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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.310/2004 /gnd 
 
Urteil vom 17. November 2004 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Y.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge, 
Z.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jachen Curdin Bonorand, 
 
Gegenstand 
Beschimpfung, Verleumdung usw., 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 26. April 2004 (SB 04 5). 
 
Sachverhalt: 
A. 
Z.________, der Vater von Y.________, richtete am 11. März 2002 ein Schreiben an seinen Bruder X.________. Darin führte er aus, seine Tochter habe seit längerer Zeit psychische Probleme, die eine fachärztliche Betreuung unumgänglich gemacht hätten. Nun lägen die Fakten vor. Es gehe auf das Jahr 1967 zurück: "Y.________, eben erst 8 Jahre alt geworden, weilte bei Euch in den Ferien. Dort wurde sie Opfer einer massiven seelischen und körperlichen Attake seitens ihres Onkels. Die Geschichte ist derart unappetitlich, dass ich nicht in Details eintreten mag. Wir wollen keine weiteren Kontakte mehr. (...)" (Urteil des Kantonsgerichts S. 2 f.). 
 
X.________ reichte beim Kreisamt Chur je eine Klage gegen Z.________ und Y.________ wegen übler Nachrede und Verleumdung bzw. Beschimpfung ein. 
B. 
Der Bezirksgerichtsausschuss Plessur sprach am 15. Mai 2003 Y.________ von der Anklage der üblen Nachrede (Art. 173 StGB), der Verleumdung (Art. 174 StGB) und der Beschimpfung (Art. 177 StGB) frei (Ziff. 1 des Dispositivs). Er sprach Z.________ der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB schuldig (Ziff. 2) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 500.-- (Ziff. 3). 
 
Das Kantonsgericht von Graubünden (Kantonsgerichtsausschuss) hiess am 26. April 2004 eine Berufung von X.________ teilweise gut, hob Ziff. 3 des bezirksgerichtlichen Urteils auf und bestrafte Z.________ mit Fr. 2'000.-- Busse. 
C. 
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen (Beschwerde S. 4 f.). 
 
Das Kantonsgericht von Graubünden beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, und verzichtet auf Gegenbemerkungen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Dem Beschwerdeführer steht als Privatstrafkläger im Sinne von Art. 270 lit. g des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; SR 312.0) die Nichtigkeitsbeschwerde zu. 
2. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte bleibt vorbehalten (Art. 269 Abs. 1 und 2 BStP). In der Nichtigkeitsbeschwerde muss kurz dargelegt werden, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch die angefochtene Entscheidung verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Das Bundesgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis BStP). 
 
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen eine willkürliche Entscheidung im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Drittkundgabe von ehrverletzenden Äusserungen geltend und beantragt, das angefochtene Urteil wegen Willkür gemäss Art. 9 BV aufzuheben (Beschwerde S. 4, Anträge lit. b und c). Er bringt vor, die Vorinstanz nehme willkürlich an, seine Vorbringen stellten eine Klageerweiterung dar (Beschwerde Ziff. 1). Der Familienrat sei ein unabdingbarer Beweis für die Drittkundgabe (Ziff. 2) und habe die Herabsetzung seiner (des Beschwerdeführers) Ehre bezweckt (Ziff. 3). Eine Drittkundgabe habe er in seinem Plädoyer vor dem Bezirksgerichtsausschuss ausdrücklich festgehalten (Ziff. 4). Die Vorinstanz verwerfe diese Indizien und Beweise in willkürlicher Weise (Ziff. 5). Die Vorinstanz verweigere zudem in Verletzung des rechtlichen Gehörs und in willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung eine Anhörung der Zeugin A.________ (Ziff. 6). Sie habe die Anschuldigungen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft (Ziff. 7). Sie habe auch in der Kostenfrage eine willkürliche Entscheidung getroffen. Es werde jedes erdenkliche Argument für die Strafbeklagten aufgegriffen, während ihm eine ungebührliche Beweislast zugemutet werde und ihm eine Mauer des Schweigens (Aussageverweigerungen) sowie eine Voreingenommenheit der Vorinstanzen entgegenstünden (Ziff. 8; auch Ziff. 9). 
 
Nach den vorinstanzlichen Ausführungen werden im Kanton Graubünden Ehrverletzungsprozesse im Privatstrafverfahren geführt, wobei die (ergänzte) Strafklage als Anklageschrift gilt. Auf den Vorwurf der Ehrverletzung anlässlich des Familienrates tritt die Vorinstanz wegen unzulässiger Ausdehnung der Anklage nicht ein (angefochtenes Urteil S. 9). Den Antrag auf Einvernahme von A.________ lehnt sie in antizipierter Beweiswürdigung ab (angefochtenes Urteil S. 10, 17). Die Vorinstanz hält weiter fest, dass Zugeständnisse und Vergleichsvorschläge bei erfolglosem Sühneversuch für den Prozess als ungeschehen und unpräjudizierlich gelten (angefochtenes Urteil S 11). In allen diesen Punkten geht es um Fragen des Prozessrechts und der Beweiswürdigung (angefochtenes Urteil S. 7 ff. und S. 13 ff.), nicht um Fragen des Bundesrechts, die allein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sein können. Auf diese Willkürrügen kann nicht eingetreten werden. 
3. 
Die Tatbestände der üblen Nachrede und der Verleumdung setzen voraus, dass die ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten erfolgt sind, und zwar im Falle der Verleumdung wider besseres Wissen. Die Beschimpfung erfasst hingegen ehrverletzende Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Verletzen und ehrverletzende Werturteile gegenüber dem Verletzen und Dritten. Es kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes Urteil S. 12 f.). 
3.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass das Schreiben vom 11. März 2002 ehrverletzende Äusserungen enthält, weil diese auf pädophile Übergriffe des Beschwerdeführers auf seine Nichte schliessen liessen. Sie nimmt an, es sei unzweifelhaft und unbestritten, dass sich Z.________ damit zumindest der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB schuldig gemacht habe (angefochtenes Urteil S. 14). Zu diesem Schuldspruch macht der Beschwerdeführer geltend, wegen der erwiesenen Drittkundgabe werde der falsche Tatbestand zu Grunde gelegt (Beschwerde S. 4, Antrag lit. b). Dieser Schuldspruch erfolgte indessen antragsgemäss (vgl. angefochtenes Urteil S. 3) und ohne Verletzung von Bundesrecht wegen der brieflichen ehrverletzenden Äusserung gegenüber dem Beschwerdeführer. 
 
Die Vorinstanz prüft weiter, ob Z.________ dieses Schreiben bzw. dessen Inhalt Dritten bekannt gegeben habe (angefochtenes Urteil S. 14). Sie verneint in der Folge mit ausführlicher Begründung eine Drittkundgabe aus Gründen des Prozessrechts und der Beweiswürdigung. Insoweit ist nach dem Gesagten (E. 1) auf die Beschwerde nicht einzutreten. Konnte somit eine Drittkundgabe nicht nachgewiesen werden, kommt ein Schuldspruch wegen übler Nachrede oder Verleumdung von vornherein nicht in Betracht. 
3.2 Die Vorinstanz kommt hinsichtlich der Anklage gegenüber Y.________ ebenfalls zum Ergebnis, es könne ihr nicht nachgewiesen werden, dass sie sich über den Beschwerdeführer ehrverletzend geäussert habe, weshalb sie vom Vorwurf der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung freizusprechen sei (angefochtenes Urteil S. 17 und 18). Damit verletzt sie kein Bundesrecht. 
 
Sie vertritt im Übrigen die Ansicht, dass ihr - "selbst wenn die Kundgabe einer ehrenrührigen Äusserung einem Dritten gegenüber hätte nachgewiesen werden können" - ein so genannter "confident nécessaire" hätte zugestanden werden müssen. Ihr müsste nämlich die Freiheit zugestanden werden, mit ihrem Therapeuten und ihren engsten Familienanghörigen im vertraulichen Rahmen über ihre Erinnerungen zu sprechen, ohne deswegen eine Verurteilung wegen übler Nachrede befürchten zu müssen (angefochtenes Urteil S. 19). Soweit der Beschwerdeführer auf diese Erwägung Bezug nimmt (Beschwerde Ziff. 3), ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Da eine Drittkundgabe nicht nachgewiesen werden konnte und entsprechend Schuldsprüche wegen übler Nachrede bzw. Verleumdung bereits aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen sind, fehlt es an einem schützenswerten Interesse an der Beurteilung dieser bloss noch theoretischen Rechtsfrage (vgl. BGE 124 IV 94 E. 1c), inwiefern Äusserungen im vertrauten Kreise strafbar sind. 
3.3 Weil Schuldsprüche wegen übler Nachrede oder Verleumdung nicht in Betracht kommen, können sich diese Tatbestände auch nicht im Strafmass erschwerend auswirken (Beschwerde Ziff. 10). 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1 StGB). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 17. November 2004 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: