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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_6/2009 
 
Urteil vom 4. Februar 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Raselli, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Birgelen, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Betäubungsmitteldelikte und Organisierte Kriminalität, Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich. 
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 17. Dezember 2008 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führte eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen des Verdachtes qualifizierter Drogendelikte. Am 1. Oktober 2007 wurde gegen den Angeschuldigten Untersuchungshaft angeordnet. Diese wurde mehrmals verlängert (letztmals mit haftrichterlicher Verfügung vom 30. September 2008). 
 
B. 
Am 4. Dezember 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Zürich wegen mehrfachen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2008 ordnete der Haftrichter des Bezirksgerichtes Zürich an, dass der Angeklagte in Sicherheitshaft verbleibe. Bei diesem Entscheid stützte sich der Haftrichter auf die bisher ergangenen haftrichterlichen Verfügungen, die Anklageschrift vom 4. Dezember 2008 und die "übrigen Akten" der Staatsanwaltschaft. 
 
C. 
Gegen den haftrichterlichen Entscheid vom 17. Dezember 2008 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 16. Januar 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Haftsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
Der kantonale Haftrichter beantragt mit Vernehmlassung vom 26. Januar 2009 (sinngemäss) die Abweisung der Beschwerde, während die Staatsanwaltschaft auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hat. Der Beschwerdeführer replizierte am 3. Februar 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid betreffend Fortdauer der strafprozessualen Haft (in Form von Sicherheitshaft). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, der kantonale Haftrichter habe über die Fortdauer der strafprozessualen Haft entschieden, ohne ihn zuvor angehört bzw. zur Vernehmlassung eingeladen zu haben. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör im Haftprüfungsverfahren verletzt worden. Der Beschwerdeführer rügt (unter anderem) eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 14 UNO-Pakt II
 
3. 
Der Haftrichter bestätigt in seiner Vernehmlassung vom 26. Januar 2009, dass er den Beschwerdeführer vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht angehört hat. Beim Entscheid über die Fortdauer der strafprozessualen Haft nach Anklageerhebung (in Form von Sicherheitshaft) handle es sich nicht um ein "Haftprüfungsverfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK". Auch das Zürcher Strafprozessrecht sehe nicht vor, dass dem Angeklagten oder dessen Verteidiger Gelegenheit zu geben wäre, zum Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Sicherheitshaft Stellung zu nehmen. Gemäss dem "klaren Wortlaut von § 67 Abs. 2 StPO/ZH" würden am Bezirksgericht Zürich in solchen Fällen "praxisgemäss" weder der Angeklagte einvernommen, noch Beweise abgenommen, sofern sich der Angeklagte zuvor in Untersuchungshaft befunden habe. Dieser habe im Anschluss an den Entscheid über die Fortführung der Haft als Sicherheitshaft "sofort die Möglichkeit", bei der Staatsanwaltschaft ein Gesuch um Haftentlassung zu stellen und damit ein Haftbeschwerdeverfahren einzuleiten. Erst dieses sei dann kontradiktorisch auszugestalten. Dem Beschwerdeführer sei das rechtliche Gehör bereits bei der Anordnung der Untersuchungshaft sowie bei den haftrichterlichen Prüfungen der Fortsetzung der Untersuchungshaft gewährt worden. 
 
4. 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Haftanordnungs- und Haftprüfungsverfahren ist im zürcherischen Strafprozessrecht wie folgt geregelt: Hat der Untersuchungsbeamte beim Haftrichter Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft gestellt, gibt der Haftrichter dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern. Er gewährt ihnen Einsicht in die vom Untersuchungsbeamten unterbreiteten Akten. Der Angeschuldigte ist auf sein Verlangen vom Haftrichter persönlich anzuhören (§ 61 Abs. 1 StPO/ZH). Der Haftrichter kann eine mündliche Verhandlung anordnen und den Untersuchungsbeamten zum persönlichen Erscheinen verpflichten. Es findet kein Beweisverfahren statt (§ 61 Abs. 2 StPO/ZH). Der Haftrichter befindet aufgrund der vorgelegten Akten und der Vorbringen der Parteien über Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft (§ 62 Abs. 1 StPO/ZH). Stellt der Angeschuldigte (nach § 64 StPO/ZH) ein Gesuch um Aufhebung der Untersuchungshaft oder erfolgt (gestützt auf § 65 StPO/ZH) von Amtes wegen eine richterliche Haftprüfung, sind betreffend rechtliches Gehör die genannten Bestimmungen (von §§ 61-62 StPO/ZH) anwendbar (§ 65 Abs. 2 StPO/ZH; vgl. Andreas Donatsch, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996 ff., § 64 N. 29 f.). Ist Anklage erhoben worden, so befindet über die Sicherheitshaft in Sachen des Bezirksgerichtes dessen Haftrichter (§ 67 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH). Befand sich der Angeklagte bis zur Anklageerhebung in Untersuchungshaft, so wird er nicht einvernommen, und es werden keine Beweise abgenommen (§ 67 Abs. 2 StPO/ZH). Allerdings ist das rechtliche Gehör des Inhaftierten auch bei der Anordnung von Sicherheitshaft zu wahren (vgl. Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, Zürich, 4. Aufl. 2004, Rz. 716). Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Entlassung aus der Sicherheitshaft und will der Ankläger dem Gesuch nicht entsprechen, sind wiederum die §§ 61-62 StPO/ZH anwendbar (§ 68 StPO/ZH), weshalb der Angeklagte sogar einen Anspruch hat auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (§ 61 Abs. 1 StPO/ZH; vgl. Donatsch, a.a.O., § 68 N. 14-15; Schmid, a.a.O., Rz. 716a). 
 
5. 
Beim Entscheid des Haftrichters, die bisherige Untersuchungshaft sei (nach erfolgter Anklageerhebung) als Sicherheitshaft weiterzuführen, handelt es sich nicht um eine erstmalige Haftanordnung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Die betreffenden Garantien sind hier klarerweise nicht anwendbar. Dies gilt namentlich für den grundrechtlichen Anspruch des in Untersuchungshaft versetzten Angeschuldigten auf persönliche Anhörung durch den Haftanordnungsrichter (vgl. BGE 126 I 172 E. 3b S. 175 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall sind hingegen Art. 31 Abs. 4 BV bzw. Art. 5 Ziff. 4 EMRK massgeblich. Entgegen der Ansicht des kantonalen Haftrichters beschränken sich diese Verfahrensgarantien nicht ausschliesslich auf Haftbeschwerdeverfahren, die durch ein Haftentlassungsgesuch des Inhaftierten eingeleitet wurden. Die Behörden haben die grundrechtlichen Minimalansprüche von Art. 31 Abs. 4 BV vielmehr auch dann zu beachten, wenn das Prozessgesetz eine richterliche Haftprüfung von Amtes wegen vorsieht (vgl. BGE 115 Ia 293 E. 4-6 S. 299-308 mit Hinweisen; Urteile 1B_48/2007 vom 16. April 2007 E. 2.5 = EuGRZ 2007 S. 722; 1B_145/2007 vom 19. September 2007 E. 3.2). Zu diesen Minimalansprüchen gehört insbesondere das (durch Art. 31 Abs. 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 2 BV geschützte) Recht des Inhaftierten, sich vor einem strafprozessualen Haftfortsetzungsentscheid zu Anträgen der Untersuchungs- oder Anklagebehörde vernehmen zu lassen (BGE 133 I 270 E. 3.1 S. 277; 126 I 172 E. 3c S. 175 f.; 116 Ia 295 E. 4a S. 300a; 115 Ia 293 E. 4b S. 301; 114 Ia 84 E. 3 S. 88, je mit Hinweisen). Auch dem vom Haftrichter angerufenen § 67 Abs. 2 StPO/ZH liesse sich im Übrigen nicht entnehmen, dass dem Inhaftierten vor der richterlichen Anordnung von Sicherheitshaft das rechtliche Gehör vollständig verweigert werden könnte. Nach dieser Bestimmung (und in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 4 BV) entfällt hier lediglich der Anspruch auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (vgl. Schmid, a.a.O., Rz. 716). Hinzu kommt, dass noch in der Haftverlängerungsverfügung vom 30. September 2008 als Haftgrund Kollusionsgefahr genannt (und der Haftgrund der Fluchtgefahr offen gelassen) wurde, während laut angefochtenem Entscheid vom 17. Dezember 2008 nun die Haft auf Fluchtgefahr gestützt werden soll. 
 
6. 
Das Grundrecht des Inhaftierten auf rechtliches Gehör wurde im hier zu beurteilenden Haftprüfungsverfahren offensichtlich verletzt. Dieser Verfahrensfehler kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht nicht "geheilt" werden, weshalb die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Der kantonale Haftrichter wird den Angeklagten im hängigen Haftprüfungsverfahren unverzüglich zur Vernehmlassung einzuladen haben, bevor er (in Nachachtung der Verfahrensgarantien von Art. 31 Abs. 4 BV) neu über die allfällige Fortsetzung der strafprozessualen Haft (in Form von Sicherheitshaft) entscheidet. 
Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist hingegen eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 67 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung vom 17. Dezember 2008 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, wird aufgehoben, und die Haftsache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Zürich (Kasse des Bezirksgerichts Zürich) hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten. 
 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 4. Februar 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster