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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1193/2017  
 
 
Urteil vom 15. März 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Kost, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Revision eines Strafbefehls, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 7. September 2017 (4O 17 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Abteilung 2 Emmen verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 1. Juli 2014 wegen Angriffs zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Busse von Fr. 700.--. Gemäss Strafbefehl war X.________ gemeinsam mit A.________ und B.________ am 11. Dezember 2011 in einem Nachtlokal tätlich geworden gegen C.________. Dieser habe Verletzungen an Schädel, Rippen, Handgelenk und Oberschenkel erlitten. 
Dieser Strafbefehl ersetzte denjenigen vom 18. Juni 2013, gegen den die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern Einsprache erhoben hatte, und erwuchs in Rechtskraft. 
 
B.  
X.________ stellte am 12. Mai 2017 ein Revisionsgesuch, auf welches das Kantonsgericht Luzern am 7. September 2017 nicht eintrat. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben und auf sein Revisionsgesuch sei einzutreten. Die Sache sei an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen zur Durchführung des Vorverfahrens. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 410 Abs. 1 lit. a, Art. 412 und Art. 413 StPO sowie eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. 
 
1.1.  
 
1.1.1. Wer durch ein Strafurteil oder einen Strafbefehl beschwert ist, kann nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen. Unter Tatsachen sind Umstände zu verstehen, die im Rahmen des dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Mit Beweismitteln wird der Nachweis von Tatsachen erbracht (BGE 137 IV 59 E. 5.1.1 S. 66). Tatsachen und Beweismittel sind neu, wenn das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung keine Kenntnis von ihnen hatte, das heisst, wenn sie ihm nicht in irgendeiner Form unterbreitet worden sind (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 S. 66 f.; 130 IV 72 E. 1 S. 73). Neue Tatsachen und Beweismittel sind erheblich, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Verurteilung stützt, zu erschüttern, und wenn die so veränderten Tatsachen einen deutlich günstigeren Entscheid zugunsten des Verurteilten ermöglichen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.4 S. 68; 130 IV 72 E. 1 S. 73). Die Revision ist zuzulassen, wenn die Abänderung des früheren Urteils wahrscheinlich ist. Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e S. 360 f.).  
 
1.1.2. Das Revisionsverfahren gemäss StPO gliedert sich grundsätzlich in zwei Phasen, nämlich eine Vorprüfung (Art. 412 Abs. 1 und 2 StPO) sowie eine materielle Prüfung der geltend gemachten Revisionsgründe (Art. 412 Abs. 3 und 4 sowie Art. 413 StPO). Es handelt sich um ein zweistufiges Verfahren, für welches das Berufungsgericht zuständig ist (Art. 412 Abs. 1 und 3 StPO).  
Gemäss Art. 412 Abs. 2 StPO tritt das Gericht auf das Revisionsgesuch nicht ein, wenn es offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist oder mit den gleichen Vorbringen schon früher gestellt und abgelehnt wurde. Bei dieser vorläufigen und summarischen Prüfung sind grundsätzlich die formellen Voraussetzungen zu klären. Das Gericht kann jedoch auf ein Revisionsgesuch auch nicht eintreten, wenn die geltend gemachten Revisionsgründe offensichtlich unwahrscheinlich oder unbegründet sind (Urteil 6B_791/2014 vom 7. Mai 2015 E. 2.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 141 IV 298). 
 
1.1.3. Ein Gesuch um Revision eines Strafbefehls muss als missbräuchlich qualifiziert werden, wenn es sich auf Tatsachen stützt, die dem Verurteilten von Anfang an bekannt waren, die er ohne schützenswerten Grund verschwieg und die er in einem ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, welches auf Einsprache hin eingeleitet worden wäre. Demgegenüber kann die Revision eines Strafbefehls in Betracht kommen wegen wichtiger Tatsachen oder Beweismittel, die der Verurteilte im Zeitpunkt, als der Strafbefehl erging, nicht kannte oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (BGE 130 IV 72 E. 2.3 S. 75 f.). Rechtsmissbrauch ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu dient, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (vgl. BGE 130 IV 72 E. 2.2 S. 74 und E. 2.4 S. 76).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer begründet sein Revisionsgesuch damit, dass er neue Zeugen beibringen könne, die im Nachtlokal gewesen seien und die Tat beobachtet hätten. Sie könnten ihn vom Vorwurf entlasten, am Angriff beteiligt gewesen zu sein. Deren Namen seien ihm erst nachträglich nach weiteren Abklärungen bekannt geworden.  
 
1.3. Die Vorinstanz erwägt, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer die im Revisionsgesuch dargestellten Nachforschungen nach den Zeugen erst anstellte, nachdem eine Schadenersatzklage gegen ihn erhoben worden sei. Bereits nach Erhalt des ersten Strafbefehls vom 18. Juni 2013 hätte ihm dessen Bedeutung klar sein müssen. Nach Erhalt des zweiten Strafbefehls vom 1. Juli 2014 habe er nochmals Gelegenheit gehabt, Einsprache zu erheben und Nachforschungen nach allfälligen Entlastungszeugen anzustellen.  
Zudem habe er bereits bei seiner polizeilichen Befragung ausgesagt, zwei Frauen hätten die tätliche Auseinandersetzung gesehen und könnten seine Aussagen bestätigen. Zwar hätten sie ihn angerufen, doch kenne er sie nicht und nur sie hätten seine Telefonnummer. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer behaupte nicht, die Nachforschungen seien nicht früher möglich gewesen. Einerseits sei anzunehmen, dass der Anruf auf seinem Mobiltelefon registriert worden sei, andererseits habe er den Mitbeteiligten B.________ gekannt, welcher ihm den Namen einer Zeugin nannte und ihn an D.________ als weiteren möglichen Zeugen erinnert haben solle. Wie aus seinem Revisionsgesuch hervorgehe, habe der Beschwerdeführer auch über dessen Telefonnummer verfügt. Ihn habe nichts daran gehindert, bereits damals entsprechende Nachforschungen zu betreiben. 
 
1.4. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist nicht verständlich, weshalb der Beschwerdeführer zwei Mal von einer Einsprache absah und auf die Möglichkeit verzichtete, seine Einwände in einem gerichtlichen Verfahren vorzubringen.  
Der Beschwerdeführer selber trägt vor, es sei offensichtlich, dass er ein Interesse daran habe, durch die Aufhebung des Strafbefehls vom 1. Juli 2014 der gegen ihn eingereichten Zivilklage vom 27. Januar 2017 die Klagebasis zu entziehen. Bewog ihn aber erst die Schadenersatzklage, weitere Abklärungen zu treffen, so erscheint das Revisionsgesuch als Mittel, um den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, dass es für den Beschwerdeführer unmöglich gewesen wäre, Einsprache zu erheben und nach den angeblichen Zeugen zu forschen. Ganz im Gegenteil bestand für den Beschwerdeführer bereits damals konkrete Veranlassung zu den nunmehr behaupteten Nachforschungen. 
 
1.5. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer bereits bei seiner polizeilichen Befragung auf Personen hingewiesen hatte, die angeblich seine Unschuld bezeugen könnten. Ob es sich dabei um jene Zeugen handelt, die er in seinem Revisionsgesuch nennt, ist entgegen seiner Ansicht unerheblich. Ohne Belang ist auch, wann der Beschwerdeführer die Namen der Zeugen hätte ausfindig machen können. Denn unabhängig davon hätte er Einsprache erheben und seine Einwände samt Beweisanträgen im ordentlichen Verfahren geltend machen können, weshalb auf seine diesbezüglichen Sachverhaltsrügen nicht einzutreten ist. 
 
1.6. Die Vorinstanz erwägt eventualiter, das Revisionsgesuch wäre ohnehin abzuweisen gewesen, weil der Beschwerdeführer es ungenügend begründe. Auf die dagegen gerichteten Rügen des Beschwerdeführers ist nicht einzugehen, da die Vorinstanz auf das Revisionsgesuch zu Recht überhaupt nicht eintrat.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist durch reduzierte Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2, Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. März 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt