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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_539/2018  
 
 
Urteil vom 5. Oktober 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch lic. iur. Felice Grella, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, Prozesskaution, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 22. Mai 2018 (VB.2018.00309). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1959) stammt aus Sri Lanka. Am 10. Januar 1989 reiste sie als Asylsuchende in die Schweiz ein, wo sie am am 6. Januar 1990 den 1952 geborenen und damals in Zürich aufenthaltsberechtigten B.________ heiratete. In der Folge wurde ihr Asygesuch als gegenstandslos abgeschrieben und ihr am 29. September 1992 eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim Ehemann erteilt. Auch die beiden aus der Ehe entstammenden Söhne C.________ (geb. 1990) und D.________ (geb. 1992) erhielten Aufenthaltsbewilligungen. Auf den 2. August 1997 meldete sich A.________ mit ihren beiden Söhnen nach Sri Lanka ab, während ihr Ehemann alleine in der Schweiz verblieb. Ab 1997 lebte sie mit ihren Söhnen in Kanada, wo sie 2014 die kanadische Staatsbürgerschaft erwarb. 
 
B.  
Am 12. Juli 2016 reiste A.________ ohne ihre Söhne in die Schweiz ein und ersuchte am 25. Juli 2016 um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, um bei ihrem Ehemann Wohnsitz zu nehmen. Mit Verfügung vom 19. Juli 2017 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich dieses Gesuch unter gleichzeitiger Ansetzung einer Ausreisefrist bis zum 19. August 2017 ab, da insbesondere weder wichtige Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug vorlägen noch die Voraussetzungen für eine Zulassung als Rentnerin im Sinne von Art. 28 AuG (SR 142.20) gegeben seien. 
Den hiergegen erhobenen Rekurs wies die kantonale Sicherheitsdirektion am 9. April 2018 ab, soweit sie ihn nicht als gegenstandslos betrachtete, und setzte A.________ eine neue Ausreisefrist bis zum 30. Juni 2018 an. 
 
C.  
Hiergegen gelangte A.________ am 15. Mai 2018 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und beantragte in der Hauptsache, es sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 43 Abs. 1 AuG, eventualiter eine solche nach Art. 28 AuG zu erteilen. Weiter ersuchte sie darum, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen sowie ihr die unentgelltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 22. Juni 2018 verfügte der Abteilungspräsident des Verwaltungsgerichts, soweit hier interessierend, wie folgt: 
 
"1. Die Beschwerdeführerin hat den Bewilligungsentscheid nach Ablauf der ihr auf den 30. Juni 2018 angesetzten Ausreisefrist im Ausland abzuwarten. 
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. Der Beschwerdeführerin läuft eine Frist von 20 Tagen (...), um die sie allenfalls treffenden Kosten des Verfahrens durch einen Vorschuss von Fr. 2'500.-- sicherzustellen, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten wird (....). " 
 
E.  
Mit Eingabe vom 19. Juni 2018 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, die Ziffern 1, 2 und 3 der letztgenannten Verfügung aufzuheben, sie - die Beschwerdeführerin - "von der Kautionsauflage zu befreien" und ihr zu gestatten, den Ausgang des kantonalen Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. Ferner wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht, ebenso um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Das Migrationsamt des Kantons Zürich hat sich nicht venehmen lassen, ebenso wenig das Staatssekretariat für Migration (SEM). Die kantonale Sicherheitsdirektion verzichtet ausdrücklich auf eine Vernehmlassung. Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die angefochtene Verfügung ist ein Zwischenentscheid im Rahmen eines migrationsrechtlichen kantonalen Beschwerdeverfahrens gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 9. April 2018, der das Verfahren  nicht abschliesst. Zwischenentscheide, die nicht die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen, unterstehen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - abgesehen von der hier ausser Betracht fallenden Voraussetzung, dass mit einer Gutheissung der Beschwerde sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden kann und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Verfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG) - nur, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 lit. a BGG). Ein selbständig eröffneter Vor- oder Zwischenentscheid, mit welchem - wie hier - die Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege ganz oder zumindest teilweise verweigert wird, kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Daher ist der Entscheid, wenn auch nicht verfahrensabschliessend, vor Bundesgericht selbständig anfechtbar (Urteil 4D_62/2015 vom 9. März 2016 E. 1, nicht publ. in BGE 142 III 138; BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338). Der Rechtsweg folgt dabei jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382).  
Vorliegend ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Hauptsache zulässig, da die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines hier niedergelassenen Ausländers einen grundsätzlichen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug hat (Art. 43 Abs. 1 AuG). Da ebenso die Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils (Art. 93 lit. a BGG) erfüllt ist, steht dasselbe Rechtsmittel auch gegen den hier streitigen Zwischenentscheid offen, welcher - soweit hier angefochten - folgende drei Anordnungen umfasst: a) Verweigerung eines vorsorglichen Aufenthaltsrechts während der Dauer des Verfahrens, b) Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und c) Verpflichtung zur Leistung eines Kostenvorschusses ("Kaution"). 
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Ausländerinnen und Ausländer, die für einen vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind und die nachträglich eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen, haben den Entscheid im Ausland abzuwarten (Art. 17 Abs. 1 AuG). Werden die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt, so kann die zuständige kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten (Art. 17 Abs. 2 AuG). Die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 AuG muss grundrechtskonform erfolgen; dazu gehört auch eine beförderliche Behandlung des Gesuchs: Unverhältnismässige, schikanöse Ausreiseverpflichtungen und Verfahrensverzögerungen sind im Interesse aller Beteiligten unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV) primär dadurch zu vermeiden, dass rasch erstinstanzlich in der Sache entschieden wird (BGE 139 I 37 E. 2.2 in fine mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 2C_76/2013 vom 23. Mai 2013 E. 2.2.4).  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin ist legal in die Schweiz eingereist und hat dann ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Wohl hatte sie darauf einen grundsätzlichen Anspruch (Art. 43 Abs. 1 AuG), ohne Bewilligung durfte sie sich aber bloss drei Monate im Land aufhalten (Art. 10 Abs. 1 AuG). Den Entscheid hätte sie daher im Ausland abwarten müssen (Art. 17 Abs. 1 AuG).  
Sodann gilt auch für die Ehefrau (vgl. Urteil 2C_914/2014 vom 18. Mai 2015 E. 4.1 mit Hinweisen) - vorbehältlich wichtiger familiärer Gründe - die fünfjährige Nachzugsfrist von Art. 47 Abs. 1 AuG. Diese Frist ist hier unbestrittenermassen abgelaufen. Wenn die Vorinstanz in der Folge solche wichtigen Gründe - soweit sie überhaupt substanziert geltend gemacht wurden - verneint hat (E. 4.5-4.7 des angefochtenen Entscheides), verletzte sie angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin während fast zwei Jahrzehnten im Ausland gelebt hat, kein Bundesrecht; jedenfalls waren die Zulassungsvoraussetzungen nicht "offensichtlich" bzw. "mit grosser Wahrscheinlichkeit" erfüllt (vgl. BGE 139 I 37 E. 2.1 mit Hinweis auf die einschlägige Botschaft des Bundesrates [BBl 2002 3709 ff.]). Auch vor Bundesgericht macht die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht wirklich wichtige Gründe nach Art. 47 Abs. 4 geltend; sie beruft sich bloss darauf, es sei nicht offensichtlich, dass das Nachzugsgesuch abgelehnt werde (Beschwerde S. 5 Ziff. 17). Das ist im Lichte des Wortlauts und der ratio legis von Art. 17 Abs. 2 AuG jedoch gerade die verkehrte Optik. Ebensowenig ist Art. 8 EMRK verletzt, wenn die Ehegatten - wie hier - jahrelang freiwillig getrennt gelebt haben. Dass in den letzten beiden Jahren ein Familienleben aufgebaut werden konnte (Beschwerde S. 5 Ziff. 18), ist ausschliesslich darauf zurückzuführen, dass die Beschwerdeführerin entgegen der gesetzlichen Verpflichtung den Bewilligungsentscheid nicht im Ausland abgewartet hat und nun versucht, die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. 
Schliesslich schlägt Art. 47 Abs. 4 AuG auf Art. 17 Abs. 2 AuG durch: Wichtige familiäre Gründe für eine Wiedereinreise zum Ehemann liegen jedenfalls nicht gerade offensichtlich auf der Hand, wenn das Ehepaar zuvor ca. 20 Jahre Trennung in Kauf genommen hat. 
Die Vorinstanz hat damit beim Entscheid, ob der Beschwerdeführerin während der Dauer des Verfahrens ein prozessuales Aufenthaltsrecht zu gewähren sei, zu Recht Art. 17 Abs. 2 AuG angewendet und zutreffend erkannt, dass die Zulassungsvoraussetzungen eben gerade nicht offensichtlich erfüllt sind. Die Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als unbegründet. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt, das Verwaltungsgericht habe ihre Beschwerde zu Unrecht als aussichtslos beurteilt und hätte ihr die unentgeltliche Rechtspflege gewähren müssen. 
Der Umfang des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege richtet sich zunächst nach dem kantonalen Recht: Gemäss § 16 Abs. 1 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG/ZH) vom 24. Mai 1959 ist Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, auf entsprechendes Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu erlassen. Damit geht § 16 Abs. 1 VRG/ZH nicht über Art. 29 Abs. 2 BV hinaus und sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren, so dass eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, bei vernünftiger Überlegung von einem Prozess absehen würde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). Wollte die Beschwerdeführerin die Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Beschwerde sei aussichtslos, bestreiten, müsste sie Verfassungsrügen (Art. 29 Abs. 3 BV) vorbringen, welche der qualifizierten Rügepflicht unterliegen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift enthält indes keine solchen Rügen. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin wehrt sich schliesslich gegen die in der angefochtenen Verfügung angeordnete Verpflichtung, einen Kostenvorschuss zu leisten. 
Diese Anordnung basiert auf kantonalem Verfahrensrecht: Gemäss § 15 Abs. 2 VRG/ZH kann ein Privater unter der Androhung, dass auf sein Begehren sonst nicht eingetreten werde, zur Sicherstellung der Verfahrenskosten angehalten werden, wenn er u.a. in der Schweiz keinen Wohnsitz hat (lit. a). 
Beruht der angefochtene Entscheid wie vorliegend bei der zürcherischen Kautionspflicht auf kantonalem Verfahrensrecht, kann mit der Beschwerde im Wesentlichen nur gerügt werden, dieses sei willkürlich oder sonst wie in gegen verfassungsmässige Rechte verstossender Weise gehandhabt worden. Entsprechende Rügen bedürfen spezifischer Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 141 I 36 E. 1.3 S. 41; 138 I 225 E. 3.1 und 3.2 S. 227 f.; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin bringt nur vor, sie sei ordnungsgemäss in Zürich angemeldet und habe damit Wohnsitz in der Schweiz; sie erhebt aber keine Verfassungsrügen gegen die Beurteilung der Vorinstanz, wonach sie derzeit keinen Aufenthaltsstatus besitze, den verwaltungsgerichtlichen Entscheid im Ausland abzuwarten habe und deshalb über keinen rechtmässigen Wohnsitz verfüge (E. 7.2 des angefochtenen Entscheides). 
 
5.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich in allen Teilen als unbegründet. Sie ist abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang trägt die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann nicht entsprochen werden, da ihre Anträge als aussichtslos bezeichnet werden müssen (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). 
Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das gestellte Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung hinfällig. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.  
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Oktober 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein