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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.824/2005 /ggs 
 
Urteil vom 20. März 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Bischofberger, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich, 
Bezirksgericht Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Rekurs gegen Einstellungsverfügung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, vom 7. Oktober 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl ermittelte gegen X.________ wegen Förderung der Prostitution, Vergehen gegen das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) und Bestechung. 
Mit drei separaten Verfügungen vom 19. April 2005 stellte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchungen ein. Die leitende Staatsanwältin genehmigte die Einstellungsverfügungen am 27. Juli 2005. 
B. 
Gegen alle drei Einstellungsverfügungen erhob X.________ Rekurs und beantragte zugleich die gerichtliche Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen. Sie machte geltend, die leitende Staatsanwältin sei bei der Genehmigung der Einstellungsverfügungen nicht unparteilich gewesen, da diese früher als Bezirksanwältin die Untersuchungen gegen die Beschwerdeführerin geführt habe. 
 
Am 7. Oktober 2005 trat der Einzelrichter für Zivil- und Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich auf die Rekurse nicht ein. 
C. 
Gegen diesen Nichteintretensentscheid erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Rekursentscheid sei aufzuheben und die Sache sei an die Staatsanwaltschaft zur erneuten Vorlage an die Oberstaatsanwaltschaft zurückzuweisen. 
D. 
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl beantragt Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Der Einzelrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
E. 
Mit Replik vom 6. März 2006 präzisiert die Beschwerdeführerin ihren Antrag dahin, dass der Rekursentscheid aufzuheben und die Sache an die Staatsanwaltschaft zur erneuten Vorlage an einen neutralen leitenden Staatsanwalt zurückzuweisen sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (vgl. § 409 Abs. 1 der Zürcher Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 [StPO/ZH]), mit dem auf die Rekurse gegen drei Einstellungsverfügungen nicht eingetreten wurde. Dieser Nichteintretensentscheid führt zur Rechtskraft der Einstellungsverfügungen und schliesst somit das kantonale Strafverfahren ab. Es handelt sich deshalb um einen Endentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte grundsätzlich offen steht (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; Art. 269 Abs. 2 BStP). 
1.1 Die Beschwerdeführerin ist zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, soweit sie sinngemäss geltend macht, der Einzelrichter sei auf ihren Rekurs unter willkürlicher Verletzung des kantonalen Verfahrensrechts nicht eingetreten und habe dadurch eine formelle Rechtsverweigerung i.S.v. Art. 29 Abs. 1 und 2 BV begangen (BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117 f. mit Hinweisen). Insoweit ist - vorbehältlich rechtsgenügend erhobener Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten. 
1.2 Dagegen kann auf die Rügen der Beschwerdeführerin, welche die Sache selbst betreffen, nicht eingetreten werden, weil der Einzelrichter darüber nicht entschieden hat. Dies gilt insbesondere für die Rüge, die Leitende Oberstaatsanwältin hätte bei der Genehmigung des Einstellungsbeschlusses in den Ausstand treten müssen. 
 
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur, ob der Nichteintretensentscheid des Einzelrichters verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzt. Ist dies der Fall, so muss der angefochtene Entscheid aufgehoben werden, mit der Folge, dass der Einzelrichter über die Rekurse der Beschwerdeführerin materiell entscheiden muss. Bevor ein solcher Sachentscheid der letzten kantonalen Instanz vorliegt, kann sich das Bundesgericht mit den materiellen Rügen der Beschwerdeführerin nicht befassen (vgl. BGE 109 Ia 248 E. 1 S. 250; zu einem Ausnahmefall vgl. BGE 121 I 1 E. 5a/aa und bb S. 10 ff.). 
 
Insofern ist auch der Antrag auf Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft unzulässig; verlangt werden kann einzig die Aufhebung des angefochtenen Nichteintretensentscheids. 
2. 
Der Einzelrichter hielt fest, dass die Kosten- und Entschädigungsfolgen der Einstellung Gegenstand einer gesonderten gerichtlichen Beurteilung seien; Gegenstand des Rekurses sei somit nur die Einstellung selbst. Diesbezüglich sei die Rekurrentin jedoch nicht beschwert. Für die Beschwer komme es ausschliesslich auf das Dispositiv des angefochtenen Entscheids und nicht auf seine Begründung an. Ein Beschuldigter könne daher einen Entscheid, mit dem das Strafverfahren gegen ihn definitiv eingestellt werde, nicht anfechten. 
2.1 Die Beschwerdeführerin macht dagegen zum einen geltend, das Dispositiv der Einstellungsverfügung betreffend Vergehen gegen das ANAG laute auf "Einstellung der Untersuchung im Sinne der Erwägungen"; damit seien auch die Erwägungen zum Dispositiv erhoben worden. Sie legt aber nicht dar, auf welche Erwägungen damit verwiesen wird und inwiefern sich diese negativ auf ihre Rechtsstellung auswirkten. 
2.2 Zum anderen macht sie geltend, bei Gutheissung des Rekurses wegen Befangenheit der die Genehmigungsverfügung erlassenden leitenden Staatsanwältin bestehe die Möglichkeit, dass eine für sie günstigere Einstellungsverfügung unter gänzlicher Kostenbefreiung erlassen werde. 
 
Die Kostenfolgen der Einstellung sind jedoch nicht Gegenstand des Rekursverfahrens, sondern unterliegen gemäss § 44 StPO/ZH einer selbständigen gerichtlichen Beurteilung. Insofern genügt der für die Beschwerdeführerin ungünstige Kostenentscheid nicht, um ihre Beschwer im Rekursverfahren zu begründen. 
2.3 Nach dem Gesagten durfte der Einzelrichter die Beschwer verneinen, ohne in Willkür zu verfallen. 
 
Die Beschwerdeführerin macht weder geltend noch legt sie dar, weshalb es verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre, unabhängig vom Vorliegen einer Beschwer auf ihre Rekurse einzutreten. 
3. 
Soweit sich die Rekurse gegen die Genehmigung der Einstellungsverfügung durch die leitende Staatsanwältin richteten, trat der Einzelrichter darauf nicht ein, weil Anfechtungsobjekt des Rekurses nur die Einstellungsverfügung selbst sein könne; die Genehmigung oder Nichtgenehmigung dieser Verfügung unterliege keinem Rechtsmittel. 
Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern diese Rechtsauffassung willkürlich sei. Im Übrigen wäre auch für einen Rekurs gegen die Genehmigung eine Beschwer erforderlich gewesen; hierfür kann auf das oben (E. 2) Ausgeführte verwiesen werden. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 156 und 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Bezirksgericht Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. März 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: