsse jedenfalls angenommen werden, dass seine Emotionen bzw. Wut unmittelbar und insofern objektiv nicht nachvollziehbar überhandgenommen hätten. Folge man seiner Darstellung der Geschehnisse, habe er seinen Bruder unterstützen wollen und habe gehandelt, ohne über die Vorgeschichte näher im Bild gewesen zu sein. Damit bestehe die ernsthafte Befürchtung, er könnte bei einer Konfliktsituation - auch nur schon vom Hörensagen - erneut ähnlich unverhältnismässig reagieren. Dies gelte umso mehr, als er mutmasslich ohne zu zögern sogar gegenüber Bekannten bzw. Freunden, mit denen es bis anhin noch nie zu Streitereien gekommen sein solle, derart aggressiv vorgegangen sei.  
Vor diesem Hintergrund vermöchten derzeit weder der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahmen teilweise explizit von der Tat Abstand genommen habe, noch seine persönlichen Verhältnisse hinreichend Gewähr dafür zu bieten, dass er künftig ohne Weiteres in der Lage sein werde, mit Auseinandersetzungen und Provokationen adäquat umzugehen. Seinem bekundeten Bedauern über die Tat sei entgegenzuhalten, dass er gleichwohl ein Fehlverhalten der Geschädigten zumindest entscheidend mitverantwortlich gemacht habe für sein Handeln. An positiven Faktoren habe er insbesondere seine mustergültige familiäre Verankerung und die erfolgreiche Geschäftstätigkeit als Unternehmer genannt. Das Wissen um seine Verantwortung für seine Familie habe ihn allerdings auch nicht von der zur Diskussion stehenden Tat abzuhalten vermocht. Insbesondere als Geschäftsmann habe er in der Vergangenheit zudem kein strikt regelkonformes Verhalten gezeigt. Er sei seit 2011 verschiedene Male wegen mehrfacher Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung sowie unter anderem wegen der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung verurteilt worden. Hinzu komme eine Verurteilung im Jahr 2018 wegen mehrfacher Misswirtschaft und mehrfacher Unterlassung der Buchführung. 
Entscheidend sei, dass der Anlassvorfall von einer erheblichen Gewaltintensität zeuge und jedenfalls Anzeichen dafür biete, der Beschwerdeführer könnte bei negativen Gefühlsausbrüchen die Kontrolle über sein Handeln komplett verlieren. Sein Verhalten erscheine insofern unberechenbar und die drohenden Taten wiesen eine hohe Sicherheitsrelevanz auf. Damit seien die Hürden für die Annahme von Wiederholungsgefahr als einstweilen erfüllt zu beurteilen. Es bedürfe indes einer weitergehenden, fachkundigen Abklärung des Gewaltpotentials und der Rückfallgefahr. Damit werde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass er "Ersttäter" sei. 
 
4.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, es habe sich um eine Ausnahmesituation gehandelt. Er habe um die mögliche Aggressivität von B.B.________ gewusst und um das Leben seines Bruders gefürchtet, als er hingefahren sei. Auch wenn sein Bruder bei seiner Ankunft nicht unmittelbar in Bedrängnis gewesen sei, sei er zuvor immerhin mit einer Eisenstange attackiert worden. Er selbst habe sich an der Schlägerei erst beteiligt, nachdem sie durch seine zwei Begleiter wieder in Gang gesetzt worden sei. Die ihm vorgeworfenen Taten seien auf eine Provokation bzw. auf Angriffe durch die späteren Geschädigten zurückzuführen, die im Übrigen später ihr Desinteresse an der Strafverfolgung erklärt hätten. Vor diesem Hintergrund sei trotz der Tatschwere nicht haltbar, von einer allgemeinen Unberechenbarkeit auszugehen. Anhaltspunkte für psychische Probleme bestünden nicht. Zudem lebe er in geordneten und stabilen persönlichen Verhältnissen. Er habe eine Familie und sei erfolgreicher Unternehmer. Im Ergebnis schliesse das Obergericht einzig aufgrund der Anlasstat auf Wiederholungsgefahr, was bundesrechtswidrig sei.  
 
4.4. Es ist zutreffend, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat ein grosses Gewaltpotenzial offenbart. Entsprechend sind geringere Anforderungen an die Rückfallgefahr zu stellen (BGE 143 IV 9 E. 2.9 S. 17). Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr der Beschwerdeführer als Ersttäter gilt und nach der in E. 4.1 hiervor dargestellten Praxis die Annahme von Wiederholungsgefahr nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.  
Die Einschätzung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer sei unberechenbar, vernachlässigt, dass der ihm vorgeworfene Gewaltausbruch nach den vorläufigen Untersuchungsergebnissen objektiv betrachtet nicht völlig unprovoziert erfolgte (vgl. mit Urteil 1B_95/2015 vom 14. April 2015 E. 2.2.3, wo ernsthaft zu befürchten war, der Beschuldigte könnte in Freiheit gar bei nur vermeintlichen Provokationen erneut entgleisen und ein Gewaltdelikt begehen). Gemäss der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Entscheid bestätigte G.________, der bei dem Geschehen anwesend gewesen war, dass die Brüder B.________ auf der Zufahrtsstrasse den Weg versperrt hätten, als er selbst, E.A.________ und F.________ nach einer ersten Schlägerei ausserhalb des Clubs hätten wegfahren wollen. Dabei habe zumindest einer der Brüder B.________ eine Eisenstange in den Händen gehalten und es sei zu einer weiteren handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen, wobei E.A.________ unter B.B.________ zu liegen gekommen sei. Aus den in den Akten befindlichen Verletzungsbildern von E.A.________ ergibt sich diesbezüglich, dass er - neben vereinzelten Spuren an Rumpf und Extremitäten - ein markant blutunterlaufenes Auge davontrug. Dass die beiden im Moment des Einschreitens des Beschwerdeführers bereits getrennt worden waren und keine erkennbare unmittelbare Bedrohungslage bestanden habe, wie das Obergericht gestützt auf die Akten hervorhebt, ist für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr vor diesem Hintergrund nicht allein entscheidend. 
Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer keine einschlägigen Vorstrafen hat und das Obergericht - abgesehen vom Tatvorwurf selbst - keine ernsthaften konkreten Anhaltspunkte für eine psychische Störung aufzeigt, kann die Rückfallprognose insgesamt nicht als ungünstig bezeichnet werden. Die seit 2011 erfolgten Verurteilungen wegen mehrfacher Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung und wegen der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung fallen dabei nicht ins Gewicht. Dass eine gleiche oder ähnliche Situation beim Beschwerdeführer erneut zu einem Gewaltausbruch führen könnte, erscheint somit nicht als hinreichend wahrscheinlich, um die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass die bisher erstandene Untersuchungshaft von mehr als acht Monaten eine Warnwirkung haben dürfte (vgl. Urteil 1B_497/2012 vom 3. Oktober 2012 E. 2.2.2 f.). 
Das Abwarten der Ergebnisse der von der Staatsanwaltschaft am 18. März 2020 in Auftrag gegebenen und für den 30. September 2020erwarteten psychiatrischen Expertise ist vor diesem Hintergrund nicht angebracht. Immerhin ist diesbezüglich festzuhalten, dass aufgrund des Beschleunigungsgebots in Haftsachen das Einholen einer Vorabstellungnahme angezeigt gewesen wäre, zumal auch das Obergericht die Wiederholungsgefahr nur als einstweilen erfüllt beurteilte und auf die Notwendigkeit einer weitergehenden, fachkundigen Abklärung hinwies. 
 
4.5. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben. Nachdem sich ergeben hat, dass der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist und auch eine gewisse Wiederholungsgefahr besteht, die indessen zu gering ist, um die Fortsetzung der Haft zu rechtfertigen, wäre der Beschwerdeführer grundsätzlich zu entlassen. Allerdings hat das Obergericht die Frage unbeantwortet gelassen, ob Kollusionsgefahr bestehe, und es scheint nicht offensichtlich, dass diese fehlt. Eine Haftentlassung durch das Bundesgericht kommt deshalb nicht in Betracht. Stattdessen ist die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.  
 
5.   
Die Beschwerde ist somit insoweit gutzuheissen, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der obigen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. April 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zürich hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Juni 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold