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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_120/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. Juli 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rainer Riek, 
 
gegen  
 
Verkehrsamt des Kantons Schwyz. 
 
Gegenstand 
Führerausweisentzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 27. Januar 2016 des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer III. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Gemäss Rapport der Kantonspolizei Schwyz vom 2. August 2015 fuhr A.________ am 20. Juli 2015 um 20:50 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Schlagstrasse von Sattel in Richtung Rothenthurm. Ausgangs des Dorfes Sattel schwenkte A.________ in die Einspurstrecke zur Abzweigung Dorfstrasse ein und überholte ein vor ihm fahrendes Motorrad. Dabei missachtete er das geltende Überholverbot und überfuhr die dortige Sperrfläche. Zum Zeitpunkt des Vorfalls herrschte Dämmerung. Das Verkehrsaufkommen auf der Schlagstrasse war gering und es befanden sich keine anderen Fahrzeuge auf der Fahrbahn in Richtung Rothenthurm. Gemäss Polizeifoto fuhr der Beschwerdeführer während des Überholmanövers mit 72 km/h bei zugelassenen 80 km/h. 
Mit Strafbefehl vom 8. September 2015 sprach die Staatsanwaltschaft Innerschwyz A.________ des Überholens trotz signalisiertem Überholverbot und des Befahrens einer Sperrfläche schuldig (Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 26 SSV [SR 741.21] und Art. 78 SSV) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 300.--. Dieser Strafbefehl ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. 
Nachdem es A.________ das rechtliche Gehör gewährt hatte, verfügte das Verkehrsamt des Kantons Schwyz am 17. November 2015 in Anwendung von Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG und Art. 33 Abs. 1 VZV (SR 741.51) den Entzug des Führerausweises für einen Monat. 
Diese Verfügung focht A.________ am 4. Dezember 2015 mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz an, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 27. Januar 2016 abwies. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 8. März 2016 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei auf einen Führerausweisentzug sowie auf weitere Massnahmen zu verzichten; eventualiter sei eine Verwarnung auszusprechen. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, es liege lediglich eine leichte Widerhandlung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und keine mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG vor. 
Die Vorinstanz stellt sinngemäss Antrag auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Strassen ASTRA beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat auf eine weitere Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist als Inhaber des entzogenen Führerausweises und direkter Adressat des angefochtenen Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung - gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f.; 136 I 229 E. 4.1 S. 235). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen.  
 
2.  
Im vorliegenden Fall sind die Tatsachen weitgehend unbestritten. Sowohl die Vorinstanz als auch der Beschwerdeführer stützen sich auf den Polizeirapport vom 2. August 2015 ab (vgl. Sachverhalt lit. A. hiervor). Es besteht auch keine Differenz zwischen den Sachverhaltsfeststellungen im Strafbefehl und denjenigen der Vorinstanzen, sodass die entsprechenden Rechtsgrundsätze zur Bindung der Verwaltungsbehörden an die Feststellungen der Strafverfolgungsbehörden (vgl. BGE 124 II 103 E. 1c S. 106 f.; Urteil 1C_441/2012 vom 4. März 2013 E. 3) von vornherein nicht verletzt worden sein können (siehe auch Urteil 1C_183/2013 vom 21. Juni 2013 E. 2.2). 
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer erhöhten abstrakten Gefährdung und eines zumindest mittelschweren Verschuldens. Dabei handelt es sich um Rechtsfragen (vgl. E. 3 hiernach). Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder eine willkürliche Beweiswürdigung wird vom Beschwerdeführer hingegen nicht substanziiert gerügt. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
3.  
 
3.1. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft, sofern ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a). Leichte und mittelschwere Widerhandlungen werden von Art. 90 Abs. 1 SVG als einfache Verkehrsregelverletzungen erfasst (BGE 135 II 138 E 2.4 S. 143 f.). Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind. Die Annahme einer schweren Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden voraus. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, oder umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor (vgl. zum Ganzen Urteile 1C_656/2015 vom 8. April 2016 E. 2.1 f.; 1C_183/2013 vom 21. Juni 2013 E. 3.2). Gleiches gilt bei einer mittelgrossen Gefährdung und einem mittelschweren oder schweren Verschulden (vgl. Bernhard Rütsche / Denise Weber, Basler Kommentar SVG, 2014, Art. 16b N. 13).  
Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a-c SVG ist bei einer konkreten oder auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung naheliegt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand der jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (Urteil 1C_183/2013 vom 21. Juni 2013 E. 3.4 mit Hinweis). 
 
3.2. Der Fahrzeugführer muss gemäss Art. 27 Abs. 1 Satz 1 SVG Signale und Markierungen befolgen. Der objektive und subjektive Schweregrad einer Verletzung von Art. 27 Abs. 1 SVG hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je bedeutsamer ein Signal für die Verkehrssicherheit ist, umso schwerer wiegt objektiv der Rechtsbruch. Je schwerer die Verkehrsverletzung objektiv wirkt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit bzw. ein schweres Verschulden zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (vgl. Philippe Weissenberger, Kommentar SVG, 2. Aufl. 2015, Art. 27 N. 19).  
Überholverbote (vgl. Ziff. 2.44 des Anhangs 2 zur SSV) untersagen den Führern von Motorfahrzeugen, mehrspurige fahrende Motorfahrzeuge und Strassenbahnen zu überholen (Art. 26 SSV). Sperrflächen (weiss schraffiert und umrandet; vgl. Ziff. 6.20 des Anhangs 2 zur SSV) dienen der optischen Führung und Kanalisierung des Verkehrs und dürfen von Fahrzeugen nicht befahren werden (Art. 78 SSV). Die Einhaltung dieser Vorschriften ist von grundlegender Bedeutung für die Verkehrssicherheit, kann doch gerade die Missachtung von Überholverboten zu folgenschweren Kollisionen mit entgegenkommenden Fahrzeugen führen. 
 
3.3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat er im konkreten Fall durch die Missachtung des Überholverbots und das Überfahren der Sperrfläche im Bereich einer Abzweigung eine massgebliche erhöhte abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hervorgerufen bzw. in Kauf genommen. Auch wenn nach dem Polizeirapport keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer angenommen wurde, das Verkehrsaufkommen gering war und sich auf der Fahrbahn in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers ausser dem Motorradfahrer keine weiteren Fahrzeuge befanden, so lag doch insbesondere die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung entgegenkommender Verkehrsteilnehmer durch das zu beurteilende Überholmanöver des Beschwerdeführers nahe (vgl. in diesem Zusammenhang auch Urteile 1C_656/2015 vom 8. April 2016 E. 2.6 und 1C_452/2011 vom 21. August 2011 E. 3.6). Zudem hätten - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - andere Verkehrsteilnehmer durch das Verhalten des Beschwerdeführers überrascht und zu unkontrollierten Lenkkorrekturen verleitet werden können. Daran ändert nichts, dass sich der Beschwerdeführer an die zulässige Höchstgeschwindigkeit gehalten hat.  
 
3.4. Des Weiteren hat die Vorinstanz zu Recht auf nicht leichtes Verschulden des Beschwerdeführers geschlossen. Ein leichtes Verschulden liegt vor, wenn sich ein Fahrzeugführer im Verkehr grundsätzlich richtig verhält und ihm nur eine leichte Unaufmerksamkeit vorgeworfen werden kann oder die Verkehrsregelverletzung auf das Zusammenspiel unglücklicher Umstände zurückzuführen ist (Rütsche / Weber, a.a.O., Art. 16a N. 8). Ein (mindestens) mittelschweres Verschulden ist grundsätzlich anzunehmen, wenn dem Fahrzeugführer mehr als nur eine leichte Unaufmerksamkeit vorgeworfen werden kann bzw. eine elementare Verkehrsregel verletzt wurde und für den durchschnittlichen Lenker erkennbar sein musste, dass dadurch Dritte hätten gefährdet werden können (vgl. Rütsche / Weber, a.a.O., Art. 16b N. 12).  
Der Beschwerdeführer hat die Sperrfläche vorsätzlich überfahren, weil er gemäss eigenen Angaben so schnell wie möglich nach Hause wollte (vgl. Polizeirapport vom 2. August 2015). Der Beschwerdeführer hat zwei grundlegende Verkehrsregeln verletzt, und es kann nicht voneiner blossen leichten Unaufmerksamkeit gesprochen werden. 
 
3.5. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, die Staatsanwaltschaft habe ihn mit Strafbefehl vom 8. September 2015 lediglich mit Fr. 300.-- gebüsst, was für ein geringes Verschulden spreche, vermag er nicht durchzudringen. Nach der Rechtsprechung ist die Verwaltungsbehörde bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts grundsätzlich nicht an das Urteil des Strafgerichts gebunden. Eine Ausnahme dazu rechtfertigt sich dann, wenn die Rechtsanwendung sehr stark von der Würdigung von Tatsachen abhängt, welche die Strafbehörde besser kennt als die Verwaltungsbehörde (BGE 136 II 447 E. 3.1 S. 451 mit Hinweisen). Dies ist hier nicht der Fall, hat sich die Staatsanwaltschaft doch in erster Linie auf den Polizeirapport vom 2. August 2015 abgestützt. Die Verwaltungsbehörde war bei ihrer rechtlichen Würdigung des Sachverhalts somit nicht an den Strafbefehl gebunden (vgl. auch Urteil 1C_656/2015 vom 8. April 2016 E. 2.5).  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verkehrsamt des Kantons Schwyz, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Juli 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner