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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_676/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. Juli 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Ursprung, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kaufmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Verwaltungsverfahren; unentgeltlicher Rechtsbeistand; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 14. August 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1972 geborene A.________ war Sicherheitsfachmann bei der Firma B.________. Am 24. April 2011 wurde er angeschossen und am Hals sowie an der linken Schulter verletzt. Am 12. September 2011 meldete er sich bei der IV-Stelle Bern zum Leistungsbezug an. Diese holte diverse Arztberichte und ein Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts (ABI) GmbH, Basel, vom 10. Juni 2014 mit Ergänzung vom 4. November 2014 ein. Mit Verfügung vom 16. April 2015 wies die IV-Stelle das Gesuch des Versicherten um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren ab. Mit Verfügung vom 20. April 2015 verneinte sie den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen und Invalidenrente. 
 
B.   
Die gegen diese beiden Verfügungen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 14. August 2015 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm von April 2012 bis Dezember 2013 eine ganze und ab Januar 2014 eine Dreiviertelsrente, eventuell ab Januar 2014 eine halbe Invalidenrente auszurichten; die unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren sei zu bewilligen; für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Beschwerdeabweisung. Mit Eingabe vom 30. November 2015 hält der Versicherte an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (vgl. E. 2 hienach). Die aufgrund dieser Berichte gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und die konkrete Beweiswürdigung sind Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397; nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]; zur Unterscheidung zwischen Tat- und Rechtsfragen bei anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen oder vergleichbaren psychosomatischen Leiden vgl. BGE 141 V 281 E. 7 S. 308). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) sowie deren Beurteilung bei somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden (BGE 141 V 281; zu seiner Anwendbarkeit auf laufende Verfahren vgl. E. 8 desselben) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend den Rentenanspruch (Art. 28 IVG) und den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Die Vorinstanz erwog mit einlässlicher Begründung - auf die verwiesen wird - im Wesentlichen, das allgemeininternistische, psychiatrische, orthopädische, neurologische und otorhinolaryngologische ABI-Gutachten vom 10. Juni/4. November 2014 erfülle hinsichtlich der Diagnosestellung die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage. Die gutachterliche Annahme, dass der Versicherte nicht an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide und keine depressive Störung vorliege, überzeuge. Körperlich bestünden einzig qualitative Gehörseinschränkungen. Aus neurologischer und orthopädischer Sicht seien dem Versicherten körperlich mittelschwere, nach Eingewöhnungszeit und regelmässiger körperlicher Aktivität auch schwere Tätigkeiten ohne ausgeprägte schulterbelastende Arbeiten voll zumutbar. Das ABI-Gutachten erlaube eine Beurteilung der psychischen Problematik gestützt auf die mit Urteil BGE 141 V 281 geänderte Rechtsprechung zu den psychosomatischen bzw. äquivalenten Leiden, zu denen die PTBS gehöre. Zum Komplex der "Gesundheitsschädigung" (BGE 141 V 281 E. 4.3.1 S. 298) sei festzuhalten, dass die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome nicht übermässig sei, liege doch keine schwere PTBS vor. Betreffend "Behandlungserfolg oder -resistenz" sei zu bemerken, dass der Versicherte den Cannabiskonsum, der sich ungünstig auf die Verarbeitung des dramatischen Ereignisses auswirke, nicht aufgebe, obwohl ihm dies ohne Weiteres zumutbar wäre. Weiter bestünden keine Komorbiditäten. Zudem seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Persönlichkeit des Versicherten ein Leistungsvermögen ausschlösse (BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S. 302). Der soziale Kontext (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303) mit täglichem Kontakt zu Kollegen zeige, dass sich die PTBS nicht in jedem Lebensbereich manifestiere. Der Versicherte sei meistens nachmittags mit zwei bis drei Kollegen unterwegs; er mache Spaziergänge, besuche das Restaurant eines Kollegen, wo er mit der Play-Station spielen könne. In der Kategorie "Konsistenz" (BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303) bestehe keine gleichmässige Einschränkung des Aktivitätsniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen. Insbesondere zeigten der tägliche Kontakt mit Kollegen, der gemeinsame Cannabiskonsum, das Spielen von Videogames sowie das Lesen von Zeitungen, dass die Einschränkungen sich nicht konsistent manifestierten. Immerhin nehme der Versicherte therapeutische Optionen wahr, verzichte aber nicht auf den für ihn besonders schädlichen Cannabiskonsum. Angesichts der vorhandenen Ressourcen könnte er die geklagten Leistungseinschränkungen bei Aufbietung allen guten Willens überwinden. Die im ABI-Gutachten vom 10. Juni 2014 aus psychiatrischer Sicht attestierte 50%ige Arbeitsunfähigkeit sei somit nicht zu beachten, weshalb kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung bestehe. 
 
4.  
 
4.1. Der Versicherte bestreitet, dass die PTBS mit einer somatoformen Schmerzstörung bzw. einem äquivalenten Beschwerdebild vergleichbar sei. Die beiden letzteren Leiden charakterisierten sich dadurch, dass sie unklar und auch medizinisch nicht recht fassbar seien, quasi auf Indizien beruhten, nirgends wirklich festgemacht werden könnten und auch in der Diagnose umstritten seien. Dies treffe auf eine klar diagnostizierte PTBS gerade nicht zu. In casu sei das die PTBS auslösende Ereignis derart klar und die Entstehung der psychischen Störung derart nachvollziehbar, dass zur Diagnose und Erkrankung keine Fragezeichen zu setzen seien. Die PTBS sei von den Fachärzten klar definiert und abgrenzbar zu anderen (psychischen) Erkrankungen und damit klar diagnostizierbar.  
 
4.2. Das Bundesgericht bejahte im Zusammenhang mit einer PTBS verschiedentlich die Anwendbarkeit der Überwindbarkeitsvermutung gemäss BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f. (Urteile 8C_483/2012 vom 4. Dezember 2012 E. 4.2, 9C_209/2011 vom 27. Mai 2011 E. 3.2, 9C_554/2009 vom 18. August 2009 E. 7, I 203/06 vom 28. Dezember 2006 E. 4.5, I 696/05 vom 20. April 2006 E. 3.1 und 3.2.2). Mit der Frage, ob die PTBS ein mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung vergleichbares psychosomatisches Leiden darstellt, hat es sich indessen bisher nicht vertieft auseinandergesetzt (vgl. SVR 2015 IV Nr. 28 S. 85 E. 4.2.3 [8C_538/2014]; siehe auch BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13 f., wo die PTBS nicht als solches Leiden aufgeführt wird; Urteil 9C_195/2015 vom 24. November 2015 E. 3.4). Im Urteil 8C_375/2014 vom 10. Februar 2015 hat das Bundesgericht entgegen der IV-Stelle nicht bestätigt, die invalidisierende Wirkung der PTBS beurteile sich nach der Praxis zu den somatoformen Schmerzstörungen; vielmehr verneinte es in E. 3.3 dieses Urteils das Vorliegen einer PTBS.  
 
5.  
 
5.1. Eine PTBS entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmasses (kurz oder lang anhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Angst und Depression sind häufig mit den Symptomen und Merkmalen der PTBS assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Drogeneinnahme oder übermässiger Alkoholkonsum können als komplizierende Faktoren hinzukommen. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. Bei wenigen Patienten nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über (HORST DILLING/WERNER MOMBOUR/MARTIN H. SCHMIDT [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10, Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, 10. Aufl. 2015, S. 207 f.; vgl. auch B. KRAEMER/U. HEPP/U. SCHNYDER, Entstehung, Verlauf und therapeutische Möglichkeiten der posttraumatischen Belastungsstörung, in: Der medizinische Sachverständige, 2007 S. 153; ULRICH SCHNYDER, Posttraumatische Belastungsstörungen [Diagnostik, Prävalenz und Behandlungsmöglichkeiten], in: Psychische Störungen und die Sozialversicherung - Schwerpunkt Unfallversicherung, 2002, S. 101 und 114; Urteil 9C_636/2013 vom 25. Februar 2014 E. 4.3.2).  
Neuere Übersichtsarbeiten sprechen von einer "sizeable minority" in einer Grössenordnung von 10 %, bei denen über Jahre hinweg Symptome einer PTBS persistieren. Insbesondere progrediente Entwicklungen widersprechen dem zu erwartenden degressiven Charakter posttraumatischer Störungen (WOLFGANG SCHNEIDER et al. [Hrsg.], Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, 2012, S. 533). WOLFGANG HAUSOTTER, Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen, 2. Aufl. 2004, S. 196, geht davon aus, dass eine Krankheitswertigkeit der PTBS gegeben ist, wenn eine Mindestschwere vorliegt, bedeutsame Zusatzsymptome hinzutreten und die Erfüllung von Alltagsaufgaben nicht mehr möglich ist. 
 
5.2.  
 
5.2.1. Die Rechtsprechung hat zu den "vergleichbaren psychosomatischen Leiden" bislang ausdrücklich jene gezählt, die im Nachgang zu BGE 130 V 352 über die Jahre als sogenannte "pathogenetisch-ätiologisch unklare syndromale Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage" in invalidenversicherungsrechtlicher Hinsicht den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen (Regel-Ausnahmemodell mit "Überwindbarkeitsvermutung") unterstellt wurden. In der betreffenden Aufzählung, auf die BGE 141 V 281 in E. 4.2 verweist, findet sich die PTBS gerade nicht erwähnt (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13). Dies mag insofern überraschen, als es in der Vergangenheit schon Fälle gab, in denen das Bundesgericht auf sie dieselben Regeln anwandte, ohne dass es sich dabei je näher mit Pathogenese oder Ätiologie des Leidens befasst hätte (vgl. E. 4.2 hievor und dortige Hinweise). Zu Weiterungen hinsichtlich dieser letzteren Aspekte besteht nach der gemäss BGE 141 V 281 geänderten Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall keine Veranlassung.  
 
5.2.2. Für die Frage, ob die PTBS in den Anwendungsbereich von BGE 141 V 281 E. 4.2 fallen soll, bestehen verschiedene Anknüpfungspunkte. So ist vorab auch bei diesem Krankheitsbild in Erinnerung zu rufen, dass bereits die Herleitung und Begründung der Diagnose besonderes Augenmerk bedürfen (vgl. Urteil 9C_195/2015 E. 3.3.1; allgemein: BGE 141 V 281 E. 2.1.1 S. 285). Ohne hier auf die bei der PTBS bestehenden konzeptionellen Unterschiede zwischen ICD-10 und DSM-5 einzugehen (vgl. dazu WOLFGANG HAUSOTTER, Psychiatrische und psychosomatische Begutachtung für Gerichte, Sozial- und private Versicherungen, Frankfurt 2016, S. 242 ff.; im Einzelnen zu den Klassifikationssystemen: BGE 130 V 396 E. 6.3 S. 402 f.), gilt es hier zunächst das Belastungskriterium, mithin das auslösende Trauma (vgl. E. 5.1 hievor) in den Blick zu nehmen. Dieses ist nicht in erster Linie oder allein von der Gutachterperson selbst zu klären, aber von dieser zwingend zu referieren. Namentlich dort, wo es allein durch die subjektiven Angaben und Schilderungen der betroffenen Person belegt wird, lässt sich ein entsprechender Nachweis in aller Regel nicht ohne Weiteres erbringen (vgl. etwa Urteil 9C_687/2013 vom 24. Juni 2014 E. 4.2). Nebst der ihrerseits für die Bejahung einer PTBS bedeutsamen Schwere des Belastungskriteriums erfordert die Latenzzeit zwischen initialer Belastung und Auftreten der Störung eine eingehende Prüfung. Diese beträgt nach ICD-10 wenige Wochen, bis (sechs) Monate. Besondere Begründung braucht es dabei in jenen Fällen, in denen ganz ausnahmsweise aus bestimmten Gründen ein späterer Beginn berücksichtigt werden soll (vgl. Urteil 9C_195/2015 E. 3.3.3 mit weiteren Hinweisen). Im Schrifttum wird zudem etwa auf den ebenfalls zu beachtenden Aspekt verwiesen, dass ein nur gelegentliches Auftreten von Flashbacks oder Alpträumen nicht genügt, um eine PTBS zu begründen (HAUSOTTER, a.a.O. E. 5.2.2, S. 251 mit Hinweis).  
 
5.2.3. Bei der hier anstehenden Beurteilung ist davon auszugehen, dass es sich bei der PTBS ganz allgemein um eine Störung handelt, die nicht nur keinen Bezug zu einem organischen Geschehen aufweist, sondern für die sich keine oder kaum objektivierbare Befunde erheben lassen, was namentlich auf ihre typischen Symptome (Nachhallerinnerungen, Alp-/Träume, Wiedererleben Vermeidungsverhalten, Überwachsamkeit, erhöhte Schreckhaftigkeit) zutrifft. Dazu können weitere vielfältige Symptome treten, die ebenso bei anderen Störungen vorkommen und nach differenzierter Prüfung rufen. Auch der Verlauf zeigt sich sehr wechselhaft und nicht prognostizierbar, wobei progrediente Entwicklungen kaum zu erwarten sind und Chronifizierung, verbunden mit sozialem Rückzug und Antriebsmangel, eher selten auftritt (HAUSOTTER, a.a.O. E. 5.2.2, S. 253). Bei einem dergestalt schwer fassbaren, rein subjektiven, nicht objektivierbaren und unspezifischen Krankheitsbild ist in Zusammenhang mit der Diagnosestellung in besonderer Weise auch auf Ausschlussgründe (Aggravation und dergleichen) zu achten (vgl. BGE 141 V 281 E. 2.2 S. 287 f.). Soweit es darüber hinaus schlussendlich vor allem um die Folgenabschätzung geht, mithin darum, die Auswirkungen der Störung auf das Leistungsvermögen bzw. die Arbeitsfähigkeit zu erheben und zu gewichten, bedarf es nach dem Erwogenen gerade auch bei der PTBS des "konsistenten Nachweises" mittels "sorgfältiger Plausibilitätsprüfung". Dafür liegt die besondere Eignung des strukturierten Beweisverfahrens unter Verwendung der Standardindikatoren nach Massgabe von BGE 141 V 281 E. 4.1.3 vor dem rechtlichen Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 ATSG gleichsam auf der Hand. Dies alles gilt umso mehr, als dem "Konzept der PTBS" offenbar auch von Seiten renommierter Psychiater massive Kritik ("interessengesteuerte Modediagnose mit inflationärer Ausweitung") erwachsen ist (Nachweis bei HAUSOTTER, a.a.O. E. 5.2.2, S. 247). Anderseits kann auf diesem Wege auch den eingangs erwähnten konzeptionellen Unterschieden zwischen DSM-5 und ICD-10 Rechnung getragen werden, die sich zwar bezogen auf die Diagnose auswirken mögen, die ihrerseits für sich allein für die Anspruchsbegründung jedoch rechtsprechungsgemäss nie ausreichend sein kann (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.4.1.1 S. 291 f.; 130 V 352 E. 2.2.5 S. 356).  
 
5.3. Entgegen dem Antrag des BSV braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht entschieden zu werden, ob die Praxis nach BGE 141 V 281 auf alle (psychischen) Leiden auszudehnen sei.  
 
6.  
 
6.1. Gutachten, die - wie hier - nach altem Verfahrensstandard eingeholt wurden, verlieren nicht per se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des Einzelfalls mit seinen spezifischen Gegebenheiten und der erhobenen Rügen entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandenen Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309). Es ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang die Feststellungen in einem medizinischen Gutachten anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7 S. 308). Aus rechtlicher Sicht kann von einer medizinischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abgewichen werden, ohne dass sie ihren Beweiswert verliert (SVR 2015 IV Nr. 16 S. 45 E. 2.3 [9C_662/2013]; Urteil 8C_438/2015 vom 13. Oktober 2015 E. 6).  
Der Versicherte bringt im Wesentlichen vor, das ABI-Gutachten vom 10. Juni/4. November 2014sei derart zentral in Anwendung der überholten Foerster-Kriterien bzw. Überwindbarkeitsvermutung formuliert und interpretiert worden, dass darauf nicht abgestellt werden könne. Es sei daher ein neues Gutachten nach den massgeblichen Standardindikatoren gemäss dem Urteil BGE 141 V 281 E. 2.2 S. 287 einzuholen; zumindest seien den Gutachtern Ergänzungsfragen zu stellen. 
Diesem pauschalen Einwand kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist festzuhalten, dass das Bundesgericht in BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f. und E. 6 S. 308 betonte, unverändert sei auch in Zukunft dem klaren Willen des Gesetzgebers gemäss Art. 7 Abs. 2 ATSG Rechnung zu tragen, wonach im Zuge der objektivierten Betrachtungsweise von der grundsätzlichen "Validität" (BGE 139 V 547 E. 8.1 S. 563) der die materielle Beweislast tragenden versicherten Person auszugehen sei (vgl. auch BGE 8C_590/2015 vom 24. November 2015 E. 5.3). Zum anderen kann nicht gesagt werden, das ABI-Gutachten sei zu sehr auf die Überwindbarkeitsvermutung fixiert. Denn immerhin wurde darin von einer psychisch bedingten 50%igen Arbeitsunfähigkeit des Versicherten ausgegangen. 
 
6.2. Insgesamt eignet sich das ABI-Gutachten vom 10. Juni/4. November 2014 für eine schlüssige Beurteilung der nach BGE 141 V 281 massgebenden Indikatoren, weshalb sich eine Ergänzung des medizinischen Sachverhalts erübrigt. Die Vorinstanz hat insbesondere richtig erkannt, dass die PTBS des Versicherten nicht schwer ist und keine depressive Erkrankung vorliegt. (vgl. E. 3 hievor). Dies wird auch durch die täglichen Aktivitäten des Versicherten bekräftigt. Im Rahmen der ABI-Begutachtung gab er nämlich an, nach dem gemeinsamen Mittagessen sei er nachmittags meistens mit zwei bis drei guten Kollegen unterwegs. Man mache Spaziergänge, suche Restaurants auf. Meistens halte er sich im Restaurant eines Kollegen auf, wo sie Gelegenheit hätten, Play-Station zu spielen. Gelegentlich gehe er auch in das Restaurant, wo sein Bruder arbeite. Er mache immer wieder Wetten im Internet. Regelmässig lese er auch im Internet Zeitungen. Letztmals sei er im Oktober 2013 im Kosovo gewesen; er könne es sich nicht leisten, jährlich dorthin zu fliegen. Abends sehe er sich meistens Fussballspiele im TV an. Die Beziehung zu seiner Tochter sei eigentlich gut; er habe aber nur noch wenig Geduld und könne nicht mehr lange mit ihr spielen.  
Gegen die vorinstanzliche Beurteilung der rechtserheblichen Indikatoren, die zur Verneinung einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherten führt (E. 3 hievor), erhebt dieser keine stichhaltigen Einwände. Er verweist einzig pauschal auf mehrere Berichte behandelnder Arztpersonen, wonach seine PTBS entgegen dem ABI-Gutachten als schwer eingestuft worden sei. Er legt jedoch nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass die behandelnden Arztpersonen wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43 E. 2.2.1 [I 514/06]; Urteil 8C_326/2015 vom 3. Juli 2015 E. 3.3). Eine rentenbegründende Invalidität ist daher nicht anzunehmen. 
 
7.   
Strittig ist weiter die Nichtgewährung der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren. 
 
7.1. Die Vorinstanz legte die kumulativen Voraussetzungen für die Bejahung der unentgeltlichen Verbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (sachliche Gebotenheit, Bedürftigkeit der Partei, fehlende Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren) richtig dar (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 37 Abs. 4 ATSG; BGE 132 V 200 E. 4.1). Zu ergänzen ist, dass in diesem Verfahren ein Anspruch auf anwaltliche Verbeiständung nur in Ausnahmefällen besteht, in denen schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen dies als notwendig erscheinen lassen und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere Fach- oder Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt. Zu gewichten ist auch die Fähigkeit der versicherten Person, sich im Verfahren zurechtzufinden (vgl. nicht publ. E. 8.2 des Urteils BGE 137 I 327, in SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107 [8C_272/2011]). Die Frage nach der sachlichen Erforderlichkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53 E. 4.1 [8C_557/2014]).  
 
7.2. Die Vorinstanz verneinte die Erforderlichkeit der unentgeltlichen anwaltlichen Vertretung im Verwaltungsverfahren, da der Versicherte seit 2010 durch die Fürsorgebehörde unterstützt werde. Diese hätte bei im Übrigen überschaubaren Verhältnissen ohne Weiteres die Vertretung bzw. Beratung übernehmen können. Es gehe nicht darum, ob die PTBS als unklares Beschwerdebild gelte oder nicht, sondern darum, das ABI-Gutachten zu würdigen. Mangels Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung seien die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nicht zu prüfen.  
Die Einwände des Versicherten sind nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu begründen. Zwar sind für das Erkennen von Schwachstellen einer ärztlichen Expertise aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. E. 2 hievor) gewisse medizinische Kenntnisse und juristischer Sachverstand erforderlich. Von einer komplexen Fragestellung kann hier - auch wenn es um die Anwendung der Praxis zu den somatoformen Schmerzstörungen geht - gleichwohl nicht gesprochen werden. Denn die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass in praktisch allen Verwaltungsverfahren der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung bejaht werden müsste, in denen ein medizinisches Gutachten zur Diskussion steht, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widerspräche. Fehlende Rechtskenntnisse vermögen sodann die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung bzw. einen "Ausnahmefall" im Sinne der Rechtsprechung nicht zu begründen (Urteil 8C_559/2014 vom 29. Oktober 2014 E. 7.4.2). Das vom Versicherten angerufene Prinzip der Chancengleichheit führt angesichts der Offizialmaxime (Art. 43 ATSG) zu keinem anderen Schluss. Zwar wird die sachliche Notwendigkeit einer anwaltlichen Verbeiständung durch den Umstand allein, dass die zuständigen Behörden gehalten sind, an der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts massgeblich mitzuwirken, nicht generell ausgeschlossen. Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes rechtfertigt es jedoch, an die Voraussetzungen, unter denen eine rechtsanwaltliche Verbeiständung sachlich geboten ist, einen strengen Massstab anzulegen (Urteil 8C_323/2013 vom 15. Januar 2014 E. 5.2.3). Aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK vermag der Versicherte ebenfalls nichts zu seinen Gunsten abzuleiten (vgl. auch Urteil 8C_559/2014 E. 7.3). Gleiches gilt für seinen Einwand, das IV-Verwaltungsverfahren wirke sich auch auf seine Ansprüche gegenüber der beruflichen Vorsorge aus. 
 
8.   
Der Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Peter Kaufmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. Juli 2016 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar