Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
M 6/99 
M 7/99 Hm 
 
II. Kammer 
 
Bundesrichter Meyer, Ferrari und nebenamtlicher Richter 
Maeschi; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Urteil vom 21. September 2000 
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Militärversicherung, Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
S.________, 1943, Beschwerdegegner, 
 
und 
 
S.________, 1943, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Bundesamt für Militärversicherung, Bern, Beschwerdegegner, 
 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- S.________ (geb. 1943) leidet nach akustischen Einwirkungen, denen er im militärischen Wiederholungskurs vom September 1988 ausgesetzt war, an beidseitigem Tinnitus, wofür die Militärversicherung die Haftung übernahm. In der Folge kam es bei der vom Versicherten ausgeübten Tätigkeit als Securitas-Wärter zu verschiedenen Einwirkungen auf das Gehör. Gestützt auf ein Gutachten des Prof. K.________, Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Spital X.________, vom 3. November 1994 eröffnete das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) S.________ mit Vorbescheid vom 10. April 1995, dass es für den aktuellen Gesamtschaden eine Bundeshaftung von 66 2/3 % anerkenne. Die Einwirkungen auf das Gehör während des Wiederholungskurses 1988 hätten zu einem Integritätsschaden geführt, der in Würdigung aller Umstände 2,5 % betrage. Bei einem Jahresrentensatz von Fr. 28'867. - (bis 31. Dezember 1994) und Fr. 29'690. - (ab 1. Januar 1995) belaufe sich die Integritätsschadenrente rückwirkend ab 1. November 1990 auf Fr. 40.10 im Monat (Fr. 41.25 ab 1. Januar 1995); per 1. Juni 1995 werde die Rente von Amtes wegen mit dem Betrag von Fr. 8353. 05 ausgekauft. Mit Verfügung vom 25. Juli 1995 bestätigte das BAMV die Bemessung der Integritätsschadenrente. 
Die hiegegen erhobene Einsprache, mit welcher S.________ zur Hauptsache die Zusprechung einer Integritätsschadenrente von 10 % beantragt hatte, wies das BAMV ab (Entscheid vom 30. April 1996). 
 
B.- In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde stellte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich fest, dass die Integritätsschadenrente für die Zeit vom 1. November 1990 bis 31. Dezember 1994 auf der Grundlage eines höheren Jahresrentenansatzes festzusetzen sei. Zu diesem Zweck wies es die Sache unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides an das BAMV zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 10. Mai 1999). 
C.- Das BAMV führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei hinsichtlich des der Integritätsschadenrente zu Grunde zu legenden Jahresrentenansatzes aufzuheben. 
S.________ lässt sich nicht vernehmen. 
 
D.- S.________ führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei ihm die Integritätsschadenrente von 2,5 % rückwirkend ab 28. September 1988 zuzusprechen; ferner seien ihm eine Invalidenrente von 50 % zu gewähren und der Lohnausfall in den Monaten November/Dezember 1998 zu vergüten; eventuell sei eine medizinische Begutachtung anzuordnen. 
Das BAMV beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei diese abzuweisen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 123 V 215 Erw. 1, 120 V 466 Erw. 1 mit Hinweisen). 
 
2.- Gemäss Art. 109 des Militärversicherungsgesetzes vom 19. Juni 1992 (MVG) werden Versicherungsfälle, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 1. Januar 1994 noch hängig waren, in jenen Teilen nach dem neuen Recht beurteilt, die nicht anerkannt sind, oder über die nicht verfügt wurde. Damit soll das neue Recht grundsätzlich auf alle laufenden Versicherungsfälle Anwendung finden, soweit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes noch keine Verfügung der Militärversicherung erfolgt ist, bzw. soweit Verfügungen noch zu treffen sind (Botschaft zum Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 27. Juni 1990, BBl 1990 III 257 unten). Entscheidend ist somit für die übergangsrechtliche Frage grundsätzlich das Datum der Verfügung der Militärversicherung (zu den Ausnahmen vgl. Art. 112 bis 114 MVG). 
Im vorliegenden Fall hat die Militärversicherung die Verfügung am 25. Juli 1995 und damit unter der Herrschaft des neuen MVG erlassen, weshalb die Sache nach neuem Recht zu beurteilen ist. 
 
3.- Die Vorinstanz hat nebst der Höhe des Integritätsschadens auch die Jahresrentenansätze überprüft, auf welchen die Integritätsschadenrente beruht, obwohl der Beschwerdeführer die Rentenberechnung gemäss Einspracheentscheid des BAMV nicht angefochten hatte. Das Bundesamt macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Berufung auf BGE 119 V 347 geltend, die mit dem Einspracheentscheid bestätigte Verfügung sei hinsichtlich der unangefochten gebliebenen Rentenelemente in Teilrechtskraft erwachsen, weshalb es der Vorinstanz verwehrt gewesen sei, von Amtes wegen auf den Jahresrentenansatz zurückzukommen. 
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. 
Zwar hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 119 V 350 Erw. 1b entschieden, dass eine Verfügung - soweit sie in der Einsprache unangefochten bleibt und nicht von Amtes wegen überprüft wird - in Teilrechtskraft erwächst. Diesem Urteil lag jedoch ein anderer Sachverhalt zu Grunde, indem es dort um eine Verfügung betreffend zwei verschiedene Rechtsverhältnisse (Invalidenrente und Integritätsentschädigung) ging, welche bezüglich der Integritätsentschädigung zufolge Nichtanfechtung im Einspracheverfahren in Rechtskraft erwachsen und folglich im anschliessenden (erstinstanzlichen) Beschwerdeverfahren nicht zu überprüfen war. 
Demgegenüber bildet der von der Vorinstanz geänderte Rentenansatz nur einen Teilfaktor im Rahmen der auf allen Stufen - einsprache- und beschwerdeweise - angefochtenen Festsetzung der Integritätsschadenrente. Solange aber, wie vorliegend, über den Streitgegenstand - die Integritätsschadenrente - nicht rechtskräftig entschieden ist, verbietet sich die Annahme, einzelne Elemente der streitigen Rentenzusprechung seien bereits rechtskräftig erledigt (unveröffentlichtes Urteil M. vom 15. Mai 1995, U 144/94). Die Vorinstanz war daher befugt, im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (vgl. BGE 125 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen) die Rentenberechnung des BAMV zu überprüfen. Aus den dargelegten Gründen ist entgegen der Ansicht des BAMV im vorliegenden Verfahren auch die Frage des Rentenbeginns einer Überprüfung zugänglich. 
 
4.- Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Versicherten ist insoweit nicht einzutreten, als er die Übernahme des Lohnausfalls in den Monaten November und Dezember 1998 durch die Militärversicherung sowie die Zusprechung einer Invalidenrente von 50 % beantragt. Denn über diese Ansprüche hat das BAMV nicht verfügt, weshalb es insoweit an einem Anfechtungsgegenstand und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit Hinweisen). Der Beweisantrag auf Anordnung einer medizinischen Begutachtung, der nur im Zusammenhang mit dem Invalidenrentenanspruch relevant ist, zumal der Versicherte die Höhe der Integritätsschadenrente nicht anficht, erweist sich bei dieser Rechtslage als gegenstandslos. Streitig und zu prüfen ist somit einerseits der Beginn der Integritätsschadenrente von 2,5 %; andererseits stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Rentenansatz. 
 
5.- Gemäss Art. 48 Abs. 2 MVG ist die Integritätsschadenrente von dem Zeitpunkt an geschuldet, in dem die ärztliche Behandlung abgeschlossen ist oder von ihrer Fortsetzung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann. Die Voraussetzungen für den Anspruchsbeginn sind gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand so weit stabilisiert hat, dass eine zuverlässige Prognose hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Ausmass der Beeinträchtigung möglich ist (BGE 117 V 86 Erw. 4b; Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 19. Juni 1992, S. 371, N 23 zu Art. 48). 
Der Versicherte wurde am 11. Oktober 1988 von Dr. med. D.________, Universitätsspital Y.________, bei der Militärversicherung angemeldet. In der Folge wurden umfangreiche medizinische Abklärungen und Behandlungsversuche durchgeführt. Am 30. November 1990 fand eine letzte Kontrolluntersuchung am Kantonsspital A.________ statt, welche die bekannten Befunde bestätigte. Therapievorschläge wurden dem Versicherten nicht unterbreitet. Nach Lage der medizinischen Akten erscheint es gerechtfertigt, dass die Militärversicherung die Voraussetzungen für die Festsetzung des Rentenbeginns auf den 1. November 1990 als erfüllt erachtete, da sich das Leiden zu jenem Zeitpunkt stabilisiert hatte. Der Versicherte wendet nichts ein, was zu einem abweichenden Ergebnis zu führen vermöchte. 
 
6.- Laut Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MVG wird die Integritätsschadenrente entsprechend der Schwere des Integritätsschadens in Prozenten des Jahresrentenansatzes gemäss Abs. 4 festgesetzt. Die Integritätsschadenrente wird gemäss Art. 49 Abs. 3 MVG auf unbestimmte Zeit zugesprochen. Sie wird in der Regel ausgekauft. Nach Art. 49 Abs. 4 MVG legt der Bundesrat durch Verordnung den für alle Versicherten geltenden Jahresrentenansatz fest. Er geht dabei vom Ansatz aus, der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes gilt, und passt ihn periodisch den veränderten Verhältnissen, namentlich der Preisentwicklung, an. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat Art. 26 MVV (in Kraft seit 1. Januar 1994) erlassen. Nach Abs. 1 dieser Verordnungsbestimmung beträgt der Jahresrentenansatz für die Integritätsschadenrenten Fr. 28'867. -. Dieser Jahresrentenansatz gilt nach Massgabe der übergangsrechtlichen Grundsätze (Erw. 2 hievor) auch dann, wenn der Anspruch - wie im vorliegenden Fall - aus Einwirkungen abgeleitet wird, die sich unter der Herrschaft des alten, bis 31. Dezember 1993 gültig gewesenen MVG ereignet haben (Maeschi, a.a.O., S. 653, N 4 zu Art. 109). In diesem Sinne hat das BAMV denn auch richtigerweise verfügt. Der kantonale Gerichtsentscheid ist somit insoweit, als die Vorinstanz der Integritätsschadenrente für den Zeitraum vor Inkrafttreten des neuen MVG und - offenbar versehentlich - auch für 1994 die altrechtlichen Jahresrentenansätze zu Grunde gelegt hat, bundesrechtswidrig. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BAMV wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Mai 1999 aufgehoben, soweit er die Festsetzung der Integritätsschadenrente für die Zeit vom 1. November 1990 bis 31. Dezember 1994 zum Gegenstand hat. 
 
II. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von S.________ wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zugestellt. 
 
Luzern, 21. September 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Vorsitzende der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: