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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_952/2019  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Meyer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lena Weissinger, 
 
gegen  
 
Amt für Bevölkerungsdienste 
des Kantons Bern (ABEV), 
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung infolge Straffälligkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 1. Oktober 2019 (100.2018.389U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geboren 1994) ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde in der Schweiz geboren und verfügt über eine Niederlassungsbewilligung. Nachdem er bereits früher wegen eines Raub- und Vermögensdelikts strafrechtlich sanktioniert worden war, verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 4. Juni 2014 zweitinstanzlich wegen insgesamt 61 Straftaten (namentlich qualifizierter Raub, Einbruchsdiebstähle und Brandstiftung) zu einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten. Zugunsten der zuvor vom Jugendgericht des Kantons Bern erstinstanzlich angeordneten stationäre Massnahme für junge Erwachsene in Verbindung mit einer ambulanten Massnahme, die A.________ am 24. Februar 2014 vorzeitig angetreten hatte, wurde der Vollzug der Strafe aufgeschoben. Die gegen das Strafurteil erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6B_1010/2014 vom 27. Februar 2015).  
 
A.b. Nachdem die Höchstdauer der stationären Massnahme für junge Erwachsene erreicht wurde, hob das Jugendgericht am 16. Januar 2018 die gegen A.________ verhängte stationäre Massnahme per 23. Februar 2018 auf und ordnete stattdessen eine stationäre therapeutische Massnahme an. Am 18. Juni 2018 wurde die ambulante Massnahme ebenfalls aufgehoben.  
 
B.  
Am 21. April 2016 widerrief das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern [im Weiteren auch: Migrationsamt] die Niederlassungsbewilligung von A.________ und hielt ihn an, das Land zu verlassen. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 11. Oktober 2018; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 1. Oktober 2019 [Nr. 100.2018.389U]). 
 
C.  
Am 13. November 2019 erhebt A.________ verspätet Beschwerde beim Bundesgericht und beantragt im bundesgerichtlichen Verfahren die Wiederherstellung der Beschwerdefrist; in Aufhebung des kantonalen Urteils sei von einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung abzusehen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Migrationsamt verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern und das Staatssekretariat für Migration (SEM) haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG wird eine versäumte Frist wiederhergestellt, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innerhalb der Frist zu handeln, und binnen 30 Tagen die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung liegt vor, wenn der Partei (und gegebenenfalls ihrem Vertreter) kein Vorwurf bezüglich der Einhaltung der Frist gemacht werden kann (vgl. BGE 112 V 255 E. 2a S. 255; Urteile 8C_15/2012 vom 30. April 2012; 8F_3/2011 vom 28. Juli 2011).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid wurde dem bisherigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2019 zugestellt; die 30-tägige Beschwerdefrist lief am 1. November 2019 ab. Den von der neuen Rechtsvertreterin eingereichten Zeugnissen von Frau Dr. med. B.________ vom 1. November bzw. 8. November 2019 ist zu entnehmen, dass sie ab dem 30. Oktober 2019 bis und mit 1. November 2019 aufgrund einer akuten Migräneattacke zu 100 % arbeitsunfähig und nicht in der Lage war, ihrer umfassenden Arbeit als Rechtsanwältin nachzukommen. Der Hinderungsgrund ist am 2. November 2019 weggefallen, womit die Wiederherstellungsfrist zu laufen begonnen hat. Eine kurzfristige Substitution des Mandates bis zum 1. November 2019 an eine andere Anwältin oder einen anderen Anwalt war wegen der Komplexität der Sache - das Dossier ist relativ umfangreich, wobei eine Auseinandersetzung mit Akten der Bewährungs- und Vollzugsdiensten, des Migrationsamts, den Unterlagen und den Akten des bisherigen Rechtsvertreters sowie den Akten des vorinstanzlichen Verfahrens erforderlich war - kaum möglich. Demgemäss ist dem Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist zu entsprechen (vgl. Urteil 8C_15/2012 vom 30. April 2012 E. 1 mit Hinweisen).  
 
 
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. Art. 42, Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG), ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern andere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106; 139 I 229 E. 2.2 S. 232).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurden und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.). Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung. Die Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich (Art. 9 BV), wenn sie offensichtlich unhaltbar oder aktenwidrig ist, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 265 f.). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung geht das Gericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 139 II 404 E. 10.1 S. 444 f.).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im bundesgerichtlichen Verfahren lediglich insoweit vorgebracht werden, als der angefochtene Entscheid hierzu Anlass gibt (unechte Noven; Art. 99 Abs. 1 BGG). Dazu muss das kantonale Gericht materielles Recht derart angewendet haben, dass bestimmte Sachumstände neu und erstmals - durch den angefochtenen Entscheid - rechtserheblich werden (vgl. das Urteil 2C_786/2018 vom 27. Mai 2019 E. 2.3).  
 
2.3.2. Dies ist hier nicht der Fall: Bei allen Instanzen ging es um die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seinen 61 Straftaten und der in diesem Zusammenhang verhängten längerfristigen Freiheitsstrafe von 40 Monaten den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20; bis 31. Dezember 2018: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG]; jeweils in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]) erfüllt und ob der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung verhältnismässig ist. Da sämtliche kantonalen Behörden den durch das Migrationsamt verfügten Widerruf der Niederlassungsbewilligung basierend auf demselben Rechtstitel geschützt haben, sind keine Sachumstände neu und erstmals rechtserheblich geworden. Das Bundesgericht kann deshalb das Arbeitszeugnis der C.________ vom 10. Oktober 2019, das Schreiben des muslimischen Seelsorgers vom 1. November 2019 sowie das Zeugnis der Schule D._________ vom 25. Juni 2019, mit denen der Beschwerdeführer seine biographische Kehrtwende belegen möchte, nicht berücksichtigen.  
 
3.  
 
3.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AIG (in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]) kann die Niederlassungsbewilligung auch nach einer Aufenthaltsdauer von über fünfzehn Jahren widerrufen werden (Art. 63 Abs. 2 AuG; in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]), wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt nach der gefestigten Rechtsprechung eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32; Urteil 2C_575/2018 vom 12. Februar 2020 E. 4.4), wobei mehrere unterjährige Strafen bei der Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32). Mit seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten hat der Beschwerdeführer diesen Widerrufsgrund gesetzt, was er nicht bestreitet.  
 
 
3.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss zudem verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AIG; in der Fassung bis 31. Dezember 2018 [AS 2007 5437]). Massgebliche Kriterien sind die Schwere des Delikts, wobei besonders ins Gewicht fällt, ob diese Taten als Jugendlicher oder als Erwachsener begangen wurden und ob es sich dabei um Gewaltdelikte handelte, das Verschulden des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum und das Verhalten des Betroffenen während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Heimatstaat, die Dauer der bisherigen Anwesenheit, die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile, insbesondere unter gesundheitlichen Aspekten, sowie die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der Fernhaltung (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.).  
 
3.3. Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der staatlichen Anordnung des Widerrufs (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AIG; in der Fassung bis 31. Dezember 2018 [AS 2007 5437]) entspricht inhaltlich jener, welche bei eröffnetem Schutzbereich für die rechtmässige Einschränkung der konventionsrechtlichen Garantie gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorausgesetzt wird (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.; EGMR-Urteile  Maslov gegen Österreich vom 23. Juni 2008 [Nr. 1638/03] Ziff. 81 ff. und  Emre gegen die Schweiz vom 22. Mai 2008 [Nr. 42034/04] Ziff. 65 ff.; weitere Hinweise bei ZÜND/HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat- und Familienlebens, in: EuGRZ 2013 S. 1 ff., dort N. 22 ff.).  
 
3.4. Treten Jugendliche oder junge Erwachsene, die im Aufnahmestaat sozialisiert worden sind, strafrechtlich in Erscheinung, so besteht im Falle überwiegend nicht gewalttätiger Delikte grundsätzlich nur wenig Raum für eine Aufenthaltsbeendigung. Diese Altersgruppe lässt sich in ihrer Entwicklung noch wesentlich beeinflussen und die meisten der "Frühdelinquenten" werden nicht mehr straffällig, weshalb ihre Wiedereingliederung im Vordergrund steht (Urteil 2C_896/2014 vom 25. April 2015 E. 2.3, mit zahlreichen Hinweisen). Das Wohl eines Jugendlichen oder eines jungen Erwachsenen und dessen Wiedereingliederungschancen, die gefährdet erscheinen, wenn die familiären und sozialen Banden aufgelöst werden und er im Aufnahmestaat seine Wurzeln verliert, sind bei der Interessenabwägung jeweils von besonderem, aber nicht allein ausschlaggebendem Gewicht, falls den Jugendlichen oder den jungen Erwachsenen mit seinem Heimatstaat nicht mehr verbindet als lediglich (noch) seine reine (weitgehend nicht mehr gelebte) Staatsbürgerschaft (Urteile 2C_656/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 2.3; 2C_896/2014 vom 25. April 2015 E. 2.3; vgl. die EGMR-Urteile  Maslov, a.a.O., Ziff. 81 ff.,  Emre, a.a.O., Ziff. 69 und 70, und  Shala gegen die Schweiz vom 15. November 2012 [Nr. 52873/09] § 55).  
 
3.5. Handelt es sich bei den begangenen Straftaten jedoch um Gewaltdelikte, so vermag das öffentliche Interesse an einer Ausreise des Straftäters, je nach Gewichtung der übrigen, ebenfalls bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Elemente, dessen privates Interesse an einem Verbleib im Aufnahmestaat zu überwiegen. Selbst eine einmalige Straftat kann eine aufenthaltsbeendende Massnahme rechtfertigen, wenn die Rechtsgutsverletzung schwer wiegt (Urteile 2C_656/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 2.3; 2C_290/2017 vom 28. Februar 2018 E. 4.1;; ebenso die Rechtsprechung des EGMR, vgl. dazu die Urteile  Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006 [Nr. 46410/99], §§ 63 - 65;  Bouchelkia gegen Frankreich vom 29. Januar 1997 [Nr. 23078/93] § 51 f.).  
 
4.  
 
4.1. Die Annahme der Vorinstanz, wonach ein erhebliches öffentliches Interesse daran besteht, dass der Beschwerdeführer das Land verlässt, ist nicht zu beanstanden:  
 
4.1.1. Das Obergericht des Kantons Bern verhängte gegen den Beschwerdeführer am 4. Juni 2014 in zweiter Instanz eine Freiheitsstrafe von 40 Monaten. Grundlage dafür bildete der in Rechtskraft erwachsene Schuldspruch des Jugendgerichts insbesondere wegen einfacher Körperverletzung durch Gebrauch einer Waffe bzw. eines gefährlichen Gegenstands (mehrfach begangen), Raufhandels (mehrfach begangen), Nötigung, banden- und gewerbsmässigen Diebstahls (teilweise Versuch), Hehlerei und Sachbeschädigung (mehrfach begangen) sowie der Schuldspruch des Obergerichts wegen Raubes unter Offenbarung besonderer Gefährlichkeit (maskierter Überfall auf eine Tankstellenwärterin mit einem Messer) und Brandstiftung (In-Brand-Stecken eines Autos mit Benzin). Die Delikte umfassen insgesamt 61 einzelne Straftaten, die der Beschwerdeführer zwischen Dezember 2010 und November 2012 begangen hat.  
 
4.1.2. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass das Verschulden des Beschwerdeführers schwer wiegt. Die mehr als 60 begangenen Straftaten bringen eine beträchtliche kriminelle Energie zum Ausdruck; namentlich der qualifizierte Raub richtete sich gegen Leib und Leben und somit gegen wesentliche Rechtsgüter. Grösstenteils handelt es sich zwar um Taten, die er als Jugendlicher begangen hat; etliche Straftaten beging der Beschwerdeführer indessen nur knapp unterhalb der Grenze zur Volljährigkeit (namentlich beim Raub war er rund siebzehneinhalb Jahre alt). Die Taten sprengen zudem den Rahmen dessen, was als Jugenddelinquenz mit zunehmendem Alter regelmässig verschwindet. Dies wird durch die nach seinem 18. Geburtstag begangene Brandstiftung bestätigt und lässt auf ein nicht zu unterschätzendes fortbestehendes Gewaltpotenzial schliessen (EGMR-Urteil  Shala, a.a.O., Ziff. 52). Aus dem Einwand, er komme aus schwierigen Familienverhältnissen und er habe die Delikte nie alleine, sondern stets in einer Gruppe begangen, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten.  
 
4.1.3. Mit mehr als 60 - teilweise schwerwiegenden - Straftaten innerhalb von zwei Jahren legte der Beschwerdeführer eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag. Selbst im Massnahmenvollzug konnte er sich nicht an die massgeblichen Regeln und Massnahmen halten (unerlaubter Drogenkonsum und -besitz, Sachbeschädigung sowie die Störung der Ordnung führten zu regelmässigen Sanktionen). Sodann ist er aus (geschlossenen) Institutionen entwichen. Ein weiterer Verbleib des Beschwerdeführers in der Schweiz würde das öffentliche Interesse an der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gravierend beeinträchtigen.  
 
4.1.4. Ein Rückfall hinsichtlich weiterer Gewaltdelikte ist nicht auszuschliessen:  
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz setze einen unangemessen strengen Massstab für seine Entwicklung u.a. im Massnahmenvollzug an und lasse seine Darlegung zum positiven Therapieverlauf unbeachtet. Dieser Einwand ist unbegründet: Die Vorinstanz setzt sich detailliert und sachlich mit den forensisch-psychiatrischen Gutachten und Massnahmeberichten auseinander, die ihm aufgrund einer Cannabisabhängigkeit sowie eines schädlichen Kokainkonsums und Alkoholgebrauchs eine Rückfallgefahr attestieren. Sein Einwand, niemand mit demselben Lebenslauf und Drogenkonsum in jungen Jahren könne mit einer hundertprozentigen Sicherheit behaupten, er würde in seinem Leben nie wieder Drogen konsumieren, vermag den Risikofaktor seiner Suchtproblematik im Hinblick auf eine weitere Delinquenz nicht zu widerlegen. Auch die Bewährungs- und Vollzugsdienste stellten dem Beschwerdeführer am 6. bzw. 7. März 2019 aufgrund einer ungünstigen Legalprognose die Verweigerung einer bedingten Entlassung aus dem Massnahmenvollzug in Aussicht. Wenn die Vorinstanz trotz gewisser positiver Veränderungen, namentlich im Bereich der Beeinflussbarkeit, von einem ungewissen Therapieerfolg ausgeht, ist dies nicht zu beanstanden. 
Es ist zwar positiv zu würdigen, wenn sich der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben vom Drogenkonsum und der Kriminalität habe distanzieren können, in Kürze seine Lehre als Koch abschliessen werde und zu seinem früheren Umfeld keinen Kontakt mehr pflege. Von einer biographischen Kehrtwende im Sinne einer besonders tiefgreifenden Veränderung des bisherigen Verhaltens, die für das Ausbleiben weiterer Straftaten sprechen könnte, kann indessen nicht ausgegangen werden. Die zum Beweis einer solchen beigelegten Dokumente (Schreiben des muslimischen Seelsorgers, Herr E.________, sowie das Zeugnis der Schule D._________ vom 25. Juni 2019) können aufgrund des Novenverbots nicht berücksichtigt werden (vgl. vorstehende E. 2.3; Art. 99 Abs. 1 BGG). Auch die Vorbringen, die Auflagen zur aktiven Überwachung mittels Electronic Monitoring seien aufgehoben worden, der Beschwerdeführer verbringe jedes Wochenende frei bei seiner Freundin und verhalte sich dabei wohl, vermögen keine biographische Kehrtwende darzutun, zumal der Beschwerdeführer namentlich unter dem Druck des vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahrens steht (vgl. Urteil 2C_488/2019 vom 4. Februar 2020 E. 5.5). 
 
4.2. Die privaten Interessen des in der Schweiz geborenen Beschwerdeführers, sich weiter in der Schweiz aufhalten zu können, sind zweifelsohne ebenfalls von Gewicht; sie vermögen indessen das öffentliche Interesse an seiner Ausreise nicht zu überwiegen:  
 
4.2.1. Mit der Vorinstanz ist zwar eine berufliche Entwicklung des Beschwerdeführers anzuerkennen, sollte er seine Ausbildung zum Koch erfolgreich abschliessen. Eine gelungene wirtschaftliche Integration kann allein gestützt darauf jedoch noch nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer führt aus, er hätte sämtliche Möglichkeiten der beruflich-wirtschaftlichen Integration ausgeschöpft, die sich ihm überhaupt angeboten hätten. Zu Unrecht: Zwar hat er nach dem ersten Abbruch der Malerlehre im Dezember 2010 die Gewerbeschule des ersten Lehrjahrs absolviert, bis zum Beginn der erneuten Malerausbildung im Massnahmenvollzug im Jahr 2015 sind indessen keine Anstrengungen zu einer beruflich-wirtschaftlichen Integration auszumachen. Im Weiteren kann das eingereichte Arbeitszeugnis vom 10. Oktober 2019 aufgrund des Novenverbots nicht berücksichtigt werden (vgl. vorstehende E. 2.3; Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
4.2.2. Der Beschwerdeführer hat regelmässig Kontakt zu seiner Familie, zu seiner Freundin - mit der er erst seit Oktober 2018 in einer Beziehung ist - und zu seinem Cousin, mit dem er gemeinsam delinquiert hatte. Ausserhalb der Familie pflegt er Kontakte zu Mitschülern der Berufsschule. Die Würdigung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer nicht in dem Mass hier verankert ist, wie dies von einem Ausländer der "zweiten Generation " zu erwarten wäre, ist nicht zu beanstanden und wird vom Beschwerdeführer denn auch nicht substantiiert bestritten.  
 
4.2.3. Zwar leben die Eltern und die Schwester des volljährigen Beschwerdeführers in der Schweiz. Es ist indessen nicht ersichtlich, inwiefern er zu seiner Familie in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis stünde, welche im Hinblick auf den Schutz des Familienlebens im Rahmen von Art. 8 EMRK zu berücksichtigen wäre. Sodann kann die Beziehung zu seiner Freundin, die erst seit Oktober 2018 besteht und die bislang nur im Rahmen des Massnahmenvollzugs gelebt werden konnte, nicht als im Sinne von Art. 8 EMRK gefestigt gelten (vgl. BGE 144 I 266 E. 2.5 S. 270 f. mit Hinweisen; Urteil 2C_832/2018 vom 29. August 2019 E. 2.2). Der Einwand, er habe sich am Jahrestag mit seiner Freundin verlobt, bildet ein nicht zu berücksichtigendes Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat der Beschwerdeführer vor dem Beziehungsbeginn erheblich delinquiert, weshalb seine Partnerin und er selber von Anfang an nicht damit rechnen konnten, die Beziehung auf Dauer gemeinsam in der Schweiz leben zu können.  
 
4.2.4. Andere vertiefte soziale Bindungen zur Schweiz, die eine Ausreise unzumutbar erscheinen liessen, sind nicht ersichtlich. Gemäss den willkürfreien Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer in einer türkischen Familie aufgewachsen und kennt sein Heimatland - wo noch seine Grossmutter lebt - von Urlaubsaufenthalten her; nach eigenen Angaben vertritt er türkische Werte und es fällt ihm schwer, dass seine Schwester sich an westlichen Werten orientiert. Gegen die vorinstanzliche Feststellung, wonach der Beschwerdeführer trotz seines bisherigen Lebens in der Schweiz mit der Sprache und der Kultur seiner Heimat eng verbunden sei, wendet dieser ein, er spreche immer schlechter Türkisch. Zudem relativiert er seine kulturellen Wertvorstellungen. Zwar treffen ihn der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung schwer. Dennoch dürfte ein Neuanfang in der Türkei den noch jungen Beschwerdeführer, der bei guter Gesundheit ist, nicht vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen, zumal er sich vorstellen kann, von der Türkei aus auf einem Kreuzfahrtschiff als Koch zu arbeiten. Dabei können ihm das hier im Rahmen verschiedener Ausbildungen Gelernte sowie seine Deutschkenntnisse nützlich sein.  
Einer Rückkehr steht auch ein allfälliger Militärdienst nicht entgegen. Ohne zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat tatsächlich zum Militärdienstpflicht verpflichtet wäre und einberufen würde, ist festzuhalten, dass es sich dabei um eine Bürgerpflicht nach dem Recht des Heimatstaates des Beschwerdeführers handelt, wie sie für alle Türken und in ähnlicher Form auch in der Schweiz besteht (Urteile 2C_740/2016 vom 13. Februar 2017 E. 5.1; 2C_359/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 5.3). 
 
4.2.5. Da er zur Tatzeit der meisten Delikte minderjährig gewesen sei, beruft sich der Beschwerdeführer schliesslich auf das Urteil  Maslov gegen Österreich vom 23. Juni 2008 (Nr. 1638/03) und fordert in diesem Zusammenhang - auch gestützt auf das Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte der Kinder (UN-Kinderrechtskonvention, KRK, SR 0.107) - die Beachtung des Kindeswohls; die Vorinstanz habe dieses in keiner Weise gewürdigt.  
Das Kindeswohl wird ausländerrechtlich im Rahmen der Interessenabwägung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK berücksichtigt, da die Kinderrechtskonvention und der verfassungsmässige Anspruch auf Schutz der Kinder und Jugendlichen (Art. 11 BV) keine über die Garantien von Art. 8 EMRK hinausgehenden, eigenständigen Bewilligungsansprüche begründen (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.5.2 S. 30 mit Hinweisen; Urteil 2C_541/2019 vom 22. Januar 2020 E. 4.5). Das Kindeswohl ist in der Interessenabwägung ein wesentliches Element unter anderen; es ist somit nicht allein ausschlaggebend (vgl. Urteil 2C_904/2018 vom 24. April 2019 E. 2.4). 
Aufgrund des schweren Verschuldens, der wiederholten Delinquenz sowie der fortbestehenden Rückfallgefahr besteht ein wesentliches öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und an der damit verbundenen Wegweisung des Beschwerdeführers (vgl. vorstehende E. 4.1). Sein Interesse, dass die familiären und sozialen Bindungen nicht getrennt werden und er in der Schweiz resozialisiert werden kann, vermögen insofern in einer Gesamtbetrachtung das öffentliche Interesse an seiner Wegweisung nicht aufzuwiegen. 
 
4.3. Zusammengefasst beruht die aufenthaltsbeendende Massnahme auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage (vgl. vorstehende E. 3.1), liegt im öffentlichen Interesse und erweist sich als verhältnismässig, weshalb weder Art. 8 EMRK noch Art. 13 BV verletzt sind (Art. 8 Ziff. 2 EMRK; Art. 36 BV). Angesichts dessen, dass die aufenthaltsbeendende Massnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden ist und sich als den Umständen angemessen erweist, ist die Verwarnung als mildere Massnahme (Art. 96 Abs. 2 AIG) ausgeschlossen (Urteil 2C_656/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 2.6).  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Ein Anlass zur Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz besteht nicht.  
 
5.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf das ausführlich begründete Urteil der Vorinstanz sowie die bundesgerichtliche Rechtsprechung erweist sich die Beschwerde als aussichtslos; sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG). Bei der Festsetzung der Höhe der Gerichtskosten wird dem Umstand Rechnung getragen, dass über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht vorweg entschieden wurde, was es dem Beschwerdeführer erlaubt hätte, seine Beschwerde allenfalls (noch) zurückzuziehen. Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Mai 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Meyer