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[AZA] 
I 639/99 Ca 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Widmer 
 
Urteil vom 24. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 
Frauenfeld, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
S.________, 1937, Beschwerdegegner, vertreten durch den 
Y.________, 
 
nd 
 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden, 
 
    A.- Mit Verfügung vom 13. Februar 1997 sprach die IV- 
Stelle des Kantons Thurgau S.________ (geboren 1937) rück- 
wirkend ab 1. Januar 1996 eine halbe Invalidenrente zu. Im 
Rahmen eines im Februar 1998 eingeleiteten Revisionsverfah- 
rens holte die IV-Stelle u.a. Berichte des Dr. med. 
I.________ vom 13. April 1998 und des Herz-Zentrums 
X.________ vom 25. Juni 1998 ein. Gestützt auf die Angaben 
der Ärzte des Herz-Zentrums hob die IV-Stelle die halbe In- 
validenrente mit Verfügung vom 11. September 1998 auf Ende 
Oktober 1998 revisionsweise auf, weil sich der Gesundheits- 
zustand des Versicherten verbessert habe und er wieder in 
der Lage wäre, seine Arbeit als Postbeamter im Umfang von 
80 % zu verrichten. 
 
    B.- In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereich- 
ten Beschwerde hob die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons 
Thurgau die angefochtene Verfügung mit Entscheid vom 
29. September 1999 auf (Dispositiv-Ziff. 1), sprach dem 
Versicherten für die Zeit ab 1. April 1998 anstelle der 
halben eine ganze Invalidenrente zu (Dispositiv-Ziff. 2) 
und wies die Sache zur Durchführung der Rentenrevision 
infolge der ab 1. Juli 1998 ausgewiesenen Verbesserung des 
Gesundheitszustandes an die IV-Stelle zurück (Dispositiv- 
Ziff. 3). 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die 
IV-Stelle, der kantonale Entscheid sei dahin abzuändern, 
dass die vorinstanzlich ab 1. April 1998 zugesprochene 
ganze Rente mit Wirkung ab 1. August 1998, eventuell ab 
1. Oktober 1998, auf eine halbe Invalidenrente herabzu- 
setzen sei; subeventuell sei die Sache zu neuer Entschei- 
dung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
    Während S.________ auf Abweisung der Verwaltungsge- 
richtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt 
für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen 
und Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 
Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades 
bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode 
(Art. 28 Abs. 2 IVG), die Rentenrevision (Art. 41 IVG) und 
die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 109 V 265 
Erw. 4a; s. auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b) zu- 
treffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Zu ergän- 
zen ist, dass bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit 
die anspruchsbeeinflussende Änderung für die Herabsetzung 
oder Aufhebung der Leistung von dem Zeitpunkt an zu berück- 
sichtigen ist, in dem angenommen werden kann, dass sie vor- 
aussichtlich längere Zeit dauern wird. Sie ist in jedem 
Fall zu berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentliche Un- 
terbrechung drei Monate angedauert hat und voraussichtlich 
weiterhin andauern wird (Art. 88a Abs. 1 IVV). 
 
    2.- a) Das kantonale Gericht hat in Würdigung der me- 
dizinischen Unterlagen richtig festgestellt, dass der Be- 
schwerdegegner zufolge vorübergehender Verschlechterung des 
Gesundheitszustandes mit voller Arbeitsunfähigkeit von 
Januar bis Juni 1998 ab 1. April 1998 Anspruch auf eine 
ganze Invalidenrente hat. Da indessen Dr. med. I.________ 
am 14. Dezember 1998 für die Zeit ab 1. Juli 1998 eine Ar- 
beitsunfähigkeit von lediglich noch 50 % attestierte, wobei 
diese Stellungnahme in die Beurteilung miteinbezogen werden 
kann, obwohl sie nach Verfügungserlass ergangen ist (BGE 99 
V 102 mit Hinweisen), stellt sich die Frage, ab welchem 
Zeitpunkt die aus der Zunahme der Arbeitsfähigkeit resul- 
tierende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichti- 
gen ist. 
    b) Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, dass die 
für den Rentenanspruch erhebliche Verbesserung des Gesund- 
heitszustandes ab 1. Juli 1998 gestützt auf Art. 88a Abs. 1 
IVV zur Herabsetzung der ganzen auf eine halbe Rente ab 
1. Oktober 1998 führe. Da in zeitlicher Hinsicht die Ver- 
hältnisse bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung 
(11. September 1998) massgebend seien, werde die IV-Stelle 
eine entsprechende neue Revisionsverfügung zu erlassen 
haben. 
    In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird hiegegen 
eingewendet, auf Grund der Angaben des Dr. med. I.________ 
vom 14. Dezember 1998 könne angenommen werden, dass die 
Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ab Juli 1998 voraussicht- 
lich längere Zeit andauern werde. Auf Grund der konkreten 
Umstände sei die Verbesserung bereits ab 1. August 1998 be- 
ständig und stabil erschienen. 
 
    c) Der Ansicht der IV-Stelle kann nicht beigepflichtet 
werden. In BGE 104 V 147 Erw. 2 hat das Eidgenössische Ver- 
sicherungsgericht den auf den 1. Januar 1977 in Kraft ge- 
tretenen, nach wie vor geltenden Art. 88a IVV als gesetz- 
mässig erachtet und festgestellt, dass die Rente auf Grund 
dieser neuen Verordnungsbestimmung herabgesetzt oder aufge- 
hoben werden muss, falls die Verbesserung der Arbeits- bzw. 
Erwerbsfähigkeit ohne wesentlichen Unterbruch drei Monate 
angedauert hat. Diese Auslegung wurde in der Folge u.a. im 
Urteil H. vom 30. November 1993, B 38/92, auszugsweise pub- 
liziert in Plädoyer 1994 Nr. 4 S. 66 Erw. 2a, bestätigt. 
Daran ist auch im vorliegenden Fall festzuhalten: Damit 
sich die Herabsetzung oder Aufhebung einer Invalidenrente 
im Rahmen einer Revision rechtfertigt, muss laut Art. 88a 
Abs. 1 IVV eine voraussichtlich länger dauernde Verbesse- 
rung der Erwerbsfähigkeit angenommen werden können. Dies 
trifft regelmässig erst nach mehreren Wochen oder Monaten 
zu. Da die IV-Stelle in der Verfügung vom 11. September 
1998 die Rente auf den 31. Oktober 1998 revisionsweise auf- 
gehoben hatte, bildete im vorinstanzlichen Verfahren der 
Rentenanspruch bis zu diesem Datum Anfechtungs- und Streit- 
gegenstand. Weil seit 1. Juli 1998 eine andauernde Besse- 
rung des Gesundheitszustandes des Beschwerdegegners durch 
das Attest des Dr. med. I.________ vom 14. Dezember 1998 
ausgewiesen war, wäre die Vorinstanz gehalten gewesen, 
selbst über den Zeitpunkt der revisionsweisen Herabsetzung 
der Invalidenrente zu entscheiden und von einer Rückweisung 
der Sache an die Verwaltung zu diesem Zweck abzusehen, wie 
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht eingewendet 
wird. Dies ist im letztinstanzlichen Verfahren zu korrigie- 
ren. Nach Art. 88a Abs. 1 IVV ist die dem Beschwerdegegner 
von der Rekurskommission ab 1. April 1998 zugesprochene 
ganze Rente mit Wirkung ab 1. Oktober 1998 auf eine halbe 
Invalidenrente herabzusetzen. 
 
    3.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Ent- 
sprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses hat 
der Beschwerdegegner Anspruch auf eine reduzierte Partei- 
entschädigung zu Lasten der IV-Stelle (Art. 135 in Verbin- 
dung mit Art. 159 Abs. 3 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbe- 
    schwerde wird Dispositiv-Ziff. 3 des Entscheides der 
    AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 
    29. September 1999 aufgehoben, und es wird festge- 
    stellt, dass die ganze Invalidenrente des Beschwerde- 
    gegners mit Wirkung ab 1. Oktober 1998 auf eine halbe 
    Rente herabgesetzt wird. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die IV-Stelle des Kantons Thurgau hat dem Beschwerde- 
    gegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Ver- 
    sicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 1200.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskom- 
    mission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des 
    Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversiche- 
    rung zugestellt. 
 
 
Luzern, 24. Januar 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: