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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 314/01 
 
Urteil vom 29. Oktober 2002 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
R.________, 1935, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Sektion Horgen, Seestrasse 217, 8810 Horgen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 28. September 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen einer Umstrukturierung seiner Arbeitgeberfirma wurde R.________, geboren 1935, per Ende Mai 1998 frühzeitig pensioniert. Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI lehnte mit Verfügung vom 17. Juli 1998 den mit Anmeldung vom 16. Juni 1998 gestellten Antrag auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung ab, da die bezogene Altersleistung höher als die zu erwartende Arbeitslosenentschädigung sei. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. September 2001 in dem Sinne gut, dass die Verfügung vom 17. Juli 1998 aufgehoben und die Sache an die Arbeitslosenkasse zurückgewiesen wurde, damit sie die R.________ ab dem 1. Juni 1998 zustehende Arbeitslosenentschädigung neu berechne. 
C. 
R.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den sinngemässen Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung seien ihm Arbeitslosenentschädigungen von monatlich Fr. 6172.-, eventualiter Fr. 4795.-, zuzusprechen; subeventualiter sei die Sache zur Neuberechnung an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen. Ferner beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 13 Abs. 3 AVIG kann der Bundesrat zur Verhinderung eines ungerechtfertigten gleichzeitigen Bezuges von Altersleistungen der beruflichen Vorsorge und Arbeitslosenentschädigung die Anrechnung von Beitragszeiten vorzeitig pensionierter Personen von Art. 13 AVIG abweichend regeln. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat in Art. 12 AVIV unter der Marginalie "Beitragszeit vorzeitig pensionierter Versicherter" folgende Bestimmung erlassen: 
"1Versicherten, die vor Erreichung des Rentenalters der AHV pensioniert worden sind, wird nur jene beitragspflichtige Beschäftigung als Beitragszeit ange- rechnet, die sie nach der Pensionierung ausgeübt haben. 
2Absatz 1 gilt nicht, wenn der Versicherte: 
a. aus wirtschaftlichen Gründen oder auf Grund von zwingenden Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensioniert wurde und 
 
b. einen Anspruch auf Altersleistungen erwirbt, der geringer ist als die Ent- schädigung, die ihm nach Artikel 22 AVIG zustünde. 
3Als Altersleistungen gelten Leistungen der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge." 
1.2 Gemäss der bis 31. August 1999 gültigen (und infolge der im Juli 1998 ergangenen Verwaltungsverfügung hier massgebenden) Fassung des Art. 18 Abs. 4 AVIG durfte das Taggeld zusammen mit Vorruhestandsleistungen der beruflichen Vorsorge und allfälligen Zwischenverdiensten 90 % des letzten massgebenden versicherten Verdienstes vor der Pensionierung nicht übersteigen. Dabei wurden die Vorruhestandsleistungen als Leistungen der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge definiert (Art. 32 AVIV in der bis 31. August 1999 gültigen Fassung in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 AVIV). 
 
Stellt die von der Arbeitgeberfirma finanzierte monatliche Rente dagegen eine freiwillige Abgangsentschädigung im Rahmen der vorzeitigen Pensionierung dar, ist sie - entsprechend einer Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit (BWA; heute seco) vom 15. Mai 1998 - für die Taggeldhöhe unbeachtlich. Diese Weisung ist zwar vom Eidgenössischen Versicherungsgericht als gesetzwidrig erkannt worden, wird jedoch von der Verwaltung konsequent angewandt, weshalb die Gleichbehandlung im Unrecht der Gesetzmässigkeit des Verwaltungshandelns vorgeht (BGE 126 V 390). 
2. 
2.1 Bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung erzielte der Beschwerdeführer ein monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von Fr. 7964.- (inkl. 13. Monatslohn). Seither erhält er eine monatliche Rente der Pensionskasse von insgesamt Fr. 4240.- (lebenslängliche Altersrente Fr. 1157.-, Überbrückungsrente bis zum Erreichen des AHV-Alters Fr. 1990.-, Differenzrente bis zum Erreichen des AHV-Alters Fr. 1093.-). Im Weiteren bezieht der Versicherte seit März 2001 Leistungen aus einer (von 1998 auf 2001) aufgeschobenen Rentenversicherung, welche Vorinstanz und Verwaltung mit einem Betrag von monatlich Fr. 1455.- berücksichtigt haben. 
2.2 Streitig ist, welche der im Rahmen der frühzeitigen Pensionierung fliessenden Leistungen gemäss Art. 12 AVIV betreffend Beitragszeit und - falls diese zu bejahen ist - nach der bis Ende August 1999 massgebenden Fassung des Art. 18 Abs. 4 AVIG betreffend Umfang des Leistungsanspruchs anzurechnen sind. Demgegenüber ergibt sich aus den Akten und ist unbestritten, dass der Versicherte aus wirtschaftlichen Gründen vorzeitig pensioniert worden ist (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. a AVIV). 
2.3 
2.3.1 Der Versicherte bringt vor, die Monatsrente von Fr. 4240.- werde nur im Umfang von Fr. 994.- durch die Pensionskasse finanziert, der Rest (Ausfall der Rentenkürzung wegen vorzeitiger Pensionierung, Überbrückungsrente, Differenzrente) werde hingegen durch den Arbeitgeber bezahlt, was dieser mit Schreiben vom 1. und 5. November 2001 bestätigt habe. 
 
Der grösste Teil der Rentenleistung ist tatsächlich durch die ehemalige Arbeitgeberfirma finanziert worden, dennoch vermag dies nichts daran zu ändern, dass eine Vorsorgeleistung im Sinne des Art. 18 Abs. 4 AVIG in der bis 31. August 1999 gültigen Fassung resp. des Art. 12 Abs. 2 lit. b AVIV vorliegt. Denn der von der ehemaligen Arbeitgeberin im Voraus an die Pensionskasse bezahlten Leistung zu Gunsten des Beschwerdeführers liegt der Versicherungsgedanke zugrunde, da vor dem - obwohl kurz bevorstehenden - Eintritt der frühzeitigen Pensionierung der Eintritt des Risikos Alter noch unsicher gewesen ist. Gedeckt ist der Lohnverlust infolge vorzeitiger Pensionierung, sodass das Risiko Alter (und nicht dasjenige der Arbeitslosigkeit) versichert worden ist, wobei im Rahmen der Frühpensionierung eine Vorverschiebung des Eintrittszeitpunktes erfolgte. Wäre tatsächlich - wie es die Vorinstanz annimmt - das Risiko der Arbeitslosigkeit versichert, müssten die entsprechenden Leistungen der Pensionskasse bei Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit eingestellt werden können, was jedoch nicht der Fall ist. Insoweit ist der vorliegende Fall nicht mit dem Urteil H. vom 9. März 2001, C 90/00, zu vergleichen, in welchem zwar eine freiwillige Leistung der Arbeitgeberfirma via Pensionskasse als Abgangsentschädigung taxiert wurde, jedoch von den Parteien ein Widerruf oder zumindest eine Änderung für den Fall des Findens einer neuen Arbeitsstelle vereinbart worden ist. 
 
Im Weiteren hat der Beschwerdeführer die reglementarische Altersgrenze für die frühzeitige Pensionierung überschritten. Da die entsprechenden Leistungen der Pensionskasse ohne weiteres geleistet werden, besteht offensichtlich auch ein diesbezüglicher Anspruch des Versicherten. Die von der ehemaligen Arbeitgeberfirma an die Pensionskasse erbrachte Zahlung stellt somit weder massgebenden Lohn (vgl. Art. 8 lit. a AHVV; andernfalls läge gemäss Art. 11 Abs. 3 AVIG gar kein anrechenbarer Arbeitsausfall vor) noch eine Abgangsentschädigung dar, denn eine solche wäre frei verwendbar und bliebe nicht - wie der entsprechende Betrag in vorliegender Sache - der Vorsorge verhaftet. Es liegt eine Situation ähnlich derjenigen vor, in welcher der Arbeitgeber die gesamte zweite Säule finanziert (vgl. Art. 66 Abs. 1 BVG), der Versicherte den Versicherungsfall "Alter" erlebt und ein Ersatzeinkommen in Form einer Rente erzielt. 
2.3.2 Nichts anderes ergibt sich auch aus einem Quervergleich mit der Regelung der Alters- und Hinterlassenenversicherung, wobei diese Qualifikation in der Weisung des BWA (heute seco) vom 15. Mai 1998 für die arbeitslosenversicherungsrechtliche Behandlung allerdings als nicht massgebend betrachtet wird. In der bis 31. Dezember 2000 gültigen Fassung des Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV waren nicht Erwerbseinkommen die reglementarischen Leistungen selbstständiger Vorsorgeeinrichtungen und vertraglich mit dem Arbeitnehmer vereinbarten Vorsorgeleistungen, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles die Leistungen persönlich beanspruchen konnte. Nach Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV in der seit 1. Januar 2001 gültigen Fassung gehören nicht zum Erwerbseinkommen reglementarische Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles die Leistungen persönlich beanspruchen kann. 
 
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, sodass die Leistungen der Pensionskasse auch im Sinne der Alters- und Hinterlassenenversicherung kein Erwerbseinkommen darstellen. 
2.3.3 Damit ist die - in masslicher Hinsicht nicht zu beanstandende - gesamte Rentenleistung der Pensionskasse in Höhe von Fr. 4240.- im Rahmen der Beitragszeit wie auch bei der Berechnung des Anspruchs auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigen, da es sich um Leistungen der beruflichen Vorsorge handelt. Mangels Vorliegens einer freiwilligen Abgangsentschädigung findet die Weisung des BWA (heute seco) vom 15. Mai 1998, wonach solche (hier nicht vorliegende) Leistungen nicht anzurechnen sind, keine Anwendung (vgl. Erw. 1.2 in fine hievor). 
2.4 Der Beschwerdeführer anerkennt die Berücksichtigung des aufgeschobenen Kapitalbezuges aus der zweiten Säule bei der Bemessung der Überentschädigung, jedoch bemängelt er die vorgenommene Umrechnung: wegen seines Alters zur Zeit der vorzeitigen Pensionierung sei richtigerweise der Umrechnungsfaktor 12.9 (statt 12.2) heranzuziehen, was zu einem zu berücksichtigenden Betrag von Fr. 1377.- (anstatt Fr. 1455.-) führe. 
 
Der Versicherte war im Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung 62 Jahre und 6 Monate alt, womit der Betrag des aufgeschobenen Kapitalbezuges von Fr. 213'119.- gemäss der Weisung des BWA (heute seco) über die Umwandlung von Kapitalabfindungen in Monatsrenten (ALV-Praxis 98/1, Blatt 3/1 und 2) durch den Divisor 12.9 zu teilen ist, was zu einem Jahresbetrag von Fr. 16'521.- führt und pro Monat Fr. 1377.- ergibt. Die Arbeitslosenkasse wird dies bei der Neuberechnung der Arbeitslosenentschädigung zu berücksichtigen haben; zudem wird sie das Vorliegen der restlichen Anspruchsvoraussetzungen (Art. 8 ff. AVIG) und den Anspruchsbeginn (Art. 18 Abs. 1 AVIG) prüfen. 
3. 
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erweist sich daher als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. September 2001, soweit die massliche Berücksichtigung des aufgeschobenen Kapitalbezuges aus der zweiten Säule sowie den Anspruchsbeginn betreffend, und die Verfügung der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI vom 17. Juli 1998 aufgehoben, und es wird die Sache an die Arbeitslosenkasse zurückgewiesen, damit sie nach Abklärungen im Sinne der Erwägungen über die Leistungsberechtigung neu befinde. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 29. Oktober 2002 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: