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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_268/2023  
 
 
Urteil vom 15. November 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Müller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2023 (IV.2022.00436). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1973 geborene A.________ meldete sich am 9. August 2017 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Sie wies auf seit Jahren bestehende, erhebliche körperliche und psychische Beeinträchtigungen hin. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte unter anderem den Bericht des Dr. med. B.________, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 6. Dezember 2017 ein. Danach litt die Versicherte an einer unverarbeiteten Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) sowie mittel-schweren depressiven Episoden mit psychotischen Symptomen (F32.2-3), differentialdiagnostisch: schizoide Persönlichkeit. Die einer religiösen Minderheit zugehörige Familie der Versicherten sei vom Regime Saddam Husseins verfolgt worden. Die Erlebnisse und Ereignisse im Irak und Iran gingen ihr immer noch nach. Die seit Jahren bestehende Störung dominiere das klinische Krankheitsbild vollständig, zeitweise wirke die Versicherte psychotisch, agitiert, dann wieder verzweifelt und gehemmt. Mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 30. April 2018 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf Invalidenrente. Zur Begründung hielt sie fest, A.________ sei im März 2001 bereits gesundheitlich eingeschränkt in die Schweiz eingereist und habe bei Eintritt der Invalidität nicht während mindestens drei Jahren Beiträge geleistet.  
 
A.b. Am 23. März 2018 ersuchte die Stadt Zürich, Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, die IV-Stelle, zwecks Ermittlung eines Anspruchs auf rentenlose Zusatzleistungen den Invaliditätsgrad zu bestimmen. Diese holte unter anderem den Verlaufsbericht des Dr. med. B.________ vom 24. Mai 2018 ein und veranlasste eine Abklärung der beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt (Bericht vom 30. August 2018). Mit Schreiben vom 6. September 2018 teilte sie dem Amt für Zusatzleistungen unter Zusendung des Feststellungsblattes mit, der Invaliditätsgrad betrage von Februar bis August 2018 31 % und ab September 2018 22 %.  
 
A.c. Am 27. September 2021 ersuchte A.________ die IV-Stelle, ihre Anfrage infolge zunehmender Verschlechterung des Gesundheitszustands neu zu beurteilen. Mit Verfügung vom 4. Juli 2022 wies die Verwaltung das Leistungsbegehren, nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren, ab. Sie hielt fest, Dr. med. B.________ ordne laut Berichten vom 25. Oktober und 20. Dezember 2021 das psychische Krankheitsbild neu einer anderen diagnostischen Codierung zu, womit keine anspruchsbegründende Veränderung des Gesundheitszustandes belegt sei.  
 
B.  
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 28. Februar 2023 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils seien die medizinischen Akten mit einem psychiatrischen Gutachten zu ergänzen mit anschliessender Neubeurteilung des Leistungsanspruchs. Eventualiter sei die IV-Stelle zu verpflichten, nach Ergänzung der medizinischen Akten mittels Gutachten neu zu verfügen. Ferner wird um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht. 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Da der zur Diskussion stehende Rentenanspruch, wie das kantonale Gericht zutreffend festhielt, frühestens ab diesem Zeitpunkt entstanden sein konnte, sind die seither geltenden Rechtsvorschriften anwendbar.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen und Grundsätze zum Bezügerkreis einer ordentlichen Invalidenrente (Art. 36 Abs. 1 IVG), über die für ausländische Staatsangehörige geltenden versicherungsmässigen Voraussetzungen (Art. 6 Abs. 2 IVG) und betreffend den Eintritt der Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG; BGE 137 V 417 E. 2.2.3; 126 V 5 E. 2b; 112 V 275 E. 1b) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen hinsichtlich der Anspruchsprüfung bei Neuanmeldung nach vorausgegangener Rentenverweigerung (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2) unter analoger Anwendung der Grundsätze zur Rentenrevision nach Art. 17 ATSG (BGE 134 V 131 E. 3; 133 V 108; 130 V 71 E. 3.1; 117 V 198 E. 3a). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2.2.  
 
2.2.2.1. Zu wiederholen ist, dass die Rechtskraft von Verfügungen resp. Einsprache- oder Beschwerdeentscheiden über Dauerleistungen im Bereich der Sozialversicherung, u.a. Renten der Alters- und Invalidenversicherung, grundsätzlich zeitlich unbeschränkt ist. Sie erfasst die Anspruchsvoraussetzungen ebenso wie die Faktoren der Leistungsbemessung, soweit diese im Entscheidzeitpunkt zeitlich abgeschlossene Sachverhalte betreffen. Es liegt insofern eine abgeurteilte Sache (res iudicata) vor. Die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsbemessungsfaktoren können daher, vorbehältlich einer prozessualen Revision oder Wiedererwägung des rechtskräftigen Entscheids (Art. 53 Abs. 1 und Art. 61 lit. i bzw. Art. 53 Abs. 2 ATSG), nicht bei jeder neuen Bezugsperiode in Frage gestellt und geprüft werden, es sei denn, das Gesetz sehe ausdrücklich eine andere Regelung vor, wie etwa im Bereich der Ergänzungsleistungen (BGE 136 V 369 E. 3.1.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 147 V 133 E. 5.1 und 213 E. 6.2.2).  
 
2.2.2.2. Vorbehalten bleibt eine Änderung der rechtlichen Grundlagen, die dem leistungsablehnenden Entscheid zugrunde liegen, oder der Eintritt eines neuen Versicherungsfalles im Sinne einer Erhöhung des Invaliditätsgrades aufgrund einer von der ursprünglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung völlig verschiedenen Gesundheitsstörung (BGE 136 V 369 E. 3.1.2 mit Hinweisen). Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands begründet grundsätzlich keinen neuen Versicherungsfall (Urteile 9C_592/2015 vom 2. Mai 2015 E. 3.2 mit Hinweis und 8C_1057/2009 vom 25. Mai 2010 E. 2.2; SVR 2007 IV Nr. 7 S. 23, I 76/05 E. 2). Indessen entsteht ein solcher bei materieller Verschiedenheit der Invaliditätsursachen mit der Folge, dass die der ersten Ablehnungsverfügung zugrunde liegende fehlende Versicherteneigenschaft das neue Leistungsgesuch nicht präjudiziert (Urteile 8C_388/2021 vom 16. August 2021 E. 4.2 und 8C_93/2017 vom 30. Mai 2017 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1.  
 
3.1.1. Das kantonale Gericht erwog, Gegenstand der Verfügung vom 30. April 2018 habe der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente unter dem Gesichtspunkt der versicherungsmässigen Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG gebildet. Diese habe für das vorliegende Verfahren somit bindende Wirkung. Mit anderen Worten falle eine neue Prüfung, ob betreffend den bei der Einreise in die Schweiz vorliegenden Gesundheitsschaden (unverarbeitete posttraumatische Belastungsstörung, mittel-schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen) ein Rentenanspruch habe entstehen können, ausser Betracht (res iudicata).  
 
3.1.2. Was die Beschwerdeführerin vorbringe, so die Vorinstanz weiter, sei nicht stichhaltig. Denn einerseits sei eine Überprüfung der versicherungsmässigen Voraussetzungen zufolge Rechtskraft selbst dann ausgeschlossen, wenn die Verfügung vom 30. April 2018 rechtsfehlerhaft gewesen sei. Anderseits sei es dem kantonalen Gericht gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG verwehrt, eine rechtskräftige Verfügung in Wiedererwägung zu ziehen, da darauf kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch bestehe. Soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, die Verfügung vom 30. April 2018 sei gestützt Art. 53 Abs. 1 ATSG zu revidieren, lege sie nicht dar und sei auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass neue Tatsachen und Beweismittel vorlägen, die nicht bereits im ursprünglichen Verfahren hätten beigebracht werden können. Auch mit der Argumentation, die Beschwerdegegnerin habe nach Erlass der Verfügung vom 30. April 2018 zusätzliche Abklärungen getroffen, weshalb sie konkludent darauf zurückgekommen sei, verkenne die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Weder der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Amtshilfe für das Amt für Zusatzleistungen Sachverhaltsabklärungen getroffen habe, noch die dementsprechende Kommunikation an die Beschwerdeführerin könne einer Wiedererwägung der Verfügung vom 30. April 2018 gleichgesetzt werden. Die danach getätigten Abklärungen setzten denn auch nicht deren vorgängige Aufhebung voraus. Gestützt auf diese Erwägungen gelangte das kantonale Gericht zum Zwischenergebnis, zu prüfen bleibe einzig, ob zu der bei der Einreise in die Schweiz bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung eine davon völlig verschiedene psychische Störung hinzugetreten, mithin ein neuer Versicherungsfall entstanden sei. Bejahendenfalls könnte der Beschwerdeführerin die Rechtskraft der Verfügung vom 30. April 2018 nicht entgegengehalten werden.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegnerin habe mit Schreiben vom 30. April 2018 den behandelnden Psychiater aufgefordert, einen Verlaufsbericht einzureichen. Sie habe darin nicht erwähnt, dass sie gleichentags die Ablehnung des Leistungsbegehrens verfügt habe. Es finde sich auch kein Hinweis, dass die Auskünfte für das Amtshilfeverfahren benötigt würden. Der Psychiater und damit die Beschwerdeführerin durften, ja mussten daher annehmen, dass das IV-Leistungsverfahren fortgesetzt werde. Somit habe es keiner Anfechtung der Verfügung bedurft. Auch vor und während der Haushaltabklärung vom 30. August 2018 habe die Beschwerdegegnerin nicht klargestellt, dass sie damit nicht ihr Leistungsbegehren weiter prüfe. Einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Gesuchstellerin hätte die beigezogene Dolmetscherin die Umstände erläutern müssen. Das Verhalten der Beschwerdegegnerin verstosse gegen Treu und Glauben und sei widersprüchlich, wenn sie nunmehr auf der Rechtskraft der Verfügung vom 30. April 2018 beharre und behaupte, diese nicht in Wiedererwägung gezogen zu haben. Das Abklärungsverfahren sei daher entsprechend der Empfehlung des Dipl. med. C.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), mittels Beizug eines psychiatrischen Gutachtens fortzusetzen.  
 
3.3.  
 
3.3.1.  
 
3.3.1.1. Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben statuiert ein Verbot widersprüchlichen Verhaltens und verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 131 II 627 E. 6.1). Eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der Rechtsuchenden kann geboten sein: 1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte; 4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und 5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat. Der unrichtigen Auskunft gleichgestellt ist die Unterlassung einer behördlichen Auskunft, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach den im Einzelfall gegebenen Umständen geboten war. Die dritte Voraussetzung lautet diesfalls: wenn die Person den Inhalt der unterbliebenen Auskunft nicht kannte oder deren Inhalt so selbstverständlich war, dass sie mit einer anderen Auskunft nicht hätte rechnen müssen (BGE 143 V 341 E. 5.2.1 mit Hinweisen).  
 
3.3.1.2. Gemäss Art. 27 Abs. 2 ATSG hat jede Person Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten (Satz 1). Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind (Satz 2). Die Beratung ist grundsätzlich auf entsprechendes Begehren der betreffenden Person sowie ohne Antrag vorzunehmen, wenn der Versicherungsträger einen entsprechenden Bedarf feststellt. Eine ungenügende oder fehlende Wahrnehmung der Beratungspflicht kommt einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleich, weshalb dieser in Nachachtung des Vertrauensprinzips hierfür einzustehen hat (BGE 143 V 341 E. 5.2.1 mit Hinweis).  
 
3.3.2. Vorliegend kann die nachteilige Disposition einzig darin erblickt werden, dass die Beschwerdeführerin die Verfügung vom 30. April 2018 nicht innerhalb der Frist von 30 Tagen angefochten hat. Nach Art. 41 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 ATSG wird die Frist wieder hergestellt, wenn die gesuchstellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln, sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.  
 
3.3.3. Die Beschwerdegegnerin adressierte die Verfügung vom 30. April 2018 an die Stadt Zürich, Soziale Dienste, und versandte sie laut Verteilerliste auch an die Beschwerdeführerin, das Sozialzentrum D.________ und an das Amt für Zusatzleistungen. Mit Schreiben vom 3. Mai 2018 teilte die zuständige Juristin der Sozialen Dienste, Gruppenleitung Sozialversicherungsrecht, der Beschwerdegegnerin mit, dass ihr Mandat für die Beschwerdeführerin beendet und künftige Korrespondenz an diese direkt beziehungsweise dem zuständigen Quartieramt zuzustellen sei. Daraus ist einzig zu schliessen, dass die Beschwerdeführerin über den Inhalt und die Relevanz der Verfügung unmittelbar nach deren Erlass am 30. April 2018 in Kenntnis gesetzt worden war. Dieser Umstand steht der Berufung auf den Vertrauensschutz im oben dargelegten Sinn (E. 3.3.1) entgegen.  
 
3.3.4. Selbst wenn davon abgesehen und angenommen wird, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin nicht oder nicht hinreichend informiert hatte, welchem Zweck die unmittelbar nach Erlass der Verfügung fortgesetzten Abklärungen beim behandelnden Psychiater und im Aufgabenbereich an Ort und Stelle dienten, ergibt sich nichts anderes. Laut Bericht der Abklärung der beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt vom 30. August 2018 fanden die Erhebungen im Beisein der Fachperson der Beschwerdegegnerin, der Psychiaterin des RAD sowie des Ehemannes der Beschwerdeführerin statt. Die Tochter wurde als Übersetzerin beigezogen. Damit ist das Argument der Beschwerdeführerin, die Dolmetscherin habe ihr die Umstände des fortgesetzten Abklärungsverfahrens nicht erläutert, nicht nachvollziehbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, welche Gründe die Beschwerdeführerin davon abgehalten haben, sich erst am 30. September 2021, mithin drei Jahre später erneut zum Leistungsbezug anzumelden. Auch unter diesem Aspekt betrachtet fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung, die versäumte Frist als wieder hergestellt zu betrachten.  
 
3.3.5. Im Lichte des Gesagten ist schliesslich auch das Vorbringen, die Beschwerdegegnerin habe die Verfügung vom 30. April 2018 stillschweigend beziehungsweise durch konkludentes Verhalten in Wiedererwägung gezogen, nicht stichhaltig. Zwar kann, wie in E. 3.3.1.2 hievor festgehalten, eine ungenügende oder fehlende Wahrnehmung der Beratungspflicht einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleichkommen. Indessen trifft die versicherte Person als Korrelat beziehungsweise Einschränkung dazu eine Mitwirkungspflicht, die ebenfalls Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben und dem daraus abgeleiteten Vertrauensprinzip ist (vgl. KURT PÄRLI/LAURA KUNZ, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 13 f. zu Art. 28 ATSG mit Hinweisen). Mithin konnte von der Beschwerdeführerin zumindest erwartet werden, sich innert einer vernünftigen Frist nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, statt über drei Jahre untätig zuzuwarten. Die Berufung auf den guten Glauben verdient daher von vornherein keinen Rechtsschutz, weshalb auf die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 42 ATSG) nicht einzugehen ist.  
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Zu prüfen ist schliesslich, ob im Zeitpunkt der Neuanmeldung vom 27. September 2021 ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei. Das kantonale Gericht erwog hiezu, Dr. med. B.________ habe in den Berichten vom 25. Oktober und 20. Dezember 2021 eine schwere depressive Störung mit psychotischer Symptomatik beziehungsweise eine gemischte schizoaffektive Störung mit Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (ICD-10: F25.2), eine unverarbeitete posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) sowie eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach extremer Belastung (ICD-10: F62.0) diagnostiziert. Im Vordergrund stünden hochgradige Niedergeschlagenheit, massive Schuldgefühle und eine erhebliche Störung der Vitalgefühle. Sie prägten die damit in engem Zusammenhang stehenden Gefühle eines praktisch aufgehobenen Selbstvertrauens und des Gefangenseins in einem sinnlosen Leben. Weitere Symptome seien die Unfähigkeit einer realitätsgerechten Einschätzung einer neuen Situation und ein unrealistisches Gefährdungsgefühl und erhöhte Reizbarkeit. Die gesamte Persönlichkeitsentwicklung sei derart beeinträchtigt, dass die Möglichkeit zur selbstständigen Bewältigung von alltäglichen Aufgaben stark begrenzt sei. Die Beschwerdeführerin verfüge nicht über die erforderlichen Ressourcen, um ihren innerseelischen Konflikt zu überwinden. Wegen der Grunderkrankung seien der Krankheitsverlauf sehr wechselhaft und die Therapiefortschritte stark eingeschränkt.  
 
4.1.2. Im Vergleich zu den im Bericht vom 6. Dezember 2017 angegebenen Diagnosen, so die Vorinstanz weiter, handle es sich, wie Dr. med. B.________ explizit festhalte, um dieselbe Grunderkrankung, nämlich eine dominierende, seit Jahren bestehende posttraumatische Belastungsstörung. Im Wesentlichen berichteten die Behandler von einer Verschlechterung respektive einer Chronifizierung der gleich bleibenden Symptomatik, weshalb grundsätzlich kein neuer Versicherungsfall begründet sei. Namentlich codiere Dr. med. B.________ die ursprünglich differentialdiagnostisch angegebene schizoide Persönlichkeit neu als gemischte schizoaffektive Störung mit Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (ICD-10: F25.2). Im Kontext der bereits bei Erlass der Verfügung vom 30. April 2018 gegebenen unverarbeiteten posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) erläutere Dr. med. B.________, dass diese die neu erfasste andauernde Persönlichkeitsänderung nach extremer Belastung voraussetze. Die Symptome dieser beiden Störungen überlappten sich. Aus dem Gesagten ergebe sich, so das kantonale Gericht abschliessend, dass seit Erlass der Verfügung vom 30. April 2018 kein neuer Versicherungsfall respektive keine zur Grunderkrankung völlig verschiedene psychische Störung hinzugetreten sei.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, gemäss dem Taschenführer zur ICD-10-Klassifizierung psychischer Störungen bedürfe die Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0) des Ausschlusses einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1), mithin handle es sich um eigenständige Erkrankungen. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung stehe nicht fest, dass sich die Symptome von F62.0 und F43.1 überlappen könnten.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass das kantonale Gericht keine eigene Interpretation des Krankheitsbildes vornahm, sondern sich explizit auf die Auskünfte des Dr. med. B.________ bezog. Dessen fachliche Kompetenz steht ausser Frage. Nur am Rande sei bemerkt, dass nach der ICD-10-GM, Version 2022 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification, abrufbar unter: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2022/block-f60-f69.htm; besucht am 31. Oktober 2023) eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) der Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0) vorausgegangen sein kann. Von der beantragten psychiatrischen Begutachtung ist abzusehen, da davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten wären (antizipierte Beweiswürdigung). Die Beschwerde ist in allen Teilen abzuweisen.  
 
5.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung) kann entsprochen werden, da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a und 371 E. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist (Urteil 8C_210/2016 vom 24. August 2016 E. 9). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Oskar Müller wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. November 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder