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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_543/2017  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2018  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Herrmann, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland. 
 
Gegenstand 
Zustellung eines Zahlungsbefehls, Gesuch um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 5. Juli 2017 (ABS 17 197). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ wurde von der B.________ AG betrieben. Gemäss Angaben des Betreibungsamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, konnte ihr der Zahlungsbefehl am 24. Februar 2017 zugestellt werden. Rechtsvorschlag wurde innert Frist nicht erhoben, so dass am 16. Mai 2017 die Pfändungsankündigung erfolgte. 
 
B.   
Am 24. Mai 2017 gelangte A.________ an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen und ersuchte um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist. In ihrer Begründung machte sie im Wesentlichen Zustellungsmängel geltend und behauptete, den dazugehörigen Zahlungsbefehl nie erhalten zu haben. Mit Entscheid vom 5. Juli 2017 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde und das Gesuch um Wiederherstellung ab. 
 
C.   
Mit Eingabe vom 17. Juli 2017 führt A.________ Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht sinngemäss, die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls und der Pfändungsankündigung festzustellen oder ihr Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlags gutzuheissen. Ausserdem stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege inklusive unentgeltlicher Verbeiständung. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Beschwerdeentscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden über Verfügungen der Vollstreckungsorgane gemäss Art. 17 SchKG sind Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG und unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze anfechtbar (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG) Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde ist damit grundsätzlich einzutreten (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Missachtung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt die Zustellung der Pfändungsankündigung und die Rüge der Beschwerdeführerin, in der betreffenden Betreibung keinen Zahlungsbefehl erhalten zu haben. 
 
2.1. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, stellt die fehlerhafte Zustellung eines Zahlungsbefehls, von dem der oder die Betriebene keine Kenntnis erhält, eine nichtige Betreibungshandlung dar (BGE 120 III 117 E. 2c S. 119; 117 III 7 E. 3c S. 10).  
 
2.2. Gemäss Art. 72 Abs. 1 SchKG geschieht die Zustellung des Zahlungsbefehls durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder die Post. Im Anfechtungsfall trägt in erster Linie das Betreibungsamt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden. Dazu dient namentlich die gemäss Art. 72 Abs. 2 SchKG vorgeschriebene Bescheinigung des Überbringers, an welchem Tag und an wen die Zustellung erfolgt ist. Die Bescheinigung auf dem Zahlungsbefehl fällt dabei in den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 2 SchKG und stellt rechtlich eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 9 ZGB dar (vgl. BGE 120 III 117 E. 2 S. 118; 117 III 10 E. 5c S. 13; Urteile 5A_487/2009 vom 12. Oktober 2009 E. 3.1; 5A_29/2009 vom 18. März 2009 E. 4; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 4 Rz. 13). Als solche kommt ihr - formell korrektes Zustandekommen vorausgesetzt (vgl. dazu ROGER GRONER, Beweisrecht, Beweise und Beweisverfahren im Zivil- und Strafrecht, 2011, S. 207 mit Hinweis auf BGE 120 III 117) - solange volle Beweiskraft zu, als der Nachweis ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit nicht erbracht werden kann (BGE 84 III 13 S. 15; 26 I 239 S. 240; AMONN/WALTHER, a.a.O.). Insofern statuiert das Gesetz eine Vermutung, welche nur durch den Beweis des Gegenteils im Sinne eines Hauptbeweises umgestossen werden kann (Art. 8 Abs. 2 SchKG und Art. 9 Abs. 1 ZGB; DENISE WEINGART, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 18 zu Art. 8 SchKG). Dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden und kann somit mit sämtlichen Beweismitteln geführt werden (vgl. Art. 9 Abs. 2 ZGB). Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. zum Ganzen Urteil 5A_418/2017 vom 31. Januar 2018 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
2.3. Vorliegend findet sich auf dem Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls die Bescheinigung, dass die besagte Urkunde am 24. Februar 2017 an "den Adressaten" zugestellt wurde. Die Vorinstanz hat festgehalten, die Beschwerdeführerin habe die Zustellung lediglich bestritten, indessen keine plausiblen Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass die vom Überbringer ausgestellte Zustellungsbescheinigung unkorrekt wäre. Bei dieser Sachlage aber hat die Vorinstanz nach dem Gesagten zu Recht angenommen, dass der Zahlungsbefehl am 24. Februar 2017 als rechtmässig zugestellt gilt, zumal die Beschwerdeführerin auch nicht etwa geltend macht, dass sie Beweise zum Nachweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der Bescheinigung auf dem Gläubigerdoppel angeboten hätte, welche von der Vorinstanz zu Unrecht übergangen worden wären.  
 
3.   
Zum Antrag um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist hat die Vorinstanz erwogen, dass die Wiederherstellung der Frist gestützt auf Art. 33 Abs. 4 SchKG nur bei nachgewiesener unverschuldeter Hinderung am rechtzeitigen Handeln gewährt werden könne und die Beschwerdeführerin keinen Wiederherstellungsgrund geltend gemacht habe. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht und geht auf die vorinstanzlichen Erwägungen auch nicht näher ein, weshalb es der Beschwerde mit Bezug auf dieses Begehren an einer hinreichenden Begründung fehlt und nicht darauf eingetreten werden kann. 
 
4.   
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Aufgrund der konkreten Umstände wird in Anwendung von Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet, womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten gegenstandslos wird. Dem Gesuch um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands für das bundesgerichtliche Verfahren, ist bereits deshalb nicht zu entsprechen, weil die in der Beschwerde gestellten Begehren als von Anfang an aussichtslos betrachtet werden müssen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2018 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss