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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_505/2020  
 
 
Urteil vom 6. Oktober 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Integritätsentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 8. Juni 2020 (UV.2020.5). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1978 geborene A.________ war seit dem 29. Juli 2013 in einem Pensum von 75 % als Paketauslieferer bei der B.________ AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) unfallversichert. Am 2. April 2016 erlitt er in Deutschland einen Autounfall bei dem er sich multiple Verletzungen zuzog. Das erstversorgende Universitätsklinikum C.________ diagnostizierte eine rechtsseitige laterale Claviculafraktur, eine rechtsseitige Rippenserienfraktur 1-7, eine rechtsseitige Fraktur des Querfortsatzes des ersten Brustwirbelkörpers, ein kleiner rechtsseitiger Pneumothorax sowie eine Prellung an der rechten Hand (Begleitbogen für die stationäre Aufnahme vom 2. April 2016). Die Claviculafraktur und der Hämatoseropneumothorax wurden in der Folge operativ versorgt (Operationsbericht vom 7. April 2016). Die weitere Behandlung erfolgte in der Schweiz, nach Entlassung aus dem Spital D.________ hauptsächlich durch Schmerzmittel und Physiotherapie. Am 7. Oktober 2016 wurde eine partielle Metallentfernung an der Clavicula durchgeführt. Im Rahmen des anschliessenden, vom 8. November bis 6. Dezember 2016 dauernden, stationären Aufenthalts in der Rehaklinik E.________ klagte A.________ insbesondere über eine Störung der Konzentration und der Merkfähigkeit, eine Schlafstörung, eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung an der rechten Schulter, eine Sensibilitätsminderung am rechten Daumen mit Störung der Feinmotorik und Kraftminderung beim Faustschluss sowie über intermittierend auftretende Thoraxschmerzen (Austrittsbericht vom 15. Dezember 2016). Die Thorax- und Schulterbeschwerden wurden weiter abgeklärt wie auch die Kopfschmerzen und die Merkfähigkeitsstörung. Im September 2017 fand eine bildgebende Untersuchung des Schädels statt und im Oktober 2017 erfolgte die vollständige Metallentfernung an der Clavicula. Eine neuropsychologische Testung durch Dr. phil. F.________, Fachpsychologin für Neuropsychologie und Psychotherapie FSP, musste aufgrund der mangelhaften Compliance des Versicherten unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht wiederholt werden (neuropsychologischer Untersuchungsbericht vom 21. August 2018). Weiter veranlasste die Suva bei Prof. Dr. med. G.________, Facharzt für Radiologie FMH, speziell Neuroradiologie, einen Konsiliarbericht (vom 25. September 2018) und liess Dr. med. H.________, Facharzt für Neurologie, Leiter der Fachgruppe Neurologie der Suva, hierzu am 14. November 2018 Stellung nehmen. Mit Schreiben vom 15. November 2018 teilte die Suva die Einstellung ihrer bis dahin erbrachten vorübergehenden Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld) auf Ende Dezember 2018 mit. Am 11. Januar 2019 verneinte sie verfügungsweise einen Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 24. Januar 2020. 
 
B.   
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 8. Juni 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihm die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Insbesondere sei ihm ab 1. Januar 2019 ein Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrads von 10 % sowie eine Intergritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von mindestens 5 % zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz bundesrechtskonform den Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung verneint hat. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob sie ihm Rahmen ihrer Beweiswürdigung auf die kreisärztliche Beurteilung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit und des Integritätsschadens abstellen durfte. 
Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG;), den Anspruch auf eine Invalidenrente in der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG;) richtig dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen zum Anspruch auf eine Integritätsentschädigung (Art. 24 f. UVG; Art. 36 UVV), zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) und zu den beweisrechtlichen Anforderungen an einen ärztlichen Bericht im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) und an versicherungsinterne Berichte im Besonderen (BGE 145 V 97 E. 8.4 S. 105 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz mass der kreisärztlichen Beurteilung des Dr. med. I.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 19. Juni 2018 vollen Beweiswert zu. Danach seien die Rippenfrakturen abgeheilt. Die laterale Claviculafraktur sei vollständig knöchern konsolidiert (röntendiagnostische Abklärung vom 15. Mai 2018). Bezüglich der rechten Schulter zeige das AC-Gelenk keine grösseren arthrotischen Veränderungen, ebensowenig seien solche Veränderungen glenohumeral bei zentriertem Humerus vorhanden. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks sei beinahe vollständig erhalten. Bezüglich der Rippenfrakturen, der Claviculafraktur und der BWK 1-Querfortsatzfraktur sei der medizinische Endzustand erreicht, indem sämtliche Frakturen vollständig ausgeheilt seien. Hinsichtlich der Restarbeitsfähigkeit seien dem Beschwerdeführer mittelschwere Tätigkeiten ganztags zumutbar. Mit dem rechten Arm seien leichte Tätigkeiten auch überkopf zumutbar, mittelschwere Tätigkeiten bis zur Horizontalen. Das Besteigen von Leitern und Gerüsten sei möglich, wenn es sich um Trittleitern bis zu neun Tritten handle. Die angestammte Tätigkeit sei aufgrund zu transportierender Paletten bis zu mehreren hundert Kilogramm nicht mehr zumutbar. Da die Beurteilung des Dr. med. J.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, vom 20. April 2020, im Ergebnis allein auf den Angaben des Beschwerdeführers beruhe, sei diese nicht geeignet, Zweifel an den kreisärztlichen Darlegungen zu wecken. Überdies hätten die umfassenden neurologischen und neuropsychologischen Abklärungen keine relevanten unfallkausalen Beeinträchtigungen ergeben. So habe Dr. phil. F.________ eine "Aggravation neurokognitiver Funktionsstörungen und übertriebene Darstellung somatischer und psychischer Beschwerden" festgehalten. Dr. med. H.________ habe ferner in seiner Stellungnahme vom 14. November 2018 ausgeführt, zwar sei eine erlittene substanzielle Hirnverletzung mit einzelnen diffusen axonalen Scherverletzungen im Gyrus frontalis superior rechts, weniger ausgeprägt am frontoparietalen Übergang rechts, überwiegend wahrscheinlich. Diese Läsion müsse aber nicht zwingend mit einer kognitiven oder psychiatrischen Gesundheitsbeeinträchtigung einhergehen. Gestützt auf die Ausführungen von lic. phil. F.________ könne, so Dr. med. H.________ weiter, das Vorliegen einer relevanten kognitiven Beeinträchtigung nicht zuverlässig bestätigt werden. Eine neurologische Beeinträchtigung, die die Arbeitsfähigkeit beeinflusse, sei nicht gegeben. Die Vorinstanz führte zusammenfassend aus, die Arbeitsfähigkeit sei unfallbedingt aus neurologischer, neuropsychologischer oder psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Daher bleibe es beim orthopädischerseits formulierten Zumutbarkeitsprofil des Kreisarztes. Aus der Gegenüberstellung der Vergleichseinkommen resultierte ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 8 %.  
 
3.2. Mit Blick auf die beantragte Integritätsentschädigung folgte das kantonale Gericht ebenfalls der Einschätzung des Kreisarztes, wonach aufgrund der fast vollständig erhaltenen Beweglichkeit des rechten Schultergelenks und in Anbetracht der fehlenden arthrotischen Veränderungen im Bereich des AC-Gelenks und glenohumeral hinsichtlich der rechten Schulter sowie der Clavicula keine Integritätsentschädigung geschuldet sei.  
 
4.   
Der Versicherte macht vor Bundesgericht bezüglich des Gesundheitsschadens an der rechten Schulter im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes auf die kreisärztliche Beurteilung vom 18. Juni 2018 abgestellt, obwohl der Bericht des Dr. med. J.________ vom 20. April 2020 widersprüchliche Angaben hierzu enthalte. Es hätte eine externe medizinische Begutachtung erfolgen sollen. Dr. med. J.________ spreche von einer signifikanten Verschlechterung der aktiven Schulterbeweglichkeit im Vergleich zur kreisärztlichen Untersuchung. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kreisarzt Dr. med. I.________ andere Untersuchungen als Dr. med. J.________ vorgenommen habe. Beide hätten sich auf dieselben klinischen Untersuchungen gestützt, weshalb zumindest geringe Zweifel an der kreisärztlichen Beurteilung angezeigt seien, zumal sich beide Berichte qualitativ nicht unterscheiden würden. Das kantonale Gericht habe nicht einleuchtend dargelegt, weshalb der Ansicht des Kreisarztes vom 19. Juni 2018 zu folgen sei und es habe in willkürlicher Weise festgestellt, dass Dr. med. J.________ nur auf die subjektiven Angaben des Beschwerdeführers abgestellt habe. 
 
5.  
 
5.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens Bezugsgrösse für den entscheidrelevanten Sachverhalt (BGE 143 V 409 E. 2.1 E. 2.1 S. 411 mit Hinweisen). Spätere Arztberichte und Gutachten (sowie andere einschlägige Dokumente) sind in die Beurteilung nur miteinzubeziehen, soweit sie Rückschlüsse auf den im relevanten Zeitraum gegebenen Sachverhalt erlauben (vgl. statt vieler: Urteil 9C_106/2019 vom 6. August 2019 E. 2.3.1 mit Hinweis auf BGE 121 V 362 E. 1b in fine S. 366).  
 
5.2. Dem Beschwerdeführer ist zwar insofern zuzustimmen, dass gerade bei orthopädischen Gesundheitsschäden, so auch bei der vorliegenden Schulterproblematik, eine ausführliche klinische Untersuchung wichtigster Bestandteil in der Diagnostik darstellt vgl. Urteil 9C_335/2015 vom 1. September 2015 E. 4.2.2). Hieraus kann er aber nichts zu seinen Gunsten ableiten, zumal die Beurteilung des Kreisarztes vom 19. Juni 2018 auf einer solchen Untersuchung beruht, was der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Abrede stellt. Dr. med. J.________ bezog sich in seinem im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten, als Zweitmeinung vom Versicherten eingeholten Bericht vom 20. April 2020 einzig auf die aktuelle Situation im Untersuchungszeitpunkt. Er ging von einer vergleichsweisen signifikanten Verschlechterung der aktiven Beweglichkeit der rechten Schulter seit der kreisärztlichen Untersuchung vom 18. Juni 2018 aus, was nicht geeignet ist, die Richtigkeit der damaligen Schlussfolgerungen des Kreisarztes in Frage zu stellen. Nachdem die Darlegungen des Dr. med. J.________ keinerlei Rückschlüsse auf den im relevanten Zeitraum gegebenen Sachverhalt erlauben, lassen sich damit keine auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der Feststellungen des Suva-Kreisarztes begründen, die den hier massgebenden Zeitraum bis zum Einspracheentscheid beschlagen (BGE 142 V 337 E. 3.2.2 S. 341 mit Hinweisen; BGE 134 V 392 E. 6 S. 397). Eine eventuelle Verschlechterung der Schulterproblematik nach Erlass des Einspracheentscheids und eine damit verbundene allfällige Leistungspflicht gemäss Art. 1 UVV für Rückfälle und Spätfolgen ist vorliegend nicht zu beurteilen.  
Da von weiteren Abklärungen keine entscheidwesentlichen Ergebnisse zu erwarten sind, durfte die Vorinstanz darauf verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5 S. 368 f.). Eine Bundesrechtswidrigkeit, namentlich eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, ist darin ebenso wenig zu sehen wie eine unrichtige oder gar willkürliche Sachverhaltsfeststellung. 
 
5.3. Die übrigen Faktoren der Invaliditätsbemessung (Validen- und Invalideneinkommen) werden nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Es bleibt daher beim vorinstanzlich festgestellten rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 8 %.  
 
6.   
Hinsichtlich der vorinstanzlichen Verneinung des Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung erhebt der Beschwerdeführer keine substanziierten Einwendungen, weshalb sich Weiterungen hierzu erübrigen. 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Oktober 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla